Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Reichskanzler 
schlossen ist, daß der Kaiser ihm bei besonders 
wichtigen Verhandlungen eine solche erteilt. Die 
Vollmacht der dem RK unterstellten Behörden, 
innerhalb ihres gesetzlichen oder herkömmlichen 
Geschäftskreises das Reich zu vertreten, ist von 
der Generalvollmacht des RrK abgezweigt und 
ihr gleichsam untergeordnet. 
2. Der Rél hat die erforderlichen Veranstaltun- 
gen zu treffen, damit der BR und der RT, wenn 
sie einberufen sind, ihre Sitzungen halten können; 
er hat die Verfügungen zu erlassen, welche zur 
Ausführung der Beschlüsse des Bun- 
desrats erforderlich sind; er prüft die Legiti- 
mation der Bevollmächtigten; er übermittelt die 
von dem Bdl beschlossenen Vorlagen dem RT und 
bringt die Beschlüsse des RT zur Kenntnis des 
BR (GeschO des BR #24, des RT f8 32, 34, 
66, 69); er verkündet die vom BR beschlossenen 
Verordnungen. 
3. Soweit die eigene Verwaltung 
des Reichs sich erstreckt, ist der RK als Gehilfe und 
Vertreter des Kaisers der oberste Chef und Leiter. 
In dieser Beziehung ist seine Stellung völlig ent- 
sprechend der Stellung eines Min im Einzelstaate; 
nur ist er nicht auf ein einzelnes Ressort beschränkt, 
sondern seine Kompetenz hat denselben Umfang 
wie die Verw Kompetenz des Reichs. 
4. Soweit das Recht der Einzelstaaten auf 
Selbstverwaltung reicht, liegt dem Kaiser die 
Ueberwachung der Ausführung der Reichs- 
gesetze ob (RV a 17) und ebenmäßig dem R. die 
hierzu erforderliche Tätigkeit. 
5. Endlich war nach dem G v. 9. 6. 71 + 4 
der NKK auch der verantwortliche leitende Min 
für Elsaß-Lothringen (X; durch das R v. 4. 
7. 79 ##2 ist jedoch in dieser Hinsicht der Statt- 
halter (XI von Elsaß-Lothringen an seine Stelle 
getreten. 
Die Verantwortlichkeit, welche nach a 17 der 
RV der NK trägt, ist nicht zu einem Rechtsinstitut 
gestaltet; es fehlt an Anordnungen, worauf sie sich 
erstreckt, wer befugt ist, sie geltend zu machen, wel- 
ches Verfahren dabei einzuhalten ist, welche Wir- 
kungen mit ihr verknüpft sind. Sie ist ein politi- 
sches Prinzip, das seiner Verwirklichung durch 
Rechtssätze noch harrt, aber doch nicht ganz wir- 
kungslos ist, indem der R. sich der Notwendigkeit 
nicht entziehen kann, auf Angriffe gegen seine 
Geschäftsführung im BR und RT. Rede zu 
tehen. 
n 4 4. Die Stellvertretung des Meichskanzlers. 
In der N ist die Vertretung des RK nur hin- 
sichtlich des Vorsitzes im Bundesrate und der 
Leitung der B#eschäfte durch a 15 Abs 2 ge- 
regelt worden; dagegen nicht hinsichtlich der 
reichsministeriellen Geschäfte. Denn der Entwurf 
der Verfassung behandelte den Kanzler überhaupt 
nur als Präsidialgesandten (loben 8 1). Die vom 
verfassungsberatenden KIT herrührende Bestim- 
mung des a 17 aber läßt eine Stellvertretung 
des RK bei der Kontrasignatur kaiserlicher An- 
ordnungen nicht zu. Da sich nun das Bedürfnis 
nach einer verantwortlichen Stellvertretung des 
R24K unter Entlastung des letzteren von der Ver- 
antwortlichkeit herausstellte, so wurde durch das 
R v. 7. 3. 78 eine solche eingeführt. Dieses 
Gesetz betrifft lediglich die Stellvertretung des 
Rf als Reichsminister und läßt, wie es im &+ 4 
  
