Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Religiöse Kindererziehung 
  
anderen christlichen Kirche übertritt. Im Zweifel 
gilt für eheliche Kinder bis zum 14. Jahr des Kin- 
des die Konfession des Vaters, für uneheliche die 
der Mutter. Die neue Verordnung bezieht sich 
nur auf Christen; für Nichtchristen gilt noch das 
Gv. 1848. 
VII. Nassau hat für die R. K. zunächst 
das Edikt v. 22. und 26. 3. 1808 über die Erziehung 
der Kinder aus gemischten Ehen, sodann den Erl 
des Staats Min v. 7. 12. 48 und endlich den Erl. 
des Konsistoriums zu Wiesbaden v. 21. 2. 94 
als geltendes staatliches und kirchliches Recht. Nach 
dem Edikt entscheidet die Religion des Vaters. 
Unterscheidungsjahr ist das 14., und Religions- 
änderung alsdann denjenigen gestattet, welche 
„von dem Ortsgeistlichen ein Attestat über hin- 
längliche Kenntnisse der betr. Religion beibringen 
können“. Verträge über die R. K. werden als 
gesetzwidrig bezeichnet. Uneheliche Kinder sollen 
in der Religion der Mutter erzogen werden. 
Der Erlaß des Staats Min gestattete dann eine 
anderweite Regelung der R. K. in gemischten 
Ehen, „solange die Eltern über die Frage, in welcher 
Religion ihre Kinder zu erziehen seien, einig sind.“ 
Der Konsistorialerlaß ergänzte die staatlichen Sätze 
dahin, daß die „Einigung" der Eltern auch über 
den Tod eines Elternteils hinaus wirke. Mangels 
einer Einigung soll die Konfession des Vaters maß- 
gebend sein. Die kirchenrechtliche Vorschrift ist 
als die Festlegung eines bereits bestehenden Ge- 
wohnheitsrechts anzusehen. — Sonst gilt Bürger- 
liches Gesetzbuch. " 
VIII. Für Frankfurt a. M. ist noch eine 
V des Großherzogs Fürst-Primas v. 5. 9. 1811 
maßgebend. Hier wird die „Religionsbestimmung 
der Kinder aus gemischten Ehen“ ausdrücklich 
als Ausfluß der väterlichen Gewalt bezeichnet. 
Verträge der Brautleute und Ehegatten über die 
R. K. sind zulässig, bedürfen aber der Form der 
Eheverträge (Abschluß vor Gericht oder vor Notar 
und Zeugen) und sind abänderlich und aufhebbar. 
Der überlebende Ehegatte bleibt an den Vertrag 
ebunden. Mangels eines Vertrags folgen die 
inder der Religion des Vaters, der auch ander- 
weit bestimmen darf. Kinder unter 12 Jahren 
folgen der Religionsänderung der Eltern. Kinder 
über 12 Jahre haben mit dem vollendeten 16. 
das Unterscheidungsjahr. Anerkannte uneheliche 
Kinder sind in der Religion, die der Vater be- 
stimmt, nicht anerkannte, ebenso wie in Ehebruch 
und Blutschande erzeugte, in der von der Mutter 
vorgeschriebenen Religion zu erziehen. Beim 
Findelkind bestimmt der Ehemann durch Erklä- 
rung vor dem Ortsmaire die Religion. Die V v. 
1811 gilt auch für nichtchristliche Ehen. — Im übri- 
gen gilt das Bürgerliche Gesetzbuch. 
IX. Die Preuß. Amtsgerichtsbezirke Wey- 
hers, Hilders und Orb unterstehen — 
noch aus der Zeit ihrer bayerischen Staatszuge- 
hörigkeit her — gemäß V v. 22. ö. 67 den für 
Bahern maßgebenden Vorschriften (siehe unten 
). 
83. In Bahern hat die R. K. in der II. Bei- 
lage zur VU v. 26. 5. 1818, Abschnitt 1 Kap. 3 
(Religionsverhältnisse der Kinder aus gemischten 
Ehen) ihre Regelung gefunden, die sich nach einer 
Plenarentscheidung des bayer. VG#H v. 23. 10. 89 
auf alle Religionsgemeinschaften (nicht nur 
auf die „anerkannten“) erstreckt. Sie gilt auch 
  
