Reichsfinanzwesen (I. Ueberblick — II. Reichsfiskus)
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Widerspruch mit a 70 der RV, den man nur
künstlich dadurch verdeckte, daß man im Rétat
den Gesamtbetrag der Erträge der Zölle und
Verbrauchsabgaben als REinnahmen und die
Ueberweisungen als Ausgaben des R aufführte.
Schlimmer noch waren aber die tatsächlichen Fol-
gen der Verkettung der R Wirtschaft mit der Finanz-
wirtschaft der Einzelstaaten; denn die Unge wißheit,
ob die Ueberweisungen größer ausfallen als die
Matrikularbeiträge oder umgekehrt und wie hoch
die Differenz in den einzelnen Etatsjahren sich
beläuft, benahm der Obdnung der Finanzen der
Einzelstaaten jede Sicherheit. Dieser auf die Dauer
unerträgliche Zustand fand endlich eine teilweise
Abhilfe durch das R# v. 14. 5. 04 (RG#Bl 169),
indem die Ueberweisung von Einnahmen aus den
Zöllen und der Tabaksteuer aufgehoben wurde.
Dem a 70 der RV wurde eine andere Fassung
gegeben, indem die Worte „solange RSteuern
nicht eingeführt sind“ gestrichen und die „Ueber-
weisungen“ ausdrücklich erwähnt worden sind.
Ueberweisungssteuer ist gegenwärtig nur noch die
Branntweinverbrauchsabgabe; bei den im Jahre
1906, 1909, 1912 und 1913 neu eingeführten Ab-
gaben finden Ueberweisungen nicht statt. Die
Rechtssätze, welche das R v. 14. 5. 04 festgesetzt
hat, um das Verhältnis der Matrikularbeiträge zu
den Ueberweisungen und anderen REinnahmen
zu regeln, sind durch den inzwischen so überaus
vermehrten Bedarf des Reichs nicht mehr von
praktischer Bedeutung. (Siehe mein Reichs-
staatsr. 6. Aufl., S. 427). Das R v. 3. 6. 06
5 3 (RacBl 621) hat dies noch dahin ergänzt, daß
wenn die Matrikularbeiträge den Sollbetrag der
Ueberweisungen in einem Jahr um mehr als
40 Pfg. auf den Kopf der Bevölkerung über-
steigen, die Erhebung des Mehrbetrages ausgesetzt
wird, bis festgestellt wird, wie hoch der Fehlbe-
trag nach den effektiven Einnahmen und Aus-
gaben sich in Wirklichkeit beläuft und daß die Er-
hebung der zur Deckung noch erforderlichen
Summe erst im Juli des drittfolgenden Rech-
mungsiahres stattfindet. Zur Zeit (1913) ist aber
die Höhe der Matrikularbeiträge auf 80 Pfg. auf
den Kopf der Bevölkerung festgesetzt und als eine
dauernde in Aussicht genommen und durch das
EtatsG v. 28. 5. 12 § 4 (Röl 320) und das
Nachtragsetats G v. 3. 7. 13 5 3 (R l 499)
sind die im Ro v. 14. 5. 04 und im R v. 3. 6. 06
aufgestellten Grundsätze außer Geltung gesetzt.
Die Matrikularbeiträge haben daher den Charakter
einer festen Besteuerung der Bundesstaaten seitens
des R angenommen.
#s# 6. Die Abrechnung. Infolge der sozietäts-
mäßigen Gestaltung der Finanzwirtschaft des
R besteht zwischen der RKasse und den Landes-
hauptkassen ein dauerndes Abrechnungsverhältnis.
Da die Erhebung der Zölle und Verbrauchsab-
gaben, der Stempelsteuern, der Erbschafts= und
Schenkungssteuer, der Vermögenszuwachssteuer
und einiger VerwEinnahmen durch die Landes-
behörden erfolgt, so bilden die für Rechnung des
K eingegangenen Summen einen Schuldposten
der Landeskasse; dasselbe gilt von den Aversen,
den Matrikularbeiträgen und den etwa aus der
R rKasse empfangenen Vorschüssen.
leisten die Einzelstaaten für Rechnung des R Aus-
gaben, namentlich diejenigen, welche eine eigene
Andererseits
Heeresverwaltung haben; und sie haben Ansprüche l
auf die ihnen zukommenden Anteile an den
Reichseinnahmen und auf die ihnen gebührenden
Entschädigungen, Pauschsummen, Nachlässe usw.
