Richter
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gericht, und zwar ausnahmslos da, wo das Amts-
richtergehalt (wie in Württemberg und Baden)
niedriger als das der Landrichter ist. In Preußen
werden aber nicht selten die Assessoren, namentlich
Prädikatsassessoren, sogleich zu Landrichtern er-
nannt. Nach GG 65 68 in der Fassung der Prozes=
novelle v. 1909 können die Landrichter zugleich
Amtsrichter im Bezirke des Landgerichts sein.
Eigenartig ist die Laufbahn in Bayern. Der
geprüfte Rechtspraktikant wird entweder Ge-
richtssekretär oder dritter Staatsanwalt; der
letzte steht im Range und Gehalte dem AmtsR.
leich. Der Sekretär wird nach etwa 5 Jahren
mts R. und hat, da er gewöhnlich eine mindere
Note aus dem Staatskonkurs besitzt, nicht sicher
auf BWeiterbeförderung zu rechnen. Sonst ist
die Laufbahn: dritter Staatsanwalt, AmtsR.,
zweiter Staatsanwalt, Landgerichtsrat, Erster
Staatsanwalt, Oberlandesgerichtsrat oder Land-
erichtsdirektor, Präsident oder Oberstaatsanwalt.
Perner kennt Bayern noch „Oberamtsrichter“,
die den Landgerichtsräten gleichstehen, „Amts-
erichtsdirektoren“ und einen „Amtsgerichtsprä-
identen“. Einen solchen gibt es außerdem noch
bei dem Amtsgericht Berlin-Mitte und in Ham-
burg. Amtsgerichtsdirektoren mit dem Hoöchst-
ehalt der Landgerichtsdirektoren hat neuestens
lsaß--Lothringen eingeführt (V v. 21. 6. 13).
Amtsgerichtsdirektoren kennt auch noch Baden,
während der Vorschlag, sie in Preußen einzu-
hren, vom Landtag abgelehnt wurde. In Hes-
sar ist „Oberamtsrichter“ ein Titel für die älteren
Aufsichtsrichter. Der Ratstitel (Amtsgerichtsrat,
Landgerichtsrat) wird in den meisten Staaten
nach längerer R.Dienstzeit gewährt, in Bayern
ist der Landgerichtsrat jedoch Amtsbezeichnung
der Landgerichtsmitglieder, während der „Amts-
erichtsrat" den aufsichtführenden AmtsR. vor-
behalten ist. In Bremen (#U wird der „Richter“,
der stets nur diese Amtsbezeichnung führt, aus
der Zahl der Anwälte durch einen Wahlausschuß
gewählt, der aus je drei gewählten Vertretern
des Senats, der Bürgerschaft und des Richter-
kollegiums gebildet ist. Dieses letzte ist ein aus den
ständigen Mitgliedern des Landgerichts und des
Amtsgerichts gebildetes Organ, das wiederum
die richterlichen Mitglieder der Justiz VerwKom-
mission und ferner — wobei jedoch die Genehmi-
gung des Senats vorbehalten bleibt — den Land-
gerichtspräsidenten und die Direktoren wählt.
In allen übrigen Staaten ist die Beförderung
zum Landgerichtsdirektor, ebenso wie die zum
Oberlandesgerichtsrat und in die Präsidenten-
stellen ein landesherrliches Vorrecht. In Bayern
finden sich noch einige Amtsrichter, denen nach
früherem Brauche Rang und Gehalt der Ober-
landesgerichtsräte verliehen worden war.
§ 6. Gehalt und Pernsion. Die Gehaltsver-
hältnisse der einzelstaatlichen R. (wegen der
Reichsgerichtsräte s. oben § 1) können in den
Einzelheiten hier nicht verfolgt werden. Zu beach-
ten ist, daß Bayern, Anhalt, Mecklenburg, Elsaß-
Lothringen und die Hansestädte kein Wohnungs-
geld gewähren, Mecklenburg sogar noch 3 v. H.
als Beitrag zur Witwenkasse erhebt. Die übrigen
Staaten gewähren Witwen= und Waisengeld IN#I
aus eigenen Mitteln IX Beamtejl. Sachsen hat
allein die Bestimmung, daß der unverheiratete R.
das Wohnungsgeld nur zur Hälfte bezieht.
