Richter
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theoretische Weiterbildung durch bei den Gerich-
ten abgehaltene Uebungen gesorgt, so in Preu-
ßen (AVf v. 3. 7. 12, JMM #I 212, 34 ff der
PrüfO v. 17. 6. 13, IMBl 195) und in Bayern
(Bek v. 17. 3. 13, JMl 11; fs. DJZ 13, 451).
Referendaren, die mindestens 2 Jahre im
Vorbereitungsdienste stehen, können in Preußen
— ähnlich in Sachsen, Baden, Anhalt und Ham-
burg—einzelnerichterliche Geschäfte bei
den Amtsgerichten aufgetragen werden; sie kön-
nen jedoch nicht Urteile fällen, Verfügungen von
Todes wegen und Eheverträge beurkunden, über
Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Verhaftungen
entscheiden, auch nicht bei der Bildung. der Schöf-
fen= und Schwurgerichte mitwirken. Durch diesen
Ausschluß von den wichtigsten Geschäften wird
die gleichzeitig der Justizverwaltung eingeräumte
Befugnis, Referendare als Vertreter von R. mit
der zeitweiligen Wahrnehmung richterlicher Ge-
schäfte bei den Amtsgerichten zu beauftragen,
praktisch unbrauchbar gemacht (Pr. AG z. G#
§5 2). In Bayern und Braunschweig dürfen Re-
ferendare auch nicht mit einzelnen richterlichen
Geschäften betraut werden. Sachsen t(als
einziger deutscher Staat) zahlt den Referendaren
nach etwa 1 Jahr eine Vergütung von
100 Mk. monatlich, jedoch ohne Rechtsanspruch
unn ur soweit das etatsmäßige Pauschguantum
reicht.
III. Die zweite Prüfung (große Staats-
prüfung) soll über die praktische Befähigung des
Referendars Aufschluß geben. Sie ist deshalb
fast ausnahmslos besonderen, überwiegend aus
Praktikern gebildeten, Kommissionen übertragen,
die den Justizministerien, ausnahmsweise (so in
Mecklenburg) dem OL# angegliedert sind. An-
halt hat keine eigene Kommission, es läßt seine
Referendare in Preußen prüfen und verlangt
von ihnen dann nur noch ein ergänzendes Examen
im Anhaltischen Rechte vor dem Landgerichts-
präsidenten. Regelmäßig ist die Prüfung nach
dem früheren Vorbilde Preußens schriftlich und
mündlich. Preußen verlangte bisher eine wissen-
schaftliche Arbeit mit 6 Wochen Frist und einen
Aktenfall (Referat, Gutachten und Urteil) mit
3 Wochen Frist, ferner einen in der mündlichen
Prüfung zu haltenden Vortrag. Die neue preu-
Hische Prüfungs O v. 17. 6. 13 (JMl 195) fügt
diesen Prüfungsleistungen, die sämtlich bestehen
bleiben, noch zwei Klausuren (Aktenfälle) hinzu.
Sie sind unter Aufsicht in je 5 Stunden unter
Benutzung von Textausgaben der Gesetze, aus-
nahmsweise von Handkommentaren, zu bear-
beiten. Braunschweig hat ähnliche Vorschriften,
wie früher Preußen; jedoch beträgt die Frist für
die häuslichen Arbeiten 2 Monate, Verlänge-
rung ist — abweichend von den meisten anderen
Staaten — statthaft. In Sachsen sind zwei Zivil-
fälle mit je 14 Tagen und 2 Strafrechtsfälle mit je
8 Tagen Frist zu bearbeiten. Neben dem münd-
lichen Examen sind nur Klaufuren zu fertigen
in Württemberg (3), Baden (21), Hessen (7).
In Elsaß-Lothringen sind nach der neuen Prü-
fungs O v. 16. 8. 13 (GBl 85) 12 Klausuren mit
je 4—6 Stunden Frist zu fertigen. Diese wer-
den — und zwar, ohne daß ihr Verfasser den
Prüfern erkennbar gemacht ist, — erst nach der
(dem preußischen Vorbild entsprechenden) münd-
lichen Prüfung beurteilt. Die einzelnen Prü-
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl.
fungleisungen werden (ähnlich wie in Bayern
. u.) in Ziffern („Noten“) bewertet und das
Gesamtergebnis durch Zusammenrechnen der
Noten gefunden: bis 32 „ausgezeichnet“, bis
48 „sehr gut“, bis 64 „gut“, bis 90 „ausreichend“,
darüber „nicht bestanden“.