selbst ausdrücklich hervorhebt, die Bestimmung des 
à 15 der RV unberührt. 
Die Stellvertreter werden vom Kaiser er- 
nannt; die Ernennung kann aber nur erfolgen „in 
Fällen der Behinderung"“ des RK und ferner nur 
Hauf Antrag" desselben (G 5 1). Der RK hat da- 
her die Initiative; er kann Stellvertreter ver- 
langen, aber er braucht sich solche nicht gefallen zu 
lassen. Unter „Behinderung“ ist nicht bloß der 
Fall zu verstehen, daß der RK aus vorüber- 
ehenden AUrsachen an der Wahrnehmung 
femer amtlichen Geschäfte verhindert ist, sondern 
auch das Vorhandensein von dauernden 
Umständen, welche ihm die letztere teilweise un- 
möglich machen, namentlich zu großer Umfang 
der Geschäftslast und Mangel der für gewisse Ge- 
schäftszweige erforderlichen technischen Kenntnisse 
usw. Dadurch kommt der Stellvertretung selbst 
der Charakter einer dauernden Einrich- 
tung im Behärdensystem des Reichs zu. 
Das Gesetz (§ 2) läßt zwei Arten von verant- 
wortlichen Stellvertretern zu: 
1. Einen Generalstellvertreter (Vi- 
zekanzler) „allgemein für den gesamten Umfang 
der Geschäfte und Obliegenheiten des RK.“ Die 
Auswahl desselben ist gesetzlich nicht beschränkt. 
2. Ressortstellvertreter für diejeni- 
gen einzelnen Amtszweige, welche sich in der 
eigenen und unmittelbaren Verwaltung des Reichs 
befinden. Zu solchen können nur die Vorstände 
der (dem RK untergeordneten) obersten Reichs- 
behörden [K S. 259 ernannt werden und zwar ent- 
weder für den ganzen Umfang oder für einzelne 
Teileihres Geschäftskreises. Die Stellvertretungs- 
befugnis ist aber nicht von Rechts wegen mit der 
Amtsstellung als Vorstand einer obersten Reichs- 
behörde verknüpft, sondern muß persönlich 
nach Maßgabe des Gesetzes verliehen werden. 
Die Stellvertreter sind befugt zur Gegenzeich- 
nung der Anordnungen und Verfügungen des 
Kaisers und zur Wahrnehmung der sonstigen, dem 
RK durch die Verfassung und die Gesetze des 
Reichs übertragenen Obliegenheiten (G 5 1). Dem 
Rist aber in § 3 des G die Befugnis gewahrt, 
„jede Amtshandlung auch während der Dauer 
einer Stellvertretung selbst vorzunehmen“. Da- 
durch bleiben sämtliche Ressorts trotz der Ernen- 
nung von Stellvertretern der obersten Leitung und 
selbst unmittelbaren Eingriffen des RK unterwor- 
fen und infolgedessen der letztere auch in einem 
gewissen Grade verantwortlich. Man kann daher 
die Stellvertreter als verantwortliche Unter- 
minister charakterisieren. 
#5. Die Reichskanzlei. Eine Folge der Er- 
hebung der Vorstände der obersten Reichsbehörden 
zu verantwortlichen Unterministern war die Locke- 
rung des Verhältnisses zwischen dem RK und die- 
sen Behörden; er erscheint nicht mehr als ihr un- 
mittelbarer Chef, sondern als eine über 
ihnen allen stehende Zentralbehörde mit einem 
abgesonderten Geschäftskreise. Er bedurfte daher 
jetzt eines eigenen Apparates von Hilfs= und Un- 
terbeamten. Früher diente ihm dazu das „Zentral- 
bureau des Reichskanzleramtes“. Seit dem Jahre 
1879 ist das Zentralbureau vom NrKAmt getrennt 
und als „Reichskanzlei“ bezeichnet worden. 
  
Josl in Annalen 1878, S 402 fft. 
Studien 2, S 24 ff, 31 ff; Hensel, 
19 * 
Literatur: 
761 ff; Hänel,
	        
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