Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Rechtsweg und Kompetenzkonflikt (Elsaß-Lothringen) 
  
von welcher die Unzuständigkeit endgültig ausge- 
sprochen worden ist, die frühere Entscheidung auf- 
zuheben und mit Rücksicht auf das oben angeführte 
Verbot des a 108 1 anderweite Entscheidung zu 
treffen; die Sache kann zu diesem Zweck an eine 
Vorinstanz verwiesen werden (a 108 II VRPflG). 
b) In allen sonstigen Fällen eines negativen 
KK steht jeder der Parteien das Recht zu, die 
Entscheidung des VGH herbeizuführen. Der 
Antrag ist unter Vorlage der in den Händen der 
Partei befindlichen Akten beim V einzureichen, 
der den beteiligten obersten Verw Behörden Ge- 
legenheit zur gutachtlichen Aeußerung zu geben 
und im übrigen gemäß a 109 VRPflG zu ver- 
fahren hat (a 20 AG, a 8, 109 VRUflG). 
Literatur: Eigenbrodt, Das Berhältnis 
der Gerichte zur Berwaltung im Gr. Hessen, 1810; Zeut- 
graf, Das Zuständigkeitswesen und der Zuständigkeits- 
streit i. d. Landgr. H.-D. (1567—1803), Gieß. Diss. 1909; 
Gravenhorst, Der sog. Konflikt bei gerichtl. Ver- 
solgung von Beamten (Abhandlan. hrsg. v. Brie und 
Fleischmann H. 15), 1008; Wiegand, Das hess. Staats- 
beamtenrecht, Gieß. Diss. 1907; Best (Gcorg), Hessische 
Ausführungsgesetze (H. A. mit Anm.) II u. III (1900); 
Best (Wilh.), Hess. Berwechtspflegegesctz (Amtl. H.A. 
m. Erläutergn. a. Grund d. amtl. Materialien), 1911; 
Küchler (Braun und Weber), Hess. Verf= u. 
Verwrecht, II, 1894; Cosack, Hess. St. R., 1894; van 
Calker, Hess. St. R., 1913, bes. 4#4 17, 18, 41, 45. 
W. van Calker. 
G. Elsa-Kothringen 
## 1. Grundsätzlicher Standpunkt. 1 2. Zulässigkeit des 
Rechtswegs. 
§ 1. Grundsätzlicher Standpunkt. 
I. Für die Frage der Zulässigkeit des RW ist in 
Elsaß-Lothringen in erster Linie das französische 
Staats= und VerwRecht maßgebend. Dieses 
Recht beruht auf dem durch die große Revolution 
zum Zwecke der Abstellung der bis dahin bestan- 
denen Mißbräuche verkündeten Grundsatze von 
der Trennung der Gewalten. Durch das 
GVG v. 16./24. 8. 1790, Tit. 2 a 13, und durch 
das Dekret v. 16. Fruktidor III ist bestimmt wor- 
den, daß das Richteramt von den Aemtern der 
Verwaltung streng geschieden bleiben soll; zugleich 
wurde den Gerichten bei schweren Strafen ver- 
boten, über Verwaltungshandlungen 
irgend welcher Art zu erkennen. Hieraus hat sich 
die franz. Rechtsprechung und Lehre entwickelt, 
derzufolge die Gerichte nach dreifacher 
Richtung nicht in die Tätigkeit 
der Verwaltung eingreifen dür- 
fen: 1. Sie dürfen selber keine „Verwal- 
tungsakte“ vornehmen, namentlich keine 
Anordnungen treffen, die über die Entscheidung 
des ihnen vorliegenden Falles hinausgehen; 
2. sie dürfen einen Verwaltungsakt nicht 
beurteilen (apprécier), d. h. seine Rechts- 
gültigkeit nicht prüfen; 3. sie dürfen endlich 
einen solchen Akt auch nicht auslegen, 
also seinen Sinn und Inhalt, sofern er bestritten 
ist, nicht feststellen. 
  
