Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Orden (katholische) 
  
II. Die Kongregationen unterscheiden sich von 
den O. dadurch, daß sie bezw. ihre Satzungen 
(Konstitution) nicht einer päpstlichen Approbation, 
sondern nur kirchlicher Anerkennung bedürfen (bei 
Bewährung erhalten sie vom Papste das decretum 
approbationis, wodurch ihre etwaige Aufhebun 
dem Papste reserviert wird), vor allem aber durch 
die Wirkungen der Gelübde, die zunächst auf 
Zeit, dann für immer, aber stets nur als vota 
simplicia, nicht solemnia abgelegt werden. Die 
Mitglieder einer K bleiben vermögensfähig und 
werden nur in ihrer Verfügungsfähigkeit teilweise 
beschränkt, jedoch so, daß entgegenstehende Akte 
nicht wie beim votum solemne nichtig, sondern 
nur unerlaubt sind. Das votum cCastitatis be- 
gründet nur ein aufschiebendes, nicht aber tren- 
nendes Ehehindernis. Der Austritt kann nach 
Ablauf der Zeit, für die die zeitlichen Gelübde 
abgelegt waren, erfolgen, sonst durch Dispens 
des Bischofs, bei approbierten K des Papstes, 
der auch allein vom votum castitatis dispensieren 
kann; ferner durch Entlassung aus guten Gründen 
und Ausstoßung. 
Die Verfassung der K zeichnet sich durch straffe 
Zentralisation aus. Die Vorsteher der einzelnen 
Niederlassungen und Häuser werden von den 
Provinzial-- oder Generaloberen bestellt, diese 
selbst vom Generalkapitel auf Zeit oder für immer 
gewählt. Die K unterstehen der vollen bischöflichen 
Jurisdiktion, die männlichen sind jedoch in der 
Regel vom Pfarrverband eximiert, während bei 
den Frauen K der Bischof Disziplin, insbesondere 
die Klausur, und Vermögensverwaltung zu über- 
wachen hat (Grundgesetz Leo XlII. „Conditae“ 
v. S. 11. 1900). 
III. Die kirchlichen Institute und Bruder- 
schaften kennen keine Gelübde, so daß der Austritt stets 
frei bleibt. Während aber die Institute Personen des- 
selben Geschlechtes zu gemeinsamem Leben unter einer 
kirchlich anerkannten Regel zur Erfüllung bestimmter reli- 
giöser Aufgaben vereinigen (z. B. Cratorianer), sind die 
Bruderschaften kanonisch errichtete Vereinigungen 
von in der Welt lebenden Personen beiderlei Geschlechts 
zur Erreichung bestimmter kirchlicher Zwecke, Ausübung 
guter Werke usw., jedoch nicht nur ohne Gelübde, sondern 
auch ohne Regel und gemeinsames Leben. Besitzen sie nur 
kirchliche Billigung, so sind sie „Fromme Vereine'. 
Das Wesen der Bruderschaften liegt darin, daß ihre Mit- 
glieder nicht ihre ganze Person und Tätigkeit in den Dienst 
der Genossenschaft stellen. Die Versaisung ist verschieden. 
Hierher gehören z. B. die Rosenkranzbruderschaften, die 
Marianischen K und auch die sog. Dritten Crden. 
B. Dem deutschen Staatskirchenrecht 
ist diese Dreiteilung fremd. Das Preußische 
Allgem. Landrecht kennt nur „Klostergesellschaf- 
ten“ und versteht darunter, wie sich aus 11 11 
§ 1057 ergibt, ausschließlich die Genossenschaften 
mit feierlichen Gelübden, also die O. im engeren 
Sinne (vgl. Giese, Das kath. O.Wesen nach 
dem geltenden preuß. Staatskirchenrecht in 
Annalen 1908 S169 f). Die 11. Beil. zur baye- 
rischen Vl#(sog. Religionsedikt) 3 70 lit. c 
berücksichtigt dagegen „geistliche Gesellschaften 
und sonstige Institute“ und dürfte unter ersteren 
  
