Regentschaft und Regierungsstellvertretung
Ursachen beruhende dauernde Reg Unfähigkeit des
Herrschers in Betracht (sog. außerordentliche R).
1. Minderjährigkeit. Der verfassungs-
mäßig bezw. hausgesetzlich bestimmte Termin der
Reg Mündigkeit des Landesherrn fällt mit dem
Termin seiner privatrechtlichen Volljährigkeit zu-
sammen. Als Volliährigkeitstermin ist in den
deutschen Königreichen (preuß. Vll a 54, bayer.
Tit. II 67, sächs. § 8, württ. § 9), ebenso in Hessen,
Oldenburg, Braunschweig, das vollendete 18. Le-
bensjahr bestimmt, in den übrigen Einzelstaaten
fast durchgängig das vollendete 21. Eine Voll-
jährigkeitserklärung mit staatsrechtlicher Wirkung
kann, sofern der Termin der Reg Mündigkeit ver-
fassungsmäßig bestimmt ist und die Vl nicht
selbst eine derartige venia aetatis vorsieht (wie
z. B. das sachsen-altenb. GG # 15), nur durch be-
sonderes Verf Gesetz erfolgen.
2. Die sonstigen Hinderungts-
gründe als Voraussetzungen für den Eintritt
einer Regentschaft entziehen sich einer vollstän-
digen Aufzählung; für sie alle aber ist wesentlich
längere Dauer der Reg Unfähigkeit des Herrschers
(preuß. Vll # 56 „wenn der König minderzjährig
oder sonst dauernd verhindert ist, selbst zu regie-
ren“; bayer. & 9; sächs. §& 9; württ. 5 11 vgl. mit
5 13; zit. hess. G a 1).
a) Eine dauernde Reg Unfähigkeit des regierungs-
mündigen Monarchen kann vor allem durch körper-
liche oder geistige Gebrechen (Taubstumm-
heit; Blindheit; Geisteskrankheit oder Geistes-
schwäche) bewirkt werden, aber auch durch äu-
fßere Umstände, etwa Verschollenheit oder
Kriegsgefangenschaft. Zu der letzteren Kategorie
gehören auch politische Verhältnisse, welche die
aktuelle Ausübung der Regierung durch den Mo-
narchen verhindern J Braunschweig § 2 IIL#). Man
wird hieher auch den Fall einer Ungewißheit
der Person des Herrschers rechnen müssen, wie
er etwa durch einen Thronstreit herbeigeführt wird,
wenn keiner der Prätendenten sich im Besitz der
Herrschergewalt befindet (das hess. G a 1 Abs 2
nennt diesen Fall neben dem der dauernden
Verhinderung des Großherzogs an der Selbst-
regierung). Ein Interregnum liegt in diesem
Fall nicht vor, insofern ein, wenn auch nicht all-
gemein anerkannter, Prätendent, dem das Mo-
narchenrecht zukommt, vorhanden ist (AM Triepel,
van Calker usw.). Kein RGrund und kein Inter-
regnum liegt vor, wenn der Landesherr mit Hin-
terlassung einer schwangeren Witwe gestorben ist;
der Embryo ist nicht als Landesherr anzusehen,
und sein eventuell mit seiner Geburt entstehendes
(nächstes) Thronfolgerecht kein Grund, den zur
Zeit Nächstberechtigten einstweilen von der Thron-
folge fern zu halten (so Kirchenheim im Anschluß
an das englische Ro von 1831; AM Gerber,
Triepel, Meyer-Anschütz, van Calker usw.).
b) Dauer der Verhinderung ist ein relativer
Begriff. Für seine Anwendung wird vornehmlich
in Betracht kommen, ob in anderer Weise, insbe-
sondere durch Anordnung einer Reg St (II) für die
Ausübung der Reg Rechte des Herrschers genügende
Vorsorge getroffen ist bezw. getroffen werden kann.
1) Braunschweig: Nach dem Beschlusse des Bundes-
rats vom 27. 10. 1913 liegt die in dem BRBeschlusse vom
2. 7. 1885 angenommene Behinderung für den zur Thron-
folge Berechtigten nicht mehr vor. D. H.)]
