Reichs- und Staatsangehörigkeit
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Demgemäß bleiben für das Verhältnis Bayerns
zum übrigen Reiche bezüglich der Uebernahme ver-
armter, Verpflegung erkrankter und Beerdigung
verstorbener Staatsangehöriger die
des Gothaer Vt v. 15. 7. 51 und der
Konvention in Kraft. Darin liegt eine
Beschränkung des freien Wohnrechts des
Reichsgebietes, indem danach die Angehörigen
Bayerns im Falle der Verarmung von an-
deren deutschen Einzelstaaten zurückgeschoben wer-
den können und ebenso im umgekehrten Falle.
Auf juristische Personen beziehen sich die
Vorschriften des a 3 nicht, da sie ein persön-
liches Untertanenverhältnis voraussetzen (vgl.
Seydel StR 1, 6452; Laband (5) 1, 1842).
#s#d2. Erwerb. Ueber „die Erwerbung und den
Verlust der Bundes-= und Staatsangehörigkeit“
erging das G v. 1. 6. 70. An seine Stelle ist seit
dem 1. Januar 1914 das „Reichs= und Staats-
angehörigkeitsgesetz“ v. 22. 7. 13 getreten.
Dieses Gesetz unterscheidet die durch eine Glied-
staatsangehörigkeit vermittelte und die unmittel-
bare RMA ( 1). Ueber die letztere s. o. & 1 Nr. 3
am Schluß. Für den Erwerb der durch eine
Glied StA vermittelten RA gilt folgendes.
Die Gründe des Erwerbs der RA
und St A wirken entweder ipso jure (namentlich
kraft gewisser familienrechtlicher Verhältnisse) oder
durch formalen Rechtsakt.
si * Die ipso jure wirkenden Gründe
ind:
1. Geburt, d. i. Abstammung von Eltern, welche
deutsche Staatsangehörige sind, bezw. bei un-
ehelichen Kindern von einer deutschen Mutter.
Ob die Geburt im Auslande erfolgt, ist gleich-
gültig; einzelne Staaten beanspruchen allerdings
in solchem Falle das Kind jure originis für sich,
woraus internationale Streitfragen entstehen
können. Ein Findelkind gilt bis zum Beweise des
Gegenteils als Kind eines Angehörigen des Bun-
desstaats, in dessen Gebiet es aufgefunden wird.
2. Legitimation eines unehelichen Kindes durch
einen Deutschen, sei es mittels nachfolgender Ehe,
sei es mittels Ehelichkeitserklärung. Dagegen ist
die Adoption für die Frage der St A gleichgültig
(vgl. jedoch oben § 1 Z. 3 a. E.).
3. Verheiratung mit einem Deutschen.
4. Eintritt in den unmittelbaren oder mittel-
baren Staatsdienst, in den Dienst einer Gemeinde
oder eines Gemeindeverbandes, in den öffentlichen
Schuldienst oder in den Dienst einer von dem
Bundesstaat anerkannten Religionsgesellschaft,
nicht jedoch auch die Anstellung als Offizier oder
Beamter des Beurlaubtenstandes. Die Bestal-
lungsurkunde gibt zugleich die St A, und zwar
gleichzeitig auch für die Ehefrau und die unter
elterlicher Gewalt stehenden Kinder (mit Aus-
nahme der verheirateten oder verheiratet gewe-
senen Töchter), es sei denn, daß für diese beiden
Kategorien oder eine derselben ein anderweitiger
Vorbehalt gemacht worden wäre, was zulässig ist.
Die im Reichsdienst erfolgte Anstellung eines Aus-
länders, der seinen Dienstwohnsitz in einem Glied-
staat hat, gilt mangels anderweiten Vorbehaltes
als Einbürgerung in diesen Gliedstaat. Hat der
Angestellie seinen dienstlichen Wohnsitz im Aus-
land und bezieht er ein Diensteinkommen aus der
Reichskasse, so muß er von dem Gliedstaat, bei
dem er den Antrag stellt, eingebürgert werden.
