Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
306 
Religionsunterricht 
  
die staatliche Schulbehörde berechtigt, diese von des R. in Baden im kirchlichen, hier im staatlichen 
der Erteilung des R. zu entheben. Die unmittel- 
bare Aufsicht über den R. in den Volksschulen 
führt der Ortsgeistliche und über eine Gruppe von 
Schulen der evangelische Dekan bezw. der erz- 
bischöfliche Schulinspektor, über den R. in den 
Mittelschulen der vom Oberkirchenrat bestellte 
Kommissar oder auch der Dekan bezw. der erz- 
bischöflich ernannte Kommissar (G v. 9. 10. 60 
über die rechtl. Stellung der Kirchen §5 12. Schul G 
v. 7. 7. 10 86# 40, 41. V d. Ob Kirch Rats v. 15. 2.05 
8 17, AKvi 1805, 313). 
II. Leitung und Ueberwachung 
durch die Kirche (Bayern, Würt- 
temberg). 
1. In Bayern (Religionsedikt v. 28. 5. 
1818 # 38, 39) besitzen die Kirchenbehörden 
(Oberkonsistorium zu München und Konsistorium 
zu Speier bezw. die katholischen Bischöfe) bloß 
das Recht der Leitung und der Ueber- 
wachung des R. Demnach sind die Kirchen 
nicht verpflichtet, wie in Baden, den R. zunächst 
durch ihre Organe erteilen zu lassen, vielmehr hat 
der Staat seinerseits Fürsorge zu treffen, wenn- 
gleich es keinesfalls ausgeschlossen ist, daß die 
Geistlichen den R. oder einen Teil übernehmen 
(vgl. auch § 2). Die Leitung des R., welche den 
kirchlichen Behörden zugesichert ist, umfaßt die 
Bestimmung über die dem religiösen Unterricht 
zugrunde zu legenden Lehren, über die Art der 
Erteilung des R., über die zu benutzenden Reli- 
gionslehrbücher sowie die Aufstellung des Lehr- 
planes, die Anordnungen über den Schulgottes- 
dienst und die religiösen Uebungen der Schul- 
jugend. Da aber dem Staat das Recht der Ober- 
leitung und der Oberaufsicht über das Schulwesen 
zusteht, so hat die Tätigkeit der kirchlichen Behör- 
den nur Raum innerhalb der Grenzen, die durch 
die einheitliche Leitung des gesamten Unterrichts 
gesteckt sind. Die staatlichen Schulbehörden haben 
daher darüber allein zu befinden, wie der kirchlich 
festgestellte Plan für den R. und für den Schul- 
gottesdienst in den allgemeinen Schulplan ein- 
zuordnen, insbesondere, in wie viel und in wel- 
chen Stunden der letztere zu erteilen ist; ferner 
darüber zu wachen, daß die Art der Erteilung des 
R. nicht die Interessen des Staates gefährdet, 
namentlich nicht den konfessionellen Frieden stört; 
nicht minder die kirchlicherseits gewählten Reli- 
gionslehrbücher unter dem gedachten Gesichtspunkt 
zu prüfen sowie sie geeignetenfalls zu verbieten, 
andererseits durch ihre Anordnung einzuführen; 
endlich die kirchlicherseits an die Lehrer und die 
den R. erteilenden Geistlichen erlassenen Anord- 
nungen zu prüfen und diesen zur Nachachtung 
mitzuteilen. 
2. In Württemberg gilt in der Haupt- 
sache dasselbe wie in Bayern (G v. 30. 1. 62 
a 13, Volksschul G v. 17. 8. 09 a 2, 69, Erl der 
Oberschulbehörden v. 4. 3. 10, An Bl 1911, 159). 
Auch für Preußen sieht der suspendierte a 24 
Abs 3 der Vl die Einführung desselben Verhält- 
nisses vor. 
Die Art des Zusammenwirkens von Staat und 
Kirche ist hier also im ganzen eine ähnliche wie in 
Baden (I). Der Gegensatz beruht hauptsächlich darin, 
daß in Baden prinzipiell die Geistlichen, in Bayern- 
und Württemberg prinzipiell die Lehrer den R. 
zu erteilen haben, sowie darin, daß die Erteilung 
  
