Reichsfinanzwesen (IV. Reichshaushaltsetat)
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eines vorübergehenden Geldbedürfnisses, ins-
besondere zur zeitweisen Verstärkung des Betriebs-
fonds der RVerwaltung oder zur vorläufigen Be-
schaffung des durch Anleihen aufzubringenden
Betrags dienen; sie sollen durch die etatsmäßigen
Jahreseinnahmen oder durch die Erträge der
Anleihen getilgt werden, den RKredit nicht
dauernd belasten. Seit dem Jahre 1900 hat aber
die Finanznot des Reichs dazu verführt, lang-
fristige Schatzanweisungen auszugeben, ohne daß
deren Tilgung durch Einnahmen des R gesichert ist.
Sie werden scheinbar getilgt durch Ausgabe
neuer Schatzanweisungen oder Anleihen. Bei
Anleihen hat der einzelne Gläubiger keinen An-
spruch auf Tilgung, bei Schatzanweisungen hat er
bei Fälligkeit Zahlung zu verlangen.
§#9. Die Verwaltung der RSchulden ist der preu-
ßhischen Hauptverwaltung der Staatsschulden (JI
unter der Bezeichnung „Reichsschuldenverwal-
tung“ nach den Vorschriften des preuß. Gv.
24. 2. 50 und unter der oberen Leitung des RK
(Rchatzamtes) übertragen; die Aufsicht über die
RSchuldenverwaltung liegt der RSchuldenkom-
mission ob, welche aus 6 Mitgliedern des BR,
6 Mitgliedern des RT. und aus dem Chefpräsi-
denten des Rechnungshofes besteht.
5s 10. Bürgschaften hat das Deutsche R in Ge-
meinschaft mit anderen Großmächten übernom-
men für eine Anleihe zur Herstellung der dauern-
den Fahrbarkeit des Sulina-Armes der Donau-
mündungen (B v. 11. 6. 68) und für eine ägyp-
tische Staatsanleihe zur Regelung der Alexandria-
Entschädigungen (R v. 14. 11. 86; R#Bl 301);
ferner für die durch Einrichtung einer anderweiti-
gen Rechtspflege in Samoa erwachsenden anteil-
mäßigen Kosten. Endlich hat das R eine Garantie
für die ostafrikanische Eisenbahn von Daressalam
nach Mrogoro und für die Eisenbahn der Kamerun-
Eisenbahngesellschaft von Duala nach den Ma-
nengubabergen übernommen (R v. 31. 7. 04
u. v. 4. 5. O6). Auch haftet das Reich subsidiär
für Schutzgebietsanleihen (R v. 18. 5. 08).
Kolonialfinanzen!]. ·
Kiteratur: Meine Abhandlung in Annalen, 1873,
412 ff und Staatsrecht" 4, 346 ff. Die Lehrbücher des
Deutschen Staatsrechts lehnen sich an diese Darstellung
zum Teil sehr eng, an. Ferner G. S. Freund, Die
Rechtsverhältnisse der öffentl. Anleihen, 1907.
Staatsschulden. Laband.
IV. Reichshaushaltsetat.
* 2. Form. 1 3. Ausgaben. I1 4.
#m6. Kontrolle. 1 7. Ent-
* 9. Provi-=
6# 1. Feststellung.
Einnahmen. 41 5. Wirkungen.
lastung. 1 8. Verwaltung ohne ECtatsgesetz.
sorische Etatsgesetze.
5 1. Die Feststellung. Jede größere Wirtschaft
erfordert einen Wirtschaftsplan und eine Rech-
nungslegung in gewissen regelmäßigen Zeitab-
schnitten; die Aufstellung eines Voranschlags ge-
hört demgemäß zu den unerläßlichen Erforder-
nissen einer geordneten Staatswirtschaft, gleichviel
welche Staatsform besteht. Die Aufstellung des
Etats hat nichts zu tun mit der Regelung der
Rechtsordnung, sondern ist ein Verwceschäft.
Schon lange vor Einführung der konstitutionellen
Staatsform wurden Voranschläge der Staatsaus-
aben und Einnahmen aufgestellt und da die zur
eckung der Ausgaben erforderlichen Steuern
und Beiträge von den Landständen nur nach einer
Prüfung ihrer Notwendigkeit bewilligt wurden,
so ergab sich von selbst eine Mitwirkung der Stände
an der Feststellung des Etats. Sie war nicht so-
wohl ein Recht derselben, als eine von ihnen fest-
gehaltene oonditio sine qua non für die in ihrem
freien Belieben stehende Bewilligung von Zu-
schüssen. Nach Einführung der konstitutionellen
Staatsform und nach Beseitigung des Dualismus
zwischen den landesfürstlichen und den landstän-
dischen Beiträgen für die Kosten der Staatsver-
waltung wurde die Mitwirkung der Volksvertre-
tung an der Feststellung des Etats dadurch sicher-
gestellt, daß für dieselbe der Weg der Gesetzgebung
vorgeschrieben wurde, da derselbe eine Teilnahme
der Volksvertretung in sich schließt. In diesem
Sinne bestimmt auch a 69 der RB: „Der R
wird durch ein Gesetz festgestellt.“ Demgemäß ist
zur Feststellung des Etats die Uebereinstimmung
der Mehrheitsbeschlüsse des BR und des RX er-
forderlich und ausreichend, und ebenso finden die
Vorschriften in a 5 Abs 2 über das Dezisivvotum
des Präsidiums im B., des a 78 Abs 2 über die
Aufhebung der Sonderrechte einzelner Staaten
und des a 17 über die Ausfertigung und Verkün-
digung Anwendung. Der RH ist aber nur der
Form nach ein Gesetz; inhaltlich ist er ein Wirt-
schaftsplan, ein Rechnungsvoranschlag; er ist ein
Verwaltungsakt in Gesetzesform.
a 69 der RV bestimmt ferner: „Alle Einnahmen
und Ausgaben des R müssen für jedes Jahr
veranschlagt und auf den RH gebracht werden.“
Hierin sind folgende Regeln enthalten:
1. Die Wirtschaftsperiode des R ist verfassungs-
mäßig auf ein Jahr bestimmt worden; dieselbe
beginnt nach dem RE v. 29. 2. 76 mit dem
1. April Demgemäß werden die Ausgaben in
der Regel für ein Jahr bewilligt (RV a 71 Ab 1).
Von Ausgaben, deren Gesamtbetrag sich auf
mehrere Jahre verteilt, insbesondere von Bau-
kosten, sind die in dem einzelnen Jahre zu ver-
wendenden Raten in den betreffenden Etat ein-
zusetzen. Etats, welche eine längere oder kürzere
Periode als ein Jahr umfassen, sind nach der RV
nicht zulässig.
2. Der Etat wird vor Beginn des Etatsjahres
festgestellt. Durch die Natur des Etats als eines
Voranschlags der Finanzwirtschaft ist es geboten,
daß in jedem Jahr nur der Etat des folgenden fest-
gestellt wird und die Praxis hat hieran festgehalten;
ein Verbot aber, in einer Sitzungsperiode zwei
Jahresetats festzustellen, enthält die NV nicht.
3. Mit dem Ablauf des Etatsjahres verliert das
Budget seine Kraft, d. h. es gilt nicht als Normal-
budget bis zur Feststellung eines neuen Etats.
4. Alle Einnahmen und Ausgaben des R sollen
in einem einheitlichen Etat zusammengestellt wer-
den; es sollen also nicht die Etats der einzelnen
Verw Zweige getrennt festgestellt werden. Die
Praxis hat jedoch die Zulässigkeit von Nachtrags-
etats anerkannt.
#2. Die Form des Etatsgesetzes ist nicht durch
die Verfassung normiert sondern durch die Praxis