Zur Nachweisung dieses wechselseitigen Soll
und Haben sind von den Landeshauptkassen mo-
natliche Abrechnungen aufzustellen und an die
RHauptkasse bis zum 15. des folgenden Monats
einzusenden. Sodann sind Vierteljahres-
rechnungen anzufertigen, in welchen gemäß a 39
RV Uebersichten über die Einnahmen an Zöllen,
Verbrauchsabgaben, Stempelgefällen usw. auf-
gestellt werden, und welche für die Ueberweisungen
an die Einzelstaaten zur Grundlage dienen. End-
lich die definitive Abrechnung und Ausgleichung
erfolgt auf Grund der Jahresrechnungen
(Finalabschlüsse).
Die Vorschriften über das Abrechnungsgeschäft
sind vom BRlusschuß für das Rechnungswesen
unter Zustimmung des RK am 3. 4. 78 beschlossen,
seitdem aber vielfach abgeändert und ergänzt
worden. Für die Abrechnung zwischen der Reichs-
hauptkasse und den Landeskassen gilt jetzt der Be-
schluß des BR v. 29. G. 10 (Zentralbl. S 351).
Literatur: Laband, Staatsr., Bd. IV 1 117
und ff, (sog. kleines) Reichsstaatsrecht (1912) # 45: Georg
Meyer, Staatsr., 1 208: Meyer-Dochow, Verwsecht
* 213 ff; Zorn im RL. 3, 375 ff und Staatsr., II 1 81 ff;
Schulze, Staatsr. 2, 296 ff; Hänel G0 f; v. Mayr
im HWStaats W 5, 384 ff; Ad. Wagner, Finanzwissen-
schaft 4, 66 ff. Laband.
II. Reichsfishus
* 2. Militärfiskus.
# 5. Privilegien.
# 1. Begriff.
# 4. Wohnsitz.
##1. Begriff. Die Existenz eines RF als eines
von der privatrechtlichen Persönlichkeit der Bun-
desglieder verschiedenen und ihnen gegenüber
unabhängigen Privatrechtssubjekts ergibt sich aus
der staatsrechtlichen Natur des R als eines Bundes-
staates. Da jeder Staat ipso jure privatrechtliche
Rechtsfähigkeit hat, ohne daß sie ihm durch aus-
drückliche Gesetzesbestimmung beigelegt zu werden
braucht [JFiskusl, so kommt die vermögens-
rechtliche Persönlichkeit auch dem Bundesstaat von
selbst zu. In der RGesetzgebung ist auch der RF
positiv anerkannt. Derselbe ist identisch mit dem
Rj; er bezeichnet das Reich als Vermögenssubjekt.
Daher gibt es nur einen RF, wenngleich man die
für die Zwecke einzelner Ressorts bestimmten Ver-
mögensmassen auch als Fisci zu bezeichnen pflegt
(z. B. Postfiskus, Marinefiskus) und sie formell,
d. h. rechnungsmäßig, wie verschiedene Personen
behandelt werden. Der RF umfaßt auch solche
Fonds, welche durch Gesetz einem bestimmten
Zweck in der Art zugewiesen worden sind, daß der
Regierung jede anderweitige Verwendung unter-
sagt ist, z. B. den R Kriegsschatz und ehemals den
Invalidenfonds; andererseits sind vom Fiskus des
9Rzu unterscheiden solche Vermögensmassen, welche
zwar der Verwaltung einer RBehörde unterstellt
sind oder mittelbar den Interessen des R dienen,
deren Eigentum aber nicht dem R zusteht, wie
die RBank und die vom R verwalteten Stif-
tungen.
* 3. Vertretung.