–.. — 
An der Anwendbarkeit dieser Grundsätze ist 
durch die Reichsgesetzgebung und die elsaß--lothrin- 
gische Landesgesetzgebung nichts wesentliches ge- 
ändert worden. § 13 GVe setzt den Begriff der 
„bürgerlichen Rechtsstreitigkeit“ voraus und weist 
nur diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 
den ordentlichen Gerichten zu, für welche nicht 
die Zuständigkeit von Verw Gerichten oder von 
VerwBehörden begründet ist. Soweit also nicht 
einzelne Reichsgesetze besondere Bestimmungen 
enthalten, bestimmt sich sowohl die Frage, ob eine 
bürgerliche Rechtsstreitigkeit vorliegt, wie auch 
die Frage, ob ein VerwGericht oder eine Verw- 
Behörde zuständig ist, und sonach die Zulässigkeit 
des RW vor den ordentlichen Gerichten nach den 
Landesgesetzen. Auch § 4 EG BPO, der den be- 
sonderen Zweck verfolgt, gewisse elsaß-lothringische 
Vorschriften zu treffen und dem zu Anfang aller- 
dings von den Gerichten eine weitergehende Be- 
deutung beigemessen wurde (Näheres bei Michaelis 
170 ff), hat eine wesentliche Aenderung nicht her- 
beigeführt, da der Ausschluß des RW in dem 
bisherigen Rechte Elsaß-Lothringens fast aus- 
nahmslos nicht darauf beruhte, daß der Fiskus 
Partei war, sondern auf dem staatsrechtlichen 
Grundsatze der Trennung der Gewalten. — 
II. Als Verwaltungsakte im Sinne der 
oben angeführten Bestimmungen werden ange- 
sehen alle Handlungen der zur Vertretung des 
Staates berufenen Organe und der Körperschaften, 
auf die der Staat einen Teil seiner Befugnisse 
delegiert hat (Bezirke, Gemeinden, öffentliche 
Anstalten), sofern durch diese Handlungen die 
betreffenden Behörden und Körperschaften kraft 
des staatlichen Hoheitsrechts in Wahrnehmung 
des öffentlichen Interesses den Einzelnen gegen- 
übertreten. Nicht darunter fallen generelle 
Anordnungen, mögen sie im Wege des Gesetzes 
oder der einfachen Verordnung entstehen; ihre 
Beurteilung und Auslegung steht den Gerichten 
zu. Als VerwUAkte erscheinen aber nicht nur die 
in Form eines Befehls ergehenden Anordnungen, 
sondern auch die Verträge, die zur Wah- 
rung öffentlicher Interessen mit den 
Einzelnen abgeschlossen werden. Deshalb hatte 
das G v. 28. Pluviose VIII Streitigkeiten aus 
Verträgen zwischen den Unternehmern öffentlicher 
Arbeiten und der Verwaltung den Präfekturräten 
zugewiesen; doch ist durch das elsaß-lothringische 
AG#z. ZPO der NW für diese Streitigkeiten er- 
öffnet worden. Auch die Beamtenanstel- 
lung und die daraus sich ergebenden Streitig- 
keiten gehören dem öffentlichen Rechte an und sind 
daher der Entscheidung durch die Gerichte ent- 
zogen, soweit nicht durch § 149 Beamten G und 
durch dessen Einführung in Elsaß-Lothringen für 
die Beamten, auf die es Anwendung findet, der 
RW eröffnet ist. (J Beamte (Els.-Lothr.)]. 
§ 2. Zulässigkeit des Rechtswegs. 
I. Von den VerwAkten unterschieden werden die 
„ctes de gestion“, das sind Handlungen, durch 
die der Staat wie ein Privatmann die Verwaltung 
seiner Güter besorgt; sie unterliegen der Beur- 
teilung der ordentlichen Gerichte. Gleiches gilt, 
wo der Staat eine Tätigkeit entfaltet, die nicht 
zu den eigentlichen Staatsaufgaben gehört, ins- 
besondere wo er als Transportunternehmer tätig 
wird (Eisenbahnbetrieb des Reiches in Elsaß- 
Lothringen). Anders liegt die Sache, wo Hand- 
  
 
	        
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