Bezieht er kein Diensteinkommen aus der Reichs-
kasse, so kann er mit Zustimmung des Réleinge-
bürgert werden.
B. Eindargerung.
Einbürgerung (früher „Naturalisation“ genannt)
ist der formale Rechtsakt, durch welchen die
StA an Ausländer vom Staate verliehen wird.
Dieselbe erfolgt auf Grund eines Antrages
durch die höhere VerwBehörde (in Preußen den
Reg Präsidenten) mittels einer Urkunde, deren
rechtliche Wirkung vom Datum der Aushändigung
beginnt. Der Antrag kann ohne Angabe von
Gründen abgewiesen werden, die Einbürgerung
ist grundsätzlich ein lediglich von seinem freien
Willen abhängiger Hoheitsakt des Staates. Doch
gibt es einzelne Ausnahmefälle, in denen sie er-
teilt werden muß, so z. B. ehemaligen Deutschen
(näheres in ös 10—12, 30, 31 des G). Das Gesetz
stellt gewisse Voraussetzungen auf, welche vor-
handen sein müssen, damit dem Antrage auf Ein-
bürgerung stattgegeben werden darf. Die reichs-
rechtlichen Voraussetzungen sind: 1. der Ausländer
muß sich im Inland niedergelassen haben, 2. un-
beschränkte Geschäftsfähigkeit des Gesuchstellers,
andernfalls Zustimmung des gesetzlichen Vertre-
ters, 3. unbescholtener Lebenswandel, 4. Wohnung
oder Unterkommen am Ort der beabsichtigten
Niederlassung, 5. Fähigkeit, sich und seine An-
ehörigen an diesem Orte zu ernähren. Diese
oraussetzungen sind auf Verlangen der Behörde
nachzuweisen; über die Beweise entscheidet die
Behörde nach freiem Ermessen; Dispensation von
ihnen ist unstatthaft; über Lebenswandel, Woh-
nung und Subsistenzfähigkeit hat auch die zu-
ständige Gemeindebehörde sich zu äußern. Die
Einbürgerung in einen Gliedstaat darf erst erfol-
gen, nachdem der R festgestellt hat, daß kein an-
derer Gliedstaat Bedenken dagegen hat; über er-
hobene Bedenken entscheidet der BR. Die Be-
denken können nur auf Tatsachen gestützt werden,
welche die Besorgnis rechtfertigen, daß die Ein-
bürgerung des Antragstellers das Wohl des Reichs
oder eines Gliedstaates gefährden würde. Die Ein-
bürgerung erfolgt durch einfache Verwaltungs-
verfügung ohne Angabe von Gründen. Ihr.
rechtliche Wirkung erstreckt sich, falls nicht ein
anderweitiger Vorbehalt gemacht wird, ipso jure
auf die Ehefrau und diejenigen minderjährigen
Kinder, deren gesetzliche Vertretung dem Ein-
gebürgerten kraft elterlicher Gewalt zusteht. Aus-
genommen sind Töchter, die verheiratet sind oder
gewesen sind. Selbständige Frauen können die
Einbürgerung ebenfalls erlangen. Ob und welche
Gebühren für die Einbürgerung zu erheben sind,
bestimmt das Landesrecht.
Durch die Einbürgerung geht an sich nach deut-
schem Recht die frühere St#Aènicht wie nach vielen
anderen Rechten verloren. Mehrere Staats-
angehörigkeiten werden im internationa-
len Rechte nicht als unvereinbar betrachtet. Die
juristischen Schwierigkeiten, welche sich hieraus
ergeben, können unter Umständen völlig unlösbar
sein. Auf dem allein richtigen Standpunkte steht
das französische Recht, nach welchem durch Erwerb
einer neuen Stdie französische ipso jure verloren
wird (Code civil a 17). Nach dem deutschen
Recht kann nur im konkreten Falle die Auf-
gabe der bisherigen St A zur Bedingung für die
Verleihung der deutschen gemacht werden, wie