Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Reichsfinanzwesen (I. Ueberblick) 
  
zahlt werden; nach a 70 ist die Differenz der 
gemeinschaftlichen“ Ausgaben gegen die „gemein- 
schaftlichen“ Einnahmen „durch Beiträge der ein- 
zelnen Bundesstaaten“ aufzubringen. Der Grund 
für diese Gestaltung liegt teils in der historischen 
Anknüpfung an die Einrichtungen des ehemaligen 
Deutschen Bundes und des Zollvereins, teils in der 
Einräumung von Sonderrechten an mehrere Bun- 
desglieder, indem dadurch innerhalb des RVer- 
bandes besondere Einnahme= und Ausgabe-Ge- 
meinschaften geschaffen worden sind. Durch die 
Entwicklung, welche das Finanzwesen des R ge- 
nommen hat, ist diese Gestaltung auch nicht ver- 
lassen oder dem Prinzip der einheitlichen Wirtschaft 
angenähert worden, sondern durch die R über 
die Erhöhung der Zölle und der Tabaksteuer v. 
15. 7. 79 § 8, durch das RStempel v. 1. 7. 81 
§s# 32 (Redaktion v. 3. 6. 85 5 44, Röl 189) 
und durch das Branntweinsteuer G v. 24. 6. 87 
5*#39, RE# Bl 265) hat das System der Matrikular- 
beiträge und der Ueberschußverteilung im Gegen- 
teil eine neue Anerkennung und verstärkte Be- 
deutung erlangt. Erst durch die Steuergesetze von 
1906 und 1909 ist wieder eine große Annäherung 
an das System der selbständigen und korporativen 
Finanzwirtschaft des R erfolgt und gegenwärtig 
sind nur noch Rudimente der ehemaligen So- 
zietätswirtschaft übrig. 
#5J#2. Die Einnahmen. Obgleich nach dem Sozie- 
tätssystem alle Einnahmen des R im letzten 
Grunde als Beiträge der Einzelstaaten sich daor- 
stellen und als solche im jährlichen Rechnungsab- 
schluß zwischen dem Reich und den Einzelstaaten 
wirksam werden, so besteht doch ein Unterschied 
zwischen denjenigen Summen, welche auch formell 
als Beiträge der Einzelstaaten, als Zahlungen der 
Landeskassen an die Reichskasse erscheinen, und 
denjenigen, welche unmittelbar in die RfKasse 
fließen und als Einnahmen derselben im Etat ver- 
rechnet werden. Die RVa 70 nennt die letzteren 
zutreffend „gemeinschaftliche Einnahmen“ (der 
Bundesstaaten); man pflegt sie meistens als 
„eigene Einnahmen" (des Reichs) zu bezeichnen. 
1. Zöllesss und Verbrauchssteuern 
Gemäß a 40 der RV sind die Bestimmungen des 
Zoll VV v. 8. 7. 67 in Kraft geblieben, soweit sie 
nicht durch die Vorschriften dieser Verfassung ab- 
geändert sind und so lange sie nicht auf dem im 
à 7 bezw. 78 bezeichneten Wege abgeändert wer- 
den. Die prinzipiellen Grundlagen des Zoll- 
wesens des R sind demnach den Einrichtungen 
des Zollvereins entnommen; staatsrechtlich aber 
hat sich das Verhältnis in seinem juristischen 
Charakter geändert, es ist aus einem vertrags- 
mäßigen in ein verfassungsmäßiges umgewandelt 
worden. Die Grundprinzipien, auf denen diese 
Organisation beruht, lassen sich auf drei Sätze 
zurückführen: das RGebiet bildet ein einheitliches 
Zoll= und Handelsgebiet, umgeben von gemein- 
schaftlicher Zollgrenze, R## a 33 Abs 1; das R 
ausschließlich hat die Gesetzgebung über 
das gesamte Zollwesen und die gemeinschaftlichen 
Verbrauchsabgaben, RV a 35; die Einzelstaaten 
haben das Recht der Erhebung und Verwaltung 
nach Maßgabe der RGesetze und unter Aussicht 
des R (Selbstverwaltung), R#Ba 36. Diese Grund- 
prinzipien erleiden aber einige Einschränkungen, 
indem einzelne Teile des Bundesgebietes wegen 
ihrer Lage von der Zollgrenze ausgenommen sind 
  
