Sachsen (A. Verfassung)
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Das Hausfideilommiß ist zwar Eigentum des
Kgl Hauses und sein Besitz geht auf den jedes-
maligen Regenten über; vom Lande getrennt
oder veräußert werden darf es abgesehen von be-
sonderen Ausnahmen jedoch nicht.
3. Das Privatvermögen des Kö-
nigs besteht aus dem, was der König vor der
Thronbesteigung bereits besessen hat oder später
aus Privatrechtstiteln erworben hat. Ueber das-
selbe steht dem Könige freie Verfügungsgewalt
zu. Bei Nichtverfügung im Todesfalle tritt keine
gesetzliche Erbfolge nach BGB ein; es wächst
vielmehr das Privatvermögen dem Hausfidei-
kommisse zu.
4. Die Civilliste IM ist eine mit den
Ständen für die Dauer der jedesmaligen Regie-
rung vereinbarte, dem Könige überwiesene Sum-
me aus den Staatskassen, über die der König freie
Verfügungsgewalt hat. Sie dient zur Bestrei-
tung des persönlichen Bedarfs des Königs und der
Königin, der Unterhaltungs= und Erziehungs-
kosten seiner Kinder und des Gesamtaufwands für
die Hofhaltung, Hofküche, Hofkapelle, Hoftheater
und Schlösser. Die beim Todesfall des Königs
vorhandenen Ersparnisse an der Zivilliste fallen
an das Hausfideikommisß, falls nicht über sie auf
den Todesfall verfügt worden ist.
5. Apanagen (I und andere Ge-
bührnisse der Glieder des Kgl Hauses,
deren Höhe und Zuteilung im Hausgesetz näher
geordnet ist. Sie sind im Einvernehmen mit
den Ständen festzusetzen und aus den Staats-
kassen ohne Zurechnung auf die Zidvilliste zu ge-
währen. *! i*.“-—.ö
3. Rechtsstellung der Untertanen. Jede
innerhalb der Grenzen Sachsens sich aufhaltende
Person ist zur Beobachtung der Gesetze verpflichtet
und hat Anspruch auf gesetzlichen Schutz. Jedem
Landesbewohner ist völlige Gewissensfreiheit und
Schutz in der Gottesverehrung seines Glaubens
gewährt. Einen Unterschied in der Perufung. zu
irgend einer Stelle im Staatsdienst infolge Ver-
schiedenheit von Stand und Geburt gibt es nicht.
Wegen eines gesetz= oder ordnungswidrigen Ver-
fahrens einer Behörde oder wegen Verzögerung
einer Entscheidung kann jeder bei der zunächst
vorgesetzten Behörde schriftlich Beschwerde führen.
Auch nach Ausspruch der obersten Staatsbehörde
kann 8 Betreffende bei den Ständen noch wei-
tere Beschwerde führen. Im übrigen bleibt es
unbenommen, Wünsche und Beschwerden bei dem
Regenten unmittelbar anzubringen.
Die meisten besonderen Pflichten, die in der
Verfassung genannt sind, haben im späteren Ver-
lauf der Entwicklung eine spezielle landes- oder
reichsrechtliche Normierung erfahren IX Oeffent-
liche Rechtel.
#s4. Die Staatsorganisation.
I. Vom Staatsdienst. Als oberste
Dienststellen für die sächsischen Behörden bestehen
die Ministerialdepartements der Justiz, der Fi-
nanz, des Innern, des Kriegs, des Kultus und
öffentlichen Unterrichtes und der auswärtigen
Angelegenheiten, deren Vorstände den Ständen
verantwortlich sind und die zusammen das
„Gesamtministerium“ und die oberste kollegiale
Staatsbehörde bilden. Daneben kann vom König
ein Staatsrat I gebildet werden, in welchen
außer den Ministern die dem König geeignet
erscheinenden Personen entsandt werden.
Die Staatsdiener sind für ihre Dienstleistungen
verantwortlich. Ihre Verhältnisse sind durch ein
besonderes Gesetz geregelt. Hofdienst ist nicht
Staatsdienst.
Alle vom König unterzeichneten Verfügungen
in Regierungsangelegenheiten müssen von dem
Vorstande des betreffenden Ministerialdeparte-
ments gegengezeichnet sein. Eine Verfügung
ohne solche Gegenzeichnung ist unverbindlich.
II. Die Rechtspflege. Neben der
reichsrechtlichen Regelung der Rechtspflege gibt
das Landesrecht Garantien für die Unabhängig-
keit der Richter in dem Staatsdienstgesetz.
Der Fiskus [J/I nimmt in allen Rechtsstreitig-
keiten bei den ordentlichen Landesgerichten Recht.
Jedem, der sich durch einen Akt der Staatsver-
waltung in seinen Rechten verletzt glaubt, steht der
Rechtsweg offen, soweit nicht in einem besonderen
Gesetz Ausnahmen hiervon getroffen sind. Bei
Zuständigkeitszweifeln zwischen Justiz= und Verw-
Behörden oder Verwaltungsgerichten (h entschei-
det in letzter Instanz eine besondere Behörde, der
Kompetenzgerichtsbof [J Rechtsweg III, 2371.
Der König hat in strafrechtlichen Fällen das
Recht der Abolition [, sowie der Verwandlung,
Minderung oder des Erlasses der Strafe; schärfen
kann er die zuerkannte Strafe jedoch nicht.
III. Von den Kirchen, Unter-
richtsanstalten und milden Stif-
tungen. Die freie öffentliche Religionsaus-
Übung steht nur den im Königreich S. aufgenom-
menen (ev.-luth. Landeskirche, ev.-ref. Kirche,
röm.-kath., deutsch-kath. Kirche) oder künftig, mit-
tels besonderen Gesetzes, aufzunehmenden Kon-
fessionen zu. Es dürfen weder neue Klöster errich-
tet noch Jesuiten (j oder irgend ein anderer
geistlicher Orden [X] jemals im Lande aufge-
nommen werden IN Religionsgesellschaften)].
Der König übt die Staatsgewalt über die Kirche
(das ius circa sacra), die Aufsicht und das Schutz-
recht über dieselbe aus. Es sind daher die geist-
lichen Behörden aller Konfessionen der Oberauf=
sicht des Min des Kultus untergeordnet. Die
innerkirchlichen Angelegenheiten werden durch
die besondere Kirchenverfassung einer jeden Kon-
fession geordnet. Die landesherrliche Kirchen-
gewalt (ius episcopale) über die evangelischen
Glaubensgenossen wird, solange der König einer
anderen Konfession zugetan ist, von den in evange-
licis beauftragten Staats Min — dem Vorstande
des Kultus Min in Gemeinschaft mit wenigstens
drei anderen Mitgliedern des Gesamt Min, sämt-
lich der Landeskirche angehörend (besonderer Eid)
— ausgeübt.
Beschwerden über Mißbrauch der kirchlichen
Gewalt können auch bis zu der obersten weltlichen
Staatsbehörde gebracht werden. Die Kirchen,
Schulen und deren Diener sind in ihren bürger-
lichen Beziehungen und Handlungen den Staats-
gesetzen unterworfen.
Alle Stiftungen (X stehen unter dem besonderen
Schutze des Staates. Ihr Vermögen oder Einkom-
men darf nur zu Stiftungszwecken benützt werden.
Nur in Ausnahmefällen, wenn der stiftungsmäßige
Zweck nicht mehr zu erreichen ist, darf eine
Verwendung zu anderen ähnlichen Zwecken unter
Beobachtung gewisser Bedingungen platzgreifen.