Auftrage geschieht (unten 2 missio canonica). 
III. Das herrschende System ist das der Mit- 
beaufsichtigung des Religionsunterrichts 
durch die Kirche (Preußen, Sachsen, 
Hessen, Elsaß-Lothringen usw.). 
1. Es giltin Preußen, dahier nach Suspendie- 
rung des erwähnten a 24 durch a 112 der Vll das 
in dem letzteren vorgesehene Unterrichtsgesetz bis 
jetzt nicht zustande gekommen ist. Nach dem frü- 
heren Recht hatten die Pfarrer, Superintendenten 
und Dekane nur in dieser ihrer Eigenschaft die 
Lokal= und Kreisschulinspektion zu führen und die 
ersteren auch teilweise den R. zu erteilen (ALK II 
12 &+ 49). Seit dem G v. 11. 3.72 werden die erst- 
erwähnten Funktionen von ihnen bloß als staat- 
liche kraft Staatsauftrags versehen, und selbst bei 
der Erteilung des R. handelten die Pfarrer, da 
er, wie noch heute, einen Teil des durch den Staat 
schulmäßig festgesetzten Unterrichts bildete, nicht 
kraft kirchlichen, sondern kraft staatlichen Auftrags. 
Unter diesen Umständen ist die Verwaltung nach 
  
kdem geltenden Recht nicht einmal befugt, den 
Kirchen und ihren Organen die maßgebende Lei- 
tung des R. zu überlassen, und es war daher dem 
geltenden Recht vollkommen entsprechend, wenn 
die Verwaltung beim Mangel spezieller gesetzlicher 
Vorschriften seit dem Jahre 1876 (Erl Kult Min 
v. 18. 2. 76, betr. den katholischen R. in den Volks- 
schulen; durch Erl v. 21. 1. 80 auch auf den evan- 
gelischen R. für anwendbar erklärt; dasselbe gilt 
aber auch für die höheren und mittleren Schulen 
vgl. auch Erl 12. 4. 10, AKBl 1911, S. 122) 
die nachstehenden Grundsätze zur Durchführung 
gebracht hat: 1. Die Erteilung des schulplanmäßi- 
gen R. liegt zunächst den vorschriftsmäßig 
qualifizierten Lehrern unter staatlicher Aufsicht ob, 
andererseits kann, falls keine Bedenken obwalten, 
aber auch der Ortspfarrer an dem gedachten Unter- 
richt beteiligt werden. 2. Keinem Geistlichen als 
solchem kommt ein Recht der Leitung (d. h. der 
Ueberwachung des Religionslehrers und das Recht 
zu Direktiven in betreff seines Unterrichts) zu, viel- 
mehr hat der gesetzlich bestellte Ortspfarrer oder 
ein anderer seitens der kirchlichen Behörde be- 
zeichneter, staatlich anerkannter Geistlicher die 
Mitaufsicht (neben der fortbestehenden Aufsicht 
der staatlichen Organe) über den R. auszuüben. 
3. Den kirchlichen Behörden ist zwar ein Recht der 
gutachtlichen Aeußerung in betreff der beim R. 
zu brauchenden Lehr= und Lernbücher seitens der 
staatlichen Verwaltung eingeräumt worden, die- 
elbe hat sich aber die maßgebende Entscheidung 
darüber vorbehalten, ob ein von den kirchlichen 
Behörden ausgewähltes Buch vom staatlichen 
Standpunkt, insbesondere auch in pädagogischer 
und didaktischer Beziehung, unbrauchbar erscheint, 
und sich ausdrücklich das Recht gewahrt, die Ein- 
führung nicht geeigneter Bücher abzulehnen oder 
etwa im Gebrauche befindliche wieder zu beseitigen. 
2. Aehnliches gilt in den meisten übrigen deutschen 
Staaten. So in Sachsen (wo der gescheiterte 
Volksschulgesetzentwurf von 1912 nach Wegfall 
der geistlichen Schulaufsicht den Fortbestand der 
kirchlichen Aufsicht über den R. vorsah) und in 
Hessen. Die maßgebende Bestimmung über 
den R. (Lehrplan, Zahl der Stunden, Religions- 
lehrbücher usw.) kommt hier den staatlichen Schul- 
  
behäörden zu, wennschon in Sachsen bei allen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.