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e) Gleichgültig ist, ob der Hinderungsgrund schon
bei dem Thronanfall besteht oder erst nachher ent-
steht (uvgl. bes. Sachsen, VU & 12, Württ. § 13).
Insbesondere lassen die neueren VerfGesetze auch
in dem Fall, daß der Thronfolger infolge eines
unheilbaren körperlichen oder geistigen Gebrechens
lebenslänglich regierungsunfähig ist, nur eine R
eintreten (über den entgegengesetzten Grundsatz
des älteren deutschen Rechts und dessen fort-
Jaufemte gemeinrechtliche Geltung Landesherr
5. Subjekt. Dem Wesen und dem politischen
Bedürfnis der Monarchie entspricht es, daß die
R immer nur einer physischen Person zusteht.
1. Naturgemäß sowie nach den Grundsätzen des
älteren deutschen Rechts ist zur RK berufen der
nächste Agnat I(/ Landesherr & 8, 11, vor-
ausgesetzt, daß er regierungsfähig ist. Dem ent-
sprechen die Bestimmungen der Vl in Preußen
à 56, Sachsen § 9, Württemberg § 12 und des
hess. G a 2. Manche neuere Landesverfassungen
(z. B. Sachsen-Altenburg GG 5 16, Sachs.-Kob.
Gotha StGG 88 13 und 17, Waldeck Vu 8 20)
aber lassen die Mutter oder Großmutter des
verhinderten Monarchen, sofern sie sich nicht ander-
weit vermählt haben, oder seine Gemahlin den
Agnaten vorgehen. Andere Landesverfassungen
bestimmen, daß die agnatische R nur dann ein-
treten soll, wenn der Reg Vorgänger nicht für den
bei seinem Ableben zu erwartenden Bedürfnisfall
einen anderen Regenten bestellt hat (so insbeson-
dere auch die bayer. VU Tit. II Is 10 und 12,
Oldenburg StGG a 21 und 22 und Sachsen-
Koburg-Gotha §§F 13, 15 verlangen für solche An-
ordnung Zustimmung des Landtags).
2. In Ermangelung eines regierungsfähigen,
zur Uebernahme der R gewillten Agnaten be-
rufen auch manche Landesverfassungen, die das
agnatische Prinzip zunächst rein festhalten, doch
die Mutter oder Großmutter oder die Gemahlin
des verhinderten Monarchen zur R (Bayern Vu
Tit. II 13 die Witwe des Reg Vorgängers, in
Ermangelung einer solchen einen Kronbeamten).
Andere Landesverfassungen bestimmen für einen
solchen Fall (Preußen &5 7 allerdings nur, wenn
nicht vorher für denselben gesetzliche Fürsorge ge-
troffen ist)t Wahl des Regenten durch den
Landtag. Die preuß. VU weist diese Wahl
den Kammern in vereinigter Sitzung zu, ohne
jede Beschränkung hinsichtlich der Person des zu
Wählenden; das hess. Ga#2 dagegen schreibt Wahl
des Regenten aus der Zahl der volliährigen, nicht
regierenden Mitglieder einer landesherrlichen oder
vormals reichsständischen Familie vor (J Media-
tisiertel, in Braunschweig die NLO & 19 und das
Gv. 16. 2. 79 Wahl aus den volljährigen nicht-
regierenden Prinzen eines landesherrlichen Hauses.
6 6. Errichtung und Beendigung.
1. Für die Errichtung einer ist vielfach
ein förmliches Verfahren vorgeschrieben, jedoch
beziehen sich die betreffenden Bestimmungen
regelmäßig nicht auf den Fall der Minderjährig-
keit des Herrschers (unten c).
a) Die Bestimmungen der Verfassungen über
die Initiative bei Einsetzung einer R gehen
insofern wesentlich auseinander, als sie diese teils
dem nächstberufenen Agnaten, teils der obersten
Staatsbehörde zuweisen. Auf dem ersteren Stand-
punkt steht insbesondere die preuß. VlI a 66,