Religionsgesellschaften (B. Israelitische)
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rat zu wahren hat (Statut v. 14. 5. 39; dort auch
das Nähere über die Zusammensetzung und die
Funktionen);
5. in Lippe-Detmold: Sämtliche Sy-
nagogengemeinden bilden unter dem Namen
„Synagogenverband der Israeliten des Für-
stentums Lippe“ eine mit den Rechten einer jur.
Person versehene jüd. Genossenschaft, die durch
einen „Ausschuß" vertreten wird.
II. In den übrigen Staaten fehlt es
an einer umfassenden Gesamtorganisation.
Zum Teil bestehen lediglich örtliche Verbände
(Synagogengemeinden, Kultusgemeinden) ohne
jede Zusammenfassung zu höheren Einheiten (so
in Altpreußen und Bayern). Zum Teil sind der-
artige höhere Einheiten vorhanden, teils in Ge-
stalt von umfassenderen Verbänden (z. B. Elsaß-
Lothringen: Konsistorialbezirke; Kurhessen: Kreise,
Provinzialgemeinschaften), teils in der Art, daß
umfassendere Rabbinatsbezirke gebildet sind (z. B.
Hannover: 4 Landrabbinate; Nassau: Bezirks-
rabbinate; Holstein: Oberrabbiner zu Altona).
65 7. Synagogengemeinden.
I. Die Grundform aller Organisationen der
isr. R., z. T. deren einzige Form, ist der lokale
Verband, die Synagogengemeinde (Kultusge-
meinde, religiöse Gemeinde, Religionsgemeinde,
Kirchengemeinde usw.).
Die Synagogengemeinden besitzen fast aus-
nahmslos Korporationsrechte,
teils auf Grund genereller gesetzlicher Be-
stimmung (in Preußen alte Provinzen und Meisenheim:
G v. 23. 7. 47 1 37; Hann.: G v. 30. 9. 42 3 26; Sachs.:
G v. 10. 6. 04 #1 4; Württ.: G v. 8. 7. 12 a 4 Abs 1:
Bad.: OrtsK StG v. 20. 11. 10 a 1 Abs 1; Schwarzb.-S.:
G v. 3. 1. 60 l 2; Schaumb.-L.: Gv. 16. 3. 11 1 1; Elf.=
Lothr.: O v. 25. b. 44 a 19 Abs 3 und a 64),
teils durch besondere staatliche Verleihung
(Gotha: Gen. v. 1870; Koburg: Satz. v. 23. 4. 73; Brem.:
Gv. 25. 8. 63; Braunschw.: G v. 1. 4. 08 5 1),
teils auch durch Gewohnheitsrecht (Bayern:
val. Ed. v. 10. ö. 13 31, Reg Ausschr. f. d. Pfalz v. 8.
10. 1823 Z. 8; Hessen: vgl. B v. 2. 11. 41 a 1).
Ihre Bildung erfolgt in der Regel durch einen
Akt der Staatsgewalt, entweder nach vorheriger
Anhörung der Beteiligten (Altpreußen G v.
23. 7. 47 & 36; Württemberg Kirchen Verf v.
6. 9. 12 § 4; Schaumburg-Lippe G v. 16. 3. 11
6 1) oder auch ohne diese (Sachsen G v. 10. 6. 04
52 Abs 2; Braunschweig G v. 1. 4. 08 5 1). Zu-
weilen ist sie unter bestimmten Voraussetzungen
dem Belieben der Interessenten anheim gegeben
(Bayern Ed. v. 10. 6. 1813 5 24). In der Regel
gilt für die Gemeinden das Parochial-
prinzip, d. h. der Grundsatz, daß jeder inner-
halb ihres Bezirkes wohnhafte Jude unabhängig
von seinem Willen Mitglied der Gemeinde ist.
Dieser Grundsatz ist teils durch ausdrückliche
Rechtsnorm festgestellt (so Preußen, alte Prov. und
Meisenheim: G v. 23. 7. 47 1 35; Hann.: G v. 30.
r. 42 1& 35; Schlesw.: G v. 8. 2. 54 18 16 und 17;
Holst.: G v. 14. 7. 63 5 10; Kurh.: B v. 30. 12. 1823
1# 1 ff; Nassau: Min Bek v. 7. 1. 52, Anl. 1; Hoh.-Sig.:
G v. 9. 8. 37 & 38; Frankf. a. M.: Dekr. v. 30. 1. 12.
— Bay., rechtsrhein.: Min Entsch v. 29. 6. 63; Pfalz: B v.
