Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Reichsfinanzwesen (IV. Reichshaushaltsetat) 
der Einnahmen und Ausgaben unter genauer Be-lastung des RK von der ihm bis dahin obliegenden 
obachtung der Gesetze, Verordnungen und Verw- 
Grundsätze verfahren worden ist; endlich die Fi- 
nanzkontrolle, d. i. die Prüfung, inwieweit die 
Verwaltung dem Etatsgesetz gemäß geführt wor- 
den ist und die Feststellung aller Abweichungen 
der faktischen Rechnungsresultate von den Soll- 
ansätzen des Budgets. Die Verw Behörden haben 
für die Erledigung der Monita des Rechnungshofes 
Sorge zu tragen; den Zentralbehörden des Reichs, 
in letzter Instanz dem Ré liegt es ob, für die Er- 
füllung dieser Pflicht einzustehen und die ihm unter- 
stellten Behörden und Beamten dazu anzuhalten. 
Wenn der Rechnungshof eine Rechnung als rich- 
tig festgestellt hat oder die von ihm erhobenen Er- 
innerungen von dem rechnungsführenden Beam- 
ten erledigt worden sind, so ist dem letzteren von 
demselben ein Anerkenntnis (Entlastung) zu er- 
teilen. Wenn die Erinnerungen des Rechnungs- 
hofes unerledigt bleiben, so treten nach Verschie- 
denheit der Fälle verschiedene Folgen ein. Er- 
kennt die vorgesetzte Dienstbehörde der rechnungs- 
legenden Verwtelle die Erinnerung des Rech- 
nungshofes für begründet an, so gehört es zu 
ihren Pflichten, die Erledigung des Monitums zu 
bewirken. Bleibt aber zwischen dem Rechnungs- 
hof und dem Ressortchef (Reichskanzler) eine Mei- 
nungsverschiedenheit bestehen, so ist die Entschei- 
dung gemäß a 7 Ziff. 2 der RH#S vom Bundes- 
rat zu treffen. Soweit die Erinnerungen sich 
auf die Ausführung von Anordnungen beziehen, 
zu deren selbständigem Erlaß der Kaiser 
reichsgesetzlich ermächtigt ist, so ist der Zweifel 
durch eine kaiserliche Kabinetsordre zu entscheiden. 
Ueber die sog. justifizierenden Kabinets- 
ordres vgl. die vortreffliche Abhandlung von 
Joöl in Annalen, 1888 S 805 ff, 940 ff. Wenn. 
endlich Vorschriften in Frage stehen, an deren Er- 
laß der Reichstag eine Mitwirkung gehabt 
hat, was von allen zum Gegenstande einer Be- 
schlußfassung gemachten Positionen des Rtats 
gilt, ist auch die Entscheidung des RT über Ertei- 
lung oder Versagung der Decharge herbeizuführen. 
§5 7. Die Entlastung. Der Anteil des B und 
RXL an der Feststellung des Budgets wäre zum 
größten Teile wertlos und unwirksam, wenn ihm 
nicht ein Anteil an der Abnahme der Rechnun 
über die vollführte RWirtschaft entspräche. R 
a 72 schreibt demgemäß vor, daß der RK über die 
Verwendung aller Einnahmen des R dem B 
und dem RI: zur Entlastung jährlich Rechnung 
zu legen habe. Der Beschlußfassung darüber wer- 
den die Bemerkungen des Rechnungshofes zu- 
grunde gelegt, welche derselbe unter selbständiger 
unbedingter Verantwortlichkeit aufzustellen hat. 
Dieselben erstrecken sich auf die kalkulatorische 
Richtigkeit der Rechnungen, auf die Abweichungen 
der Verw Behörden von gesetzlichen Vorschriften 
und auf die Abweichungen der tatsächlich erfolgten 
Einnahmen und Ausgaben von den Positionen 
des Etats. BR und R42 erteilen die Entlastung 
jeder besonders; sie dürfen sie dem R"K nicht ver- 
weigern, wenn sie begründete Ausstellungen an 
der ihnen gelegten Rechnung nicht zu erheben ver- 
mögen. Dieses Recht des R#K ist das Korrelat der 
im a 72 der RV ihm auferlegten Pflicht. Die 
Rechtswirkungen der erteilten Decharge sind in 
privatrechtlicher Beziehung die einer ordnungs- 
mäßigen Quittung, in staatsrechtlicher die Ent- 
  
Verantwortlichkeit. 