In Baden, Hessen, Braunschweig und Elsaß-
Lothringen ist die Staatsprlifung für das Justiz-
und VerwFach gemeinsam. Dies gilt auch von
Bayern, das seine Staatsprüfung eigenartig
geordnet hat.
Der Bayrische Staatskonkurs (jetzt „Staats-
prüfung") ist eine nur schriftliche Prü-
fung in zwei Abteilungen (Justiz= und VerwFach),
die jedoch durch einen einstündigen Vortrag even-
tuell mit Fragen ergänzt werden muß, wenn die
schriftliche Arbeit nicht wenigstens 90 „Punkte“
ergab. Sie wird alljährlich nur einmal im Dezem-
ber an den Sitzen der Kreisregierungen abgehalten.
Die Aufgaben (18 in 10 Tagen unter Ausfsicht zu
fertigen) bestimmen die Staatsministerien einheit-
lich für ganz Bayern. Zensiert werden die Arbei-
ten von besonderen für die verschiedenen Fächer
zuständigen Kommissionen am Obersten Landes-
gerichte, den OLG# und dem VG#H. Die mündliche
Ergänzungsprüfung ist vor einem bei den OL#
gebildeten Ausschuß abzulegen, in dem auch ein
Reg Beamter oder höchster VerwrR. sitzt. Aus
den durch Ziffern ausgedrückten Beurteilungen
der einzelnen Arbeiten wird in ziemlich verwickel-
ter Berechnung das Prüfungsergebnis, die so-
genannte Note (I, II, III) ermittelt, die aber
noch durch hinzugefügte Bruchziffern näher be-
stimmt wird. Ihr Ausfall entscheidet über das
künftige Schicksal des Prüflinges. Während die
Justiz früher Kandidaten aller drei Noten anstellte,
aber die Verwaltung schon von jeher nur Juristen
mit 1 und II annahm, ist neuerdings durch die
Kagl V v. 2. 3. 10 (IlM Bl 183) den „Dreier-
Juristen“ sogar der R.Beruf ganz verschlossen
worden. Diese können nur Sekretäre werden.
Wer mit seiner Note nicht zufrieden ist, kann sich
freilich in Bayern nochmals prüfen lassen, ver-
zichtet aber alsdann auf die bereits erhaltene
Note, so daß er in der neuen Prüfung auch noch
gänzlich durchfallen kann (DJZ 1911 S 1073).
Diese Befugnis ist neuerdings auch in Hessen
und Elsaß-Lothringen eingeführt worden.
8 4. Assessoren (Hilfarichter). Der mit Er-
folg geprüfte Referendar erhält ein Zeugnis
darüber, daß er die Prüfung mit Erfolg bestanden
hat. In Preußen und den meisten anderen Staa-
ten wird er ohne Rücksicht auf die schon vorhan-
dene Zahl von Stellenanwärtern nach der Prü-
fung zum „Gerichtsassessor“ ernannt. Jedoch
besteht kein Rechtsanspruch auf solche Ernennung,
und in vereinzelten Ausnahmefällen wird auch
in Preußen dem geprüften Rechtsbeflissenen
diese Ernennung versagt, womit ihm der Zutritt
zur eigentlichen Justizlaufbahn verschlossen ist.
Der von Preußen vor 1900 gemachte Versuch,
im Gesetzesweg eine Auswahl unter den ge-
prüften R. Amtsanwärtern (numerus clausus)
einzuführen — der sog. Assessorparagraph —
ist gescheitert. In Baden besteht dagegen diese
Auswahl zu Recht. In Sachsen wird eine Schei-
dung dadurch herbeigeführt, daß der Justizminister
einem Teile der Gerichtsassessoren die „Staats-
dienereigenschaft" verleiht, woraus das Recht
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