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Religionsunterricht
die staatliche Schulbehörde berechtigt, diese von des R. in Baden im kirchlichen, hier im staatlichen
der Erteilung des R. zu entheben. Die unmittel-
bare Aufsicht über den R. in den Volksschulen
führt der Ortsgeistliche und über eine Gruppe von
Schulen der evangelische Dekan bezw. der erz-
bischöfliche Schulinspektor, über den R. in den
Mittelschulen der vom Oberkirchenrat bestellte
Kommissar oder auch der Dekan bezw. der erz-
bischöflich ernannte Kommissar (G v. 9. 10. 60
über die rechtl. Stellung der Kirchen §5 12. Schul G
v. 7. 7. 10 86# 40, 41. V d. Ob Kirch Rats v. 15. 2.05
8 17, AKvi 1805, 313).
II. Leitung und Ueberwachung
durch die Kirche (Bayern, Würt-
temberg).
1. In Bayern (Religionsedikt v. 28. 5.
1818 # 38, 39) besitzen die Kirchenbehörden
(Oberkonsistorium zu München und Konsistorium
zu Speier bezw. die katholischen Bischöfe) bloß
das Recht der Leitung und der Ueber-
wachung des R. Demnach sind die Kirchen
nicht verpflichtet, wie in Baden, den R. zunächst
durch ihre Organe erteilen zu lassen, vielmehr hat
der Staat seinerseits Fürsorge zu treffen, wenn-
gleich es keinesfalls ausgeschlossen ist, daß die
Geistlichen den R. oder einen Teil übernehmen
(vgl. auch § 2). Die Leitung des R., welche den
kirchlichen Behörden zugesichert ist, umfaßt die
Bestimmung über die dem religiösen Unterricht
zugrunde zu legenden Lehren, über die Art der
Erteilung des R., über die zu benutzenden Reli-
gionslehrbücher sowie die Aufstellung des Lehr-
planes, die Anordnungen über den Schulgottes-
dienst und die religiösen Uebungen der Schul-
jugend. Da aber dem Staat das Recht der Ober-
leitung und der Oberaufsicht über das Schulwesen
zusteht, so hat die Tätigkeit der kirchlichen Behör-
den nur Raum innerhalb der Grenzen, die durch
die einheitliche Leitung des gesamten Unterrichts
gesteckt sind. Die staatlichen Schulbehörden haben
daher darüber allein zu befinden, wie der kirchlich
festgestellte Plan für den R. und für den Schul-
gottesdienst in den allgemeinen Schulplan ein-
zuordnen, insbesondere, in wie viel und in wel-
chen Stunden der letztere zu erteilen ist; ferner
darüber zu wachen, daß die Art der Erteilung des
R. nicht die Interessen des Staates gefährdet,
namentlich nicht den konfessionellen Frieden stört;
nicht minder die kirchlicherseits gewählten Reli-
gionslehrbücher unter dem gedachten Gesichtspunkt
zu prüfen sowie sie geeignetenfalls zu verbieten,
andererseits durch ihre Anordnung einzuführen;
endlich die kirchlicherseits an die Lehrer und die
den R. erteilenden Geistlichen erlassenen Anord-
nungen zu prüfen und diesen zur Nachachtung
mitzuteilen.
2. In Württemberg gilt in der Haupt-
sache dasselbe wie in Bayern (G v. 30. 1. 62
a 13, Volksschul G v. 17. 8. 09 a 2, 69, Erl der
Oberschulbehörden v. 4. 3. 10, An Bl 1911, 159).
Auch für Preußen sieht der suspendierte a 24
Abs 3 der Vl die Einführung desselben Verhält-
nisses vor.
Die Art des Zusammenwirkens von Staat und
Kirche ist hier also im ganzen eine ähnliche wie in
Baden (I). Der Gegensatz beruht hauptsächlich darin,
daß in Baden prinzipiell die Geistlichen, in Bayern-
und Württemberg prinzipiell die Lehrer den R.
zu erteilen haben, sowie darin, daß die Erteilung
Auftrage geschieht (unten 2 missio canonica).