Die Gehälter sind in den größeren Staaten jetzt
durchweg nach Dienstaltersstufen geregelt. Einzel-
seiten des Besoldungsrechts näher darzustellen,
ehlt es an Raum. Es mag hier neben der unten
mitgeteilten tabellarischen Uebersicht die Anführung
genügen, daß Preußen das „Besoldungsdienst-
alter“ im allgemeinen mit der Anstellung begin-
nen läßt, dabei aber eine 4 Jahre übersteigende
Wartezeit des Assessors bis zu höchstens 2 Jahren
auf das Besoldungsdienstalter anrechnet, wenn
nicht der Assessor eine bestimmte ihm vom Justiz-
Min angebotene Stelle abgelehnt hat. Bei Beför-
derungen tritt der R. so in die Gehaltsklasse des
neuen Amtes ein, daß er keinen Nachteil erleidet.
(Siehe die Tabelle auf Seite 324)
Die wichtigsten Besoldungsgesetze:
PBaden: Gehalts O der Beamten v. 12. 8. 08 (GBB 876).
— Bavern: Beamten G v. 16. 8. 08 (GBBl 581), Bv. ö. 9.
08 mit Gehaltsordnung. — Braunschweig: Gehalts O v.
17. 6. 10 (GuB S Nr. 33). — Elsaß-Lothringen: Be-
soldungs v. 9. ö. 13 (GBl Nr. 110.— Hamburg: Gehalts O
v. 19. 6. 12 (GS I, 379). — Hessen: G betr. Besoldung der
Staatsbeamten v. 9. ö. 98. — Mecklen burg: s. DJ3 1912
S 388. — Preußen: R. Besoldungs G v. 29. 5. 07 (GÖS
111); dazu # 6 des G. v. 26. 5. 09 (GEe 85). — Sachsen:
Besoldungs G v. 29. 8. und 10. 7. 08, Besoldungs O v. 20.
10. 09 (GB#l 569). — Württemberg: Gehalts O v.
1911 (Anlage XIII bes Hauptfinanzetats für 1911/12).
§# 7. Richtervereine (dazu Kade und Schmidt,
siehe Lit.). Sieht man von einzelnen Vereins-
bildungen anderer Art aus älterer Zeit ab,
wie dem rheinpreußischen AmtsRV und dem
Verein reichsländischer R. und Staatsanwälte
(1902), so ist der Beginn einer Vereinsorganisation
der R. in das Jahr 1906 zu setzen. Den Anfang
machte der am 11. 11. 06 begründete bayerische
NV, ihm folgten 1907 die RV in Baden und
Sachsen und im Jahre 1909 bereits der preußische
RV und der Deutsche Richterbund, als.
dessen Organ die „Deutsche Richter-Zeitung“ er-
scheint und der alle 2 Jahre eine Wanderver-
sammlung, den Deutschen R.Tag, abhält. Dieser
Zusammenschluß der R., der eine den schon älteren
Anwaltvereinen IJ Rechtsanwaltl] entsprechende
Standesvertretung schaffen soll, ist nicht sowohl
zur Förderung wirtschaftlicher Interessen der R.
bestimmt, als zur Einflußnahme auf öffentliche
Angelegenheiten, namentlich Mitwirkung in Ge-
setzgebungsfragen und zur Abwehr einer feind-
seligen Kritik der richterlichen Tätigkeit in der
Tagespresse, in der Laienliteratur und selbst in
den Parlamenten. Die Aufnahme des Vereins-
gedankens war bei den R. (wenigstens in Preu-
ßen) anfänglich geteilt, zumal die Justizverwal-
tung Zurückhaltung übte und die Mitglieder der
höheren Gerichte nur vereinzelt beitraten. In
anderen Bundesstaaten, z. B. Sachsen, war die
Entwicklung günstiger. Daß die R. durch ihre
Vereinigungen auf die öffentliche Meinung Ein-
fluß gewinnen, ist erwünscht, da häufig noch sehr
schiefe Auffassungen über rechtliche Dinge in den
Zeitungen zutage treten.
Auch diese Reformbewegung steht in einem Zusammen-
hange mit den Betrachtungen und Vorschlägen, die englische
Rechtsgedanken verwerten; vol. Adickes, Grundlinien
durchgreisender Justizreform, 1906; Friedr. Stein, Zur
Justizreform, 1907. Einen Ueberblick über die Stellung der
R. in den größeren Staaten gibt Piola-Caselli,
La magistratura, 1907. (D. H.)
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