27. 3. 72 a 3; Württ.: G v. 8. 7. 12 a 4, Kirch. Berf
v. 6. 9. 12 1 2; Sachs.: G v. 10. 6. 04 1 2; Bad.: Best O.
v. 6. 9. 95 5 4; Meckl.-Schw.: V v. 26. 3. 73 3 1; M.-Strel.:
V v. 2. 2. 60 l 1; Old.: Gv. 3. 7. 58 à 1 2; Birk.: Go.
11. 3. 67/18. 1. 10 à 1 3; Braunschw.: G v. 1. 4. 08 #l1;
Wald.: Gv. 24. 7. 33 1 1; Sch.-L.: Gv. 16. 3. 11 1l 10),
teilt durch Gewohnheitsrecht (Preuß.: Großherz.
Hess. Gebietst. und Hoh. Hech.; Großherz. Hessen val.
MinE v. 29. 8. 56 a. b. Kr. Amt Gießen, v. 8. 10. 60 a. b.
Kr. Amt Offenbach).
Der Grundsatz des Gemeindezwangs gilt nicht
in Elsaß-Lothringen, Lübeck (O v. 8. 1. 68 a 1b)
und Hamburg (Gv. 7. 11. 64 F 1).
In Preußen (G v. 28. 7. 76) und Hessen (G v.
10. 9. 78) ist das Parochialprinzip durchbrochen
durch die Möglichkeit, aus einer Synagogen-
gemeinde ohne gleichzeitigen Austritt aus dem
Judentum auszuscheiden (in Preußen nur aus
religiösen Bedenken). Die Austretenden können
sich in Preußen zu neuen Synagogengemeinden
vereinigen, denen durch Kgl Veroronung die
Rechte einer Synagogengemeinde verliehen wer-
den können (a. a. O. § 8. Vgl. allh. V v. 9. 8. 85,
betr. die isr. Synagogengemeinde Adass Jisroel
zu Berlin und v. 24. 3. 79, betr. die altisraelitische
Kultusgemeinde zu Wiesbaden). Für Frankfurt
a. M. gilt ein Sonder G v. 21. 3. 99.
II. Für die Organisation der Syna-
gogengemeinden ist teils eine gesetzliche Zwangs-
regelung vorgenommen, teils gesetzlich nur das
Vorhandensein bestimmter Organe verlangt, die
Schaffung weiterer durch das Statut jedoch zu-
gelassen (so in Sachsen, Braunschweig). Im-
einzelnen herrscht große Mannigfaltigkeit. Teils
haben die Gemeinden nur ein Organ, Einzel-
person (Vorsteher) oder Kollegium, unter mannig-
faltiger Bezeichnung: Vorstand (Altpreußen,
Hessen, Sachsen), Synagogenrat (Baden), Kir-
chenvorsteher (Württemberg), Aelteste (Kurhes-
sen), Synagogenausschuß (Pfalz), Synagogen-
gemeinderat (Oldenburg, Birkenfeld); teils tritt
neben das Exekutivorgan als zweites Organ
eine Gemeindevertretung (Repräsentan-
tenversammlung, Gemeindeverordnete, Gemein-
devertretung, Gemeindeausschuß, so: Altpreußen,
Frankfurt a. M., Bayern rechtsrheinisch, Lübeck);
teils endlich ist als drittes Organ neben den
beiden vorgenannten oder als zweites an Stelle
der Gemeindevertretung die Gemeindeversamm-
lung (Synagogenversammlung) vorgesehen (Han-
nover, Baden, Schwarzburg-Sondershausen,
Schaumburg-Lippe). Der Gemeindeausschuß geht
regelmäßig aus der Wahl der Gemeindeglieder
hervor. Der Vorstand wird entweder von der
Gemeinde bzw. der Gemeindevertretung gewählt
oder aber von der vorgesetzten Behörde ernannt
(so in Kurhessen: vom Vorsteheramt; in Nassau:
von der Regierung). Im Großh. Hessen erfolgt
die Wahl durch von der Regierung ernannte
Wahlmänner.
Die Zuständigkeit der einzelnen Organe
gegeneinander ist verschieden abgegrenzt. Regel-
mäßig hat der Vorstand die Exekutive und die Ver-
tretung der Gemeinde nach außen, während die Ge-
meindeversammlung bezw. die Gemeindevertre-
tung zu gewissen Rechtshandlungen des Vor-
standes zuzustimmen, auch seine Verwaltung zu
kontrollieren hat. Vielfach ist außerdem zu ge-
wissen Rechtshandlungen der Gemeinde die Zu-
stimmung der staatlichen Aufsichtsbehörden er-
forderlich, denen überdies zumeist die gesamte
Geschäftsführung des Vorstandes allgemein un-
terstellt ist.