III. Das herrschende System ist das der Mit-
beaufsichtigung des Religionsunterrichts
durch die Kirche (Preußen, Sachsen,
Hessen, Elsaß-Lothringen usw.).
1. Es giltin Preußen, dahier nach Suspendie-
rung des erwähnten a 24 durch a 112 der Vll das
in dem letzteren vorgesehene Unterrichtsgesetz bis
jetzt nicht zustande gekommen ist. Nach dem frü-
heren Recht hatten die Pfarrer, Superintendenten
und Dekane nur in dieser ihrer Eigenschaft die
Lokal= und Kreisschulinspektion zu führen und die
ersteren auch teilweise den R. zu erteilen (ALK II
12 &+ 49). Seit dem G v. 11. 3.72 werden die erst-
erwähnten Funktionen von ihnen bloß als staat-
liche kraft Staatsauftrags versehen, und selbst bei
der Erteilung des R. handelten die Pfarrer, da
er, wie noch heute, einen Teil des durch den Staat
schulmäßig festgesetzten Unterrichts bildete, nicht
kraft kirchlichen, sondern kraft staatlichen Auftrags.
Unter diesen Umständen ist die Verwaltung nach
kdem geltenden Recht nicht einmal befugt, den
Kirchen und ihren Organen die maßgebende Lei-
tung des R. zu überlassen, und es war daher dem
geltenden Recht vollkommen entsprechend, wenn
die Verwaltung beim Mangel spezieller gesetzlicher
Vorschriften seit dem Jahre 1876 (Erl Kult Min
v. 18. 2. 76, betr. den katholischen R. in den Volks-
schulen; durch Erl v. 21. 1. 80 auch auf den evan-
gelischen R. für anwendbar erklärt; dasselbe gilt
aber auch für die höheren und mittleren Schulen
vgl. auch Erl 12. 4. 10, AKBl 1911, S. 122)
die nachstehenden Grundsätze zur Durchführung
gebracht hat: 1. Die Erteilung des schulplanmäßi-
gen R. liegt zunächst den vorschriftsmäßig
qualifizierten Lehrern unter staatlicher Aufsicht ob,
andererseits kann, falls keine Bedenken obwalten,
aber auch der Ortspfarrer an dem gedachten Unter-
richt beteiligt werden. 2. Keinem Geistlichen als
solchem kommt ein Recht der Leitung (d. h. der
Ueberwachung des Religionslehrers und das Recht
zu Direktiven in betreff seines Unterrichts) zu, viel-
mehr hat der gesetzlich bestellte Ortspfarrer oder
ein anderer seitens der kirchlichen Behörde be-
zeichneter, staatlich anerkannter Geistlicher die
Mitaufsicht (neben der fortbestehenden Aufsicht
der staatlichen Organe) über den R. auszuüben.
3. Den kirchlichen Behörden ist zwar ein Recht der
gutachtlichen Aeußerung in betreff der beim R.
zu brauchenden Lehr= und Lernbücher seitens der
staatlichen Verwaltung eingeräumt worden, die-
elbe hat sich aber die maßgebende Entscheidung
darüber vorbehalten, ob ein von den kirchlichen
Behörden ausgewähltes Buch vom staatlichen
Standpunkt, insbesondere auch in pädagogischer
und didaktischer Beziehung, unbrauchbar erscheint,
und sich ausdrücklich das Recht gewahrt, die Ein-
führung nicht geeigneter Bücher abzulehnen oder
etwa im Gebrauche befindliche wieder zu beseitigen.
2. Aehnliches gilt in den meisten übrigen deutschen
Staaten. So in Sachsen (wo der gescheiterte
Volksschulgesetzentwurf von 1912 nach Wegfall
der geistlichen Schulaufsicht den Fortbestand der
kirchlichen Aufsicht über den R. vorsah) und in
Hessen. Die maßgebende Bestimmung über
den R. (Lehrplan, Zahl der Stunden, Religions-
lehrbücher usw.) kommt hier den staatlichen Schul-
behäörden zu, wennschon in Sachsen bei allen