Schiedsgerichte (internationale)
— — — — — — — —
Voraussetzung, daß die bei 1 bezeichneten Klauseln
nicht zur Anwendung kommen, nicht alle Rechts-
fragen, sondern nur Streitigkeiten über die zwi-
schen den Parteien geschlossenen Verträge und
über Entschädigungsansprüche. Namentlich Bel-
gien hat solche Verträge mit der Schweiz, Spa-
nien, Griechenland, Dänemark, Nicaragua und
Schweden-Norwegen geschlossen.
3. Eine dritte Reihe von ständigen Schiedsver-
trägen kennt gewisse Fälle, bei denen die Klauseln
der Ehre, der Lebensinteressen usw. nie geltend
gemacht werden dürfen. Außerdem werden hier
nicht lediglich rechtliche, sondern auch politische
Streitfragen der Schiedsgerichtsbarkeit über-
wiesen.
4. Schließlich gibt es sehr weitgehende Verträge
die alle Streitfragen der Schiedsgerichtsbarkeit
überweisen, und zwar zwischen 1. Italien-Däne-
mark, 2. Italien-Niederlande, 3. Dänemark-
Niederlande, 4. Dänemark-Portugal, 5. Italien-
Argentinien, 6. den zentral-amerikanischen Schieds-
vertrag zwischen den fünf Staaten Guatemala,
Honduras, Costa-Rica, Nicaragua und San Sal-
vador. In diesem letzteren Vertrage ist sogar die
Einsetzung eines ständigen Gerichtshofes in Kar-
thago (jetzt in San Joscé) beschlossen worden,
der bereits 1908 (in einem von Carnegie gestif-
teten Palaste) eingeweiht wurde und bisher drei
zum Teile schwerwiegende Konflikte aus der
Welt geschafft hat.
Eine Reihe von ständigen Schiedsverträgen,
die südamerikanische Staaten untereinander oder
mit Spanien geschlossen haben, gehen ebenfalls
sehr weit. Sie unterwerfen sämtliche Streit-
fragen der Schiedsgerichtsbarkeit, die nicht die
Verfassung der Streitteile berühren.
III. Im einzelnen zeigen die ständigen Schieds-
verträge nicht nur bezüglich der Art und Zahl
der Klauseln, sondern auch bezüglich der sonstigen
Einzelheiten zahlreiche Unterschiede. Die Versuche
der beiden Haager Friedenskonferenzen, einen
sogenannten Weltschiedsvertrag, d
einen sämtliche oder doch fast alle Staaten der
Welt umfassenden ständigen Schiedsvertrag mit
beschränkter Schiedsverpflichtung zu schaffen, sind
leider bisher an dem Widerstande Deutschlands
gescheitert. Beachtenswert sind in dieser Be-
ziehung immerhin das „Abkommen betr. die
Beschränkung der Anwendung von Gewalt bei
der Eintreibung von Vertragsschulden“ von 1907.
(Vertragsschulden sollen mit Waffengewalt erst
eingetrieben werden, wenn der Schuldnerstaat
ein Schiedsanerbieten abgelehnt hat), und das
Abkommen über die Errichtung eines intern.
Prisenhofs" I Prisenangelegenheiten)j.
5 3. Der Schiedsgerichtsprozeß nach dem Haa-
ger Abkommen. Um den Schiedsprozeß zu ver-
einheitlichen, schuf die erste Haager Friedens-
konferenz in dem Haager Abkommen (verbessert
1907) einen ständigen Schiedshof im
Laag (HSch) und eine Schiedsprozeßordnung.
adurch wurde die Einheit des völkerrechtlichen
Verfahrens vorbereitet und in moralischer Be-
ziehung auf die Staaten ein Druck ausgeübt,
damit sie, denen fortan im Haag jederzeit ein
Gericht zur Verfügung steht, ihre Streitigkeiten
friedlich aus der Welt schaffen.