für die Pfalz. — Als Mischehen gelten nicht nur 
christliche. Verträge (in der Form der Ehever- 
träge, daher in der Pfalz nur vor Eheabschluß 
möglich und nach a 167 Abs 2 EG z. BGB und 
a 15 AG z. GVG sowie Notariats G v. 9. 6. 99 
a 1 Absl 1 nur notariell) über die R. K. sind zu- 
lässig; ihre Ausführung überwacht der Vater 
allein. Mangels ihrer entscheidet das Gesetz, 
nicht eine tatsächliche Einigung der Eltern. Nach 
dem Gesetz folgen Knaben der Religion des 
Vaters, Mädchen der der Mutter. Aenderung 
der R. K. ist unzulässig, auch nicht nach dem 
Tode eines Elternteils, auch nicht bei Religions- 
wechsel der Eltern Rechtsfolge. Wird jedoch die 
Ehe ungemischt, so sollen alle noch nicht zur Kon- 
irmation oder Kommunion zugelassenen Kinder 
er Religion der Eltern folgen. Für „ungemischte“ 
Ehen gilt BGB. Das gleiche für Dissidentenehen 
lauch wenn nur ein Teil Dissident ist). Legi- 
timierte und (in gerichtlicher oder standesamtlicher 
Urkunde) anerkannte uneheliche Kinder werden 
wie eheliche behandelt, andere uneheliche folgen 
der Mutter. Findlinge sind in der Religion des 
sie Aufnehmenden, wenn er einer der anerkann- 
ten christlichen Kirchen angehört, sonst des Find- 
lingsinstituts, in dem sie sind, oder der Mehrheit 
der Ortseinwohner des Fundorts zu erziehen. — 
Unterscheidungsalter ist das vollendete 21. Le- 
bensjahr. Der Bayerische VGH#(Entsch v. 
23. 1. 80 und 5. 11. 80) hält die R. K. für eine 
positive Rechtspflicht der Erziehungsberechtigten, 
das Kind im Glauben der zuständigen Kirche zu 
erziehen, erklärt sich aber nur für die Dauer der 
Schulzeit (6. bis 14. Lebensjahr) zur Entschei- 
dung von Streitigkeiten kompetent. 
& 4. Württemberg. Hier gilt vor allem das 
Religionsedikt v. 15. 10. 1806. Danach werden 
Kinder aus Mischehen bis zu den Unterscheidungs- 
jahren (nach V v. 15. 8. 1817 für Knaben das 16., 
für Mädchen das 14. Lebensjahr) in der Religion 
des Vaters erzogen. Abweichende vor der Obrig- 
keit des Gatten — vor oder während der Ehe — 
abgeschlossene Verträge sind gültig. Für nicht- 
christliche gemischte Ehen sowie uneheliche, legi- 
timierte, Findlings= und Adoptivkinder gilt BG B. 
„Obrigkeit“ ist „iede mit vollziehender Gewalt 
ausgestattete Behörde“ (OLG Stuttgart v. 
25. 10. 83), also z. B. Schultheißenamt (Orts- 
vorsteher), Gemeinderat, Amtsgericht. Die Ver- 
träge gelten auch nach dem Tode des Ehegatten 
unabänderlich und können nur durch neue Ver- 
einbarung der Ehegatten aufgehoben werden. 
Ob die Erziehung „in der Religion des Vaters“ 
für diesen eine Pflicht oder nur ein Recht bedeutet, 
ist streitig. Gaupp (Staatsrecht des Königreichs 
W. S 261) hält es für ein Recht; auch Fauser 
(s. unter Lit.). 
8 5. Sachsen. Der Rechtszustand ist sehr ver- 
wickelt. Es kommen zwei Mandate (v. 19. 2. 
und 20. 2. 1827), das Mischehen G v. 1. 11. 36, 
das Deutschkatholiken G v. 2. 1I. 48, das Zivil- 
stands G v. 20. 6. 70, das Volksschul G v. 26. 4. 73 
(nebst V v. 25. 8. 74), für die Befreiung von den 
Bestimmungen des G v. 1836 auch AEG z. BGB 
v. 18. 6. 98 & 49, ferner das Verwechtspflege G 
v. 19. 7. 00, das Isracliten G v. 20. 7. 04 und die 
Ausführungs B hierzu v. 24. 6. 04 in Betracht. 
Diese rechtliche Ordnung der R. K. ist in sich wider- 
spruchsvoll, ziemlich grundsatzlos und lückenhaft.
	        
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