Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
des heimischen Rechts (das BGB usw.) ange- 
wendet. 
Als Strafen sind Geldstrafen, Gefängnis 
mit Zwangsarbeit, Todesstrafe, in den afrikani- 
schen Kolonien außerdem körperliche Züchtigung 
(Prügelstrafe, die mittels der Nilpferdpeitsche oder 
eines Taues vollstreckt wird, und gegen Ju- 
endliche Rutenstrafe), sowie Kettenhaft, in 
NKuinea Zwangsarbeit ohne Verwahrung im Ge- 
fängnis zugelassen. (Ueber Verhängung und Voll- 
ziehung der Prügelstrafe bestehen genaue Vor- 
schriften. Vgl. u. a. Vfg d. RKolA v. 12. 7. 07, 
Ko#- 320. Gegen höherstehende Eingeborene und 
Frauen ist sie unstatthaft.) Strafmaß und Tat- 
bestand der strafbaren Handlungen sind im allge- 
meinen nicht festgelegt (nur für schwerere Straf- 
taten in NGuinea; ferner kommen die Straf- 
androhungen der polizeilichen und sonstigen ver- 
waltungsrechtlichen Vorschriften in Betracht). 
Im wesentlichen entscheidet daher über Bestra- 
fung und Strafanwendung richterliches Ermessen. 
Soweit möglich, werden die Bestimmungen des 
StGB zum Anhalt genommen, indes in der 
Praxis z. B. auch Lügen vor Gericht, Manipula- 
tionen der Zauberer, Menschenfresserei bestraft. 