I. Der Haager Schiedshof ist kein ständiges Ge-
richt in dem Sinne, daß im Haag dauernd Richter
versammelt sind. Vielmehr haben die Staaten
lediglich ein internationales Bureau unter
der Aufsicht eines Verwrates als Gerichtsschrei-
berei und als Archiv eingerichtet und weiterhin
eine Liste von Richtern auf dem Bureau
aufgelegt, in die jeder Staat ein oder mehrere
Personen einträgt, die bereit sind, das Amt eines
Schiedsrichters zu übernehmen. Die Schieds-
richter werden für sechs Jahre ernannt.
Von deutscher Seite sind zur Zeit (Ende 1913) Direktor
Kriege vom Auswärtigen Amte, Oberlkandesgerichtspräsident
v. Staff und Professor v. Martitz gewählt. An Stelle des
verstorbenen Professor v. Bar ist noch kein neuer Richter
ernannt. Das Bureau hat seit 1913 seinen Sitz in dem
Palaste Carnegies und wird von einem Generalsekretär
(Baron Michiels) und einem ersten Sekretär (Ihr. Roell)
geleitet. An der Spitze der Völkerrechtsbibliothek steht Pro-
fessor Albéric Rolin.
Der Verw Rat des Bureaus wird durch die im
Haag beglaubigten Gesandten und den holländi-
schen Minister des Auswärtigen als Vorsitzenden
gebildet. Die Liste der Schiedsrichter besteht aus
etwa 150 Personen. Es müssen dies Männer
von anerkannter Sachkunde in Fragen des Völ-
kerrechts sein, die sich der höchsten sittlichen Ach-
tung erfreuen.
Bricht ein Streit zwischen den Parteien aus,
der dem Haager Schiedshof überwiesen werden
soll, so wählen die Parteien die Richter aus der
Liste des Haager Schiedshofs. Darauf teilen sie
dem Bureau ihren Entschluß mit, den Streit
durch den Schiedshof erledigen zu lassen, und
dieses übernimmt jetzt die Versendung der Schrift-
sätze, stellt die Gerichtsschreiber und den Sitzungs-
saal zur Verfügung des so gewählten Schieds-
gerichts, das als Kammer des gesamten Haager
Schiedshofs anzusehen ist und daher im Namen
der Staatengemeinschaft als Organ des Staaten-
verbandes urteilt (PA a 41—50). «
II. Das Schiedsver fahren zerfällt in
zwei gesonderte Abschnitte, das schriftliche Vor-
verfahren und die Verhandlung. In dem ersten
Teile werden vor allem die Schriftsätze gewechselt.
Die mündliche Verhandlung ist nur dann öffent-
lich, wenn ein Beschluß des Schiedsgerichts mit
Zustimmung der Parteien dahin ergeht. Bisher
waren die Sitzungen meist öffentlich. Die Parteien
können sich in dem Schiedsverfahren durch
Rechtsanwälte (regelmäßig) oder sonstige Bevoll-
mächtigte vertreten lassen. Das Schiedsgericht
bestimmt selbst seine Zuständigkeit, indem es den
Schiedsvertrag sowie die sonstigen Staatsver-
träge, die für den Gegenstand angeführt werden
können, auslegt und die Grundsätze des Rechts
anwendet. Die Entscheidung ergeht nach Stim-
menmehrheit. Der Schiedsspruch ist mit Gründen
zu versehen. Er wird von dem Vorsitzenden und
dem Sekretär unterschrieben, sowie in öffentlicher
Sitzung verlesen. Der Schiedsspruch entscheidet
das Streitverhältnis endgültig und mit Aus-
schließung der Berufung. Jedoch können sich die
Parteien im Schiedsvertrage vorbehalten, die
Nachprüfung des Schiedsspruchs zu beantragen.
Dieser Antrag kann nur auf die Ermittlung einer
neuen Tatsache gegründet werden, die einen
entscheidenden Einfluß auf den Spruch auszunben
geeignet gewesen wäre und bei Schluß der Ver-
handlung dem Schiedsgerichte selbst und der
Partei, welche die Nachprüfung beantragt hat,