  
(Zollexklaven), und in Bayern, Württemberg und 
Baden die Besteuerung des Branntweins und 
Bieres verfassungernäßig der Landesgesetzgebung 
vorbehalten ist, RV a 35 Abs 2. Die von der Zoll- 
renze ausgeschlossenen Gebiete sind allmählich 
ehr verringert worden und haben nur noch einen 
sehr geringen Umfang. Ueber den Anschluß von 
Hamburg und Bremen an das deutsche Zollgebiet 
vgl. die RG##v. 16. 2. 87 und 31. 3. 85. Die süd- 
deutschen Staaten sind seit dem 1. 10. 87 der 
Branntweinsteuergemeinschaft nach Maßgabe des 
Gv. 24. 6. 87 beigetreten (Renl S 485, 487, 491). 
Hinsichtlich der Biersteuer dagegen ist auch Elsaß- 
Lothringen außerhalb der Steuergemeinschaft ge- 
lassen und die Besteuerung des inländischen Bieres 
der inneren Gesetzgebung bis auf weiteres vorbe- 
halten. An Stelle der Biersteuer entrichten diese 
Staaten an die RKasse ein der Bevölkerungszahl 
entsprechendes Aversum, welches in dem Matri- 
kularbeitrag zur Anrechnung gelangt. 
Gegenwärtig sind diese Einnahmen des R durch 
folgende Resetze geregelt: 
a) Das Zollgesetz v. 1. 7. 69 (BG#Bl 317) 
mit einigen nachträglichen Abänderungen und das 
Zolltarifgesetz v. 25. 12. 02 (Rol 303), 
sowie die Zollverträge. Die Kosten der 
Erhebung und Verwaltung trägt jeder Staat für 
eigene Rechnung; nur für die Grenzbezirke an den 
gegen das Ausland gelegenen Grenzen erhalten die 
betr. Staaten Entschädigungen für die Kosten der 
Zollerhebungs= und Aufsichtsbehörden und der 
Zollschutzwachen nach einem vom B)JF festgesetzten 
Zollverwaltungsetat. Die Erträge der Zölle sind 
an die RrKasse abzuliefern, jedoch war nach dem 
R v. 15. 7. 79 35 8 derjenige Ertrag der Zölle und 
der Tabaksteuer, welcher die Summe von 130 Mill. 
Mark in einem Jahre übersteigt, den einzelnen 
Bundesstaaten nach Maßgabe der Bevölkerung, 
mit welcher sie zu den Matrikularbeiträgen heran- 
gezogen werden, zu überweisen (Frankensteinsche 
Klausel). Durch das R v. 14. 5. 04 wurde dies 
wieder beseitigt [UZollwesen, Handels- 
verträgel. 
b) Die unter den Staaten des Zollvereins ge- 
schlossene Uebereinkunft v. 8. 5. 67 über die Salz- 
steuer!lK und die auf Grund derselben erlassenen 
übereinstimmenden Partikulargesetze. Die Steuer 
beträgt 6 Mk. für den Zentner Nettogewicht; die 
Einzelstaaten erhalten für die Erhebungskosten 
Pauschsummen. 
c) Die Zuckersteuer [I ist mehrfach abgeän- 
dert worden; sie ist gegenwärtig geregelt durch das 
Gv. 27. 5. 96 (Rl 117). Nachdem aber durch 
die Brüsseler Zuckerkonvention v. 5. 3. 02 (Rö#l 
1903, 7) die vertragschließenden Staaten½) sich ver- 
pflichtet hatten, alle Exportprämien aufzuheben 
und keine solche Prämien einzuführen, wurde die 
Abgabe vom Zucker durch das R v. 6. 1. 03 
(Rnl 1) anders geregelt und auf 14 Mk. von 
100 kg Reingewicht festgestellt. Durch das R 
v. 19. 2.08 (RG Bl 27) ist eine weitere Ermäßigung 
auf 10 Mk. in Aussicht genommen. Der Zeit- 
punkt, mit welchem diese Ermäßigung eintritt, 
ist durch das Re v. 14. 6. 12 zunächst bis zum 
1. 10. 16 verschoben worden; das Finanz G v. 
3. 7. 13 3 2 (RGnl 3522) hat aber die Gesetze 
  
1) England und Jtalien sind seit dem 1. Sept. 1913 aous 
der Vereinigung ausgetreten, Röl 706.
	        
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