  
auch die K treffen, weil es darunter solche ver- 
steht, in denen Gelübde, also nicht bloß feierliche 
Gelübde abgclegt werden (vgl. Grauer, Das 
kath. O. Wesen nach bayerischem Staatskirchenrecht 
1910, 10 fl). Die „Geistlichen Gesellschaften“ (NI 
der Preuß. V U begreifen nach übereinstimmender 
Ansicht von Theorie und Praxis sowohl die O. 
wie die K. Nachdem dann zum erstenmal das 
Jesuitengesetz [X] von 1872 von „Orden und 
ordensähnlichen Kongregationen“ gesprochen hatte, 
ist diese Bezeichnung in der deutschen Gesetz- 
gebung üblich geworden. Durch diesen Ausdruck 
werden, wie sich aus einer Zirkular Vig der preu- 
ßhischen Minister d. Inn. und der geistl. Angel. 
v. 26. 6. 75 ergibt, der Ordensgesetzgebung 
nur die O. und K, aber einheitlich, unterworfen, 
weil diese allein für den Staat in Betracht kom- 
men, nicht aber die Institute, Bruderschaften und 
kirchlichen Vereine, weil deren Mitglieder sich 
nicht zu einem gemeinsamen Leben verpflichten 
und nicht ihre ganze Persönlichkeit den Zwecken 
eines O. oder einer K zur Verfügung stellen. 
Das entscheidende Kriterium liege demnach nicht 
in der Ablegung von mehr oder minder feierlichen 
bezw. dauernden Gelübden, sondern in der Or- 
ganisation der Genossenschaft, durch welche die 
zu einer vita communis vereinigten Mitglieder 
außerhalb der gewöhnlichen Ordnung der bürger- 
lichen Gesellschaft gestellt und in der Gesamtheit 
ihrer Lebensbeziehungen der Direktion von 
kirchlichen Obern unterworfen werden (bei Hin- 
schius, Preuß. Kirchen G v. 1874/75 S 215 ff, 
und Arch für kath. K R. 35, 344 ff). Die Bruder- 
schaften und religiösen Vereine scheiden infolge- 
dessen auch für uns hier aus. 
## 2. Prinzipielle Stellung des Reiches nud 
der Bundeestaaten. 
1. Grundsätzlich hat es das Reich dem Landes- 
recht überlassen, welche Stellung der einzelne 
Staat der kath. Kirche und deren O.Wesen gegen- 
über einnehmen will (vgl. z. B. noch neuestens 
Vereins G v. 19. 4. 08 524: „Unberührt bleiben die 
Vorschriften des Landesrechts über kirchliche und 
religiöse Vereine . sowie über geistliche O. 
und Kongregationen"). Das Reich hat nur in 
einem Fall die sich selbst gesetzten Schranken 
durch Kompetenzerweiterung durchbrochen, als 
durch Gv. 4. 7. 72 der O. der Gesellschaft Jesu 
und die ihm verwandten O. und ordensähnlichen 
K vom Gebiet des Deutschen Reiches ausge- 
schlossen wurden (X Jesuitengesetzl. 
2. Von den Bundesstaaten nimmt einen prin- 
zipiell ablehnenden Standpunkt Elsaß-Loth- 
ringen auf Grund der hier noch in Geltung 
stehenden französischen Rechtsnormen ein. Die 
Dekrete v. 13./19. 2. 1790 und 18. 8. 1792 hoben 
alle bestehenden O. und K auf und untersagten 
auch für später die Errichtung neuer Niederlassun- 
gen (bei Dursy, Staatskirchenrecht in E.-L. 1, 
318 ff). Durch die Organischen Artikel v. 8. 4. 1802 
(a 11) wurde zwar dies Verbot wiederholt, aber 
durch Dekr. v. 22. 6. 1804 nur für die O. mit 
ewigen Gelübden aufrechterhalten (a 3), wäh- 
rend sonstige Vereinigungen zu religiösen Zwecken 
zugelassen wurden, wenn sie und ihre Statuten 
durch ein besonderes kaiserliches Dekret autorisiert 
würden (a 4) (ebd. S 320). Durch das G v. 
24. 5. 1825 (ebd. S 331) wurde an dessen Stelle 
für jeden einzelnen Fall ein formelles Gesetz vor- 
geschrieben. Nur für die vor 1825 ungesetzlich 
bestehenden Frauen K und für Zweigniederlas- 
sungen bereits genehmigter weiblicher K sollte 
eine Kgl Verordnung genügen, und nach dem 
Gv. 31. 1. 52 (ebd. S 336) auch für den Fall,
	        
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