*8. Die Berwaltung ohne Statsgesetz. Es ist 
die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß das Etats- 
gesetz tatsächlich vor Beginn des Etatsjahres nicht 
zustande kommt; die RV hat nicht angegeben, 
welche Rechtsgrundsätze in einem solchen Falle 
platzgreifen; die letzteren müssen daher auf wissen- 
schaftlichem Wege aus allgemeinen Rechtsprinzi- 
pien hergeleitet werden. Hierbei muß man ganz 
davon absehen, wen etwa die Schuld an dem 
Nichtzustandekommen trifft; ein subjektives Ver- 
schulden braucht überhaupt nicht vorzuliegen oder 
kann alle am Zustandekommen beteiligten Fakto- 
ren gleichmäßig treffen. Es ist daher auch irre- 
führend, wenn man den Zustand, daß ein Etats- 
gesetz nicht vorhanden ist, als eine Verfassungs- 
verletzung bezeichnetj richtig ist nur, daß die 
Ru die rechtzeitige Feststellung des Etats als Re- 
gel vorschreibt, aber keine ausreichende Sicherheit 
eschaffen hat, um die Nichterfüllung dieser Vor- 
chrift zu verhüten. 
Die Verschiedenheit der in der Theorie herr- 
schenden Ansichten über die juristische Natur und 
die Rechtswirkungen des Etatsgesetzes hat auch 
eine verschiedene Beantwortung der in Rede 
stehenden Frage zur Folge. · 
Auf eine Prüfung und Widerlegung der An- 
sicht, daß beim Mangel eines Etatsgesetzes der 
Monarch durch Verordnung den Etat 
festzustellen befugt sei, weil ihm alle Rechte des 
absoluten Staatsoberhauptes verblieben seien, 
welche ihm die Verfassung nicht ausdrücklich ent- 
zogen hat, braucht nicht eingegangen zu werden. 
Denn da der Kaiser in dieser Hinsicht eine voll- 
kommen andere staatsrechtliche Stellung hat wie 
die Monarchen der Einzelstaaten, so kann diese 
Theorie, selbst wenn sie richtig wäre, was nicht 
der Fall ist, auf das R keine Anwendung finden. 
Der Ausweg, daß der letzte im Wege des Ge- 
setzes festgestellte Etat fortgelte bis ein anderes 
Etatsgesetz zustande kommt, wird durch a 69 der 
N direkt ausgeschlossen (s. oben & 1). Legt man 
dem Etatsgesetz die Bedeutung einer Rechtsvor- 
schrift, eines Gesetzes im materiellen Sinne bei, 
so müßte man zwar zu der Konsequenz kommen, 
daß die in diesem Gesetz ausdrücklich als „fort- 
dauernd“ bewilligten Ausgaben auch fortdauernd 
d. h. bis zur anderweitigen Regelung derselben 
geleistet werden müssen; diese Konsequenz wird 
aber von den Vertretern dieser Theorie selbst nicht 
gezogen, da sie mit der Tendenz des Parlamenta- 
rismus sich nicht verträgt. 
Weit verbreitet ist die Lehre, daß das Budget- 
gesetz die alleinige und ausschließliche gesetzliche 
Grundlage für die Finanzwirtschaft sei und daß 
die Regierung nur durch das Budgetgesetz er- 
mächtigt werde, Ausgaben zu leisten und Einnah- 
men zu erheben. Diese Theorie knüpft geschichtlich 
an die anarchischen und jede feste Rechtsordnung 
negierenden Zustände und Anschauungen der 
französischen Revolution an. Sie führt folgerichtig 
zu dem Resultat, daß beim Mangel eines Budget- 
gesetzes die staatliche Finanzwirtschaft, d. h. die 
Staatstätigkeit überhaupt, stille stehen muß; sie 
bedeutet die Desorganisierung und Auflösung 
des Staates. v 
Geht man endlich von der Bedeutung des Etats- 
gesetzes aus, wie sie in den vorhergehenden Er-
	        
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