Rechtsweg und Kompetenzkonflikt (Elsaß-Lothringen)
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lungen in Frage stehen, die in Ausübung der
staatlichen Eisenbahnhoheit vorgenommen worden
ind
a) Für gewisse Gebiete hat sich der Staat aus-
nahmsweise der ordentlichen Gerichtsbarkeit un-
terworfen. So namentlich für den Fall der Ent-
ziehung von Grundeigentum; sie
erfolgt in einem Enteignungsverfahren vor den
ordentlichen Gerichten IJ Enteignungl. Sobald
ein solches eingeleitet ist, sind die Gerichte für alle
Störungen, auch wenn solche von der Verwaltung
ausgehen, zuständig; dagegen können sie außer-
halb eines solchen Verfahrens durch Verwäkt
erfolgende Inanspruchnahmen von Grundstücken
nicht hindern. Auch die Abgrenzung zwischen
öffentlichem und privatem Eigentum erfolgt durch
Verwükt. Die Gerichte können in solchen Fällen
nur Entschädigungen zusprechen. — Weitere Fälle
der Unterwerfung unter die ordentliche Gerichts-
barkeit (declassement de matieres) bilden die
Bestimmungen über die Erhebung derindirek-
ten Steuern, auch der indirekten Reichs-
steuern und der Zölle, soweit nicht die Reichsgesetze
(5 12 Vereinszoll G) eingreifen, sowie über das
kleine Straßenwesen (petite voirie) —
während für die direkten Steuern und
für das große Straßenwesen der R#W
ausgeschlossen ist. Z
Ein besonders streitiges Gebiet bilden die
Entschädigungsklagen, die gegen den
Staat aus seiner Tätigkeit für die Unterhaltung der
öffentlichen StraßenWeges, Kanäle usw.
sowie bei sonstigen öffentlichen Arbeiten
und bei dem Betriebe öffentlicher Unter-
nehmungen erhoben werden. Die elsaß-loth-
ringischen Gerichte und auch das Reichsgericht
haben, im Anschlusse an die Rechtsprechung des
franz. Kassationshofes, früher den RW nur dann
für zulässig erklärt, wenn der Entschädigungsan-
spruch nicht aus Handlungen der Verwal-
tung als solcher — sei es ohne Rücksicht
auf ein Verschulden aus dem Gesichtspunkte der
ausgleichenden Gerechtigkeit, sei es wegen Ver-
schuldens durch Unterlassung allgemeiner Anord-
nungen u. drgl. — hergeleitet, sondern ledig-
lich die indirekte Verantwortlichkeit des Staates
aus schuldhaften Handlungen einzelner Beamten
auf Grund des a 1384 Code civil in Anspruch ge-
nommen wurde.
b) Der gegenwärtige Rechtszustand
ist folgender: die Entschädigungspflicht des Staa-
tes aus öffentlichen Arbeiten und dem Betriebe
öffentlicher Unternehmungen, welche ohne Ver-
schulden eintritt, ist durch 9 40 a A z. BGB
neu geregelt und auf eine sichere rechtliche
Grundlage gestellt; zur Entscheidung darüber
sind nunmehr die ordentlichen Gerichte aus-
drücklich als zuständig erklärt worden (Abs 3).
Für Klagen auf Entschädigung aus schuldhaften
Handlungen von einzelnen nicht zur Vertretung
des Staats berufenen Beamten, mögen diese im
privatrechtlichen Verkehr erfolgt sein (58 823, 831
Beg oder bei Ausübung der öffentlichen Ge-
walt stattgefunden haben (5 40 AE z. BG), ist,
wie schon früher, unbestritten der RKW zulässig.
Aber auch wo schuldhafte Handlungen der Verw-
Organe als solcher in Frage stehen, wird in der
neueren Rechtsprechung des Reichsgerichts und
in der Literatur (Molitor 98 Note 4) die Zuständig-
keit der ordentlichen Gerichte jetzt angenommen.
Die Begründung dieser Ansicht, die dahin geht, daß
auch in diesen Fällen keine Verwükte in Frage
kämen, erscheint freilich, jedenfalls vom Stand-
punkte des französischen Verwechts, nicht zu-
treffend; denn es handelt sich um die Erfüllung
wesentlicher Staatsaufgaben im öffentlichen In-
teresse; auch erfordert die Feststellung des Ver-
schuldens eine Kritik der Tätigkeit der Verwaltung
bei Erfüllung dieser Aufgaben; eine solche ist aber
den Gerichten verwehrt. Allerdings führt der
Ausschluß des RW zu der unliebsamen Folge,
daß für solche Klagen weder eine gerichtliche, noch
eine verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit besteht.
Da nämlich in Elsaß-Lothringen das ordentliche
Verwericht des französischen Rechts, der Staats-
rat, weggefallen ist, so besteht eine Art von Verw-
Gerichtsbarkeit nur für diejenigen Sachen, welche
durch besondere Gesetze den Präfekturräten (jetzt
Bezirksräten IU) zugewiesen sind, von deren Ent-
scheidungen der Rekurs an den Kaiserlichen Rat
stattfindet. Beide Behörden sind keine selbständi-
gen Verwerichte, sondern eng an die betreffen-
den Verw Behörden (Bezirkspräsidium bezw.
Min) angegliedert. Die Aufgabe des Wiederauf-
baues der in Trümmern liegenden Verwerichts-
barkeit (I, auf die das Reichsgericht schon vor vielen
Jahren hingewiesen hat, ist noch immer nicht in
Angriff genommen. Das mit der neuen Ver-
fassung in Kraft getretene Wahlgesetz stellt aber
wenigstens die Errichtung eines obersten VGH
in Aussicht, indem es diesem die Entscheidung über
Anfechtungen der Wahlen zu den beiden Kam-
mern des Landtags überweist, mit der Maßgabe,
daß bis zu seiner Errichtung ein Senat des Ober-
landesgerichts darüber entscheidet. Bei dem
jetzigen Zustande besteht für eine Reihe
von streitigen Rechtssachen, für die
der RWausgeschlossen ist, keine ver-
waltungsgerichtliche Instan z. Dieser Um-
stand kann aber, wie das Reichsgericht schon früher
und neuerdings wieder (Entsch 76, 124) ausge-
sprochen hat, nicht dazu führen, den RW in solchen
Sachen zuzulassen. —
c) Beschränkungen des RWW finden in fol-
genden Richtungen statt: 1. Für die Verfolgung
öffentlicher Beamten wegen der in Ausübung
ihres Amtes vorgenommenen Handlungen kann
die vorgesetzte Behörde die in § 11 Abs 2 E# z.
GV vorgesehene Vorentscheidung des Reichs-
gerichts verlangen (5 39 Ach z. BGB). Diese
Bestimmung hat jedoch keine Wirkung hinsichtlich
der Reichsbeamten, da das Reichsbeamtengesetz
in & 13 eine Beschränkung der Verfolgbarkeit der
Reichsbeamten ausschließt (R in Jur. Ztschr.
f. Elsaß-Lothringen 25, 406) J Konflikt. Dagegen
ist sie wirksam hinsichtlich derjienigen Beamten, auf
welche das Reichsbeamtengesetz als Landesgesetz
Anwendung findet. — 2. Vor Einleitung von
Klagen gegen den Staat, einen Bezirk oder eine
Gemeinde ist die Einreichung einer Denkschrift
vorgeschrieben und die Erhebung der Klage erst
nach Ablauf einer gewissen Frist seit der Einrei-
chung zulässig (§ 2 AS z. 8PO; a 37 Gv. 18. 5.
38; & 96 Ziff. 15 der GemO). Diese Vorschriften
sind durch § 4 EG#z. Z PO nicht berührt, da sie
keinen Ausschluß des RW enthalten (R 17, 416).
II. Ueber die Zulässigkeit des RW entscheiden
gemäß 8 17 GVG die ordentlichen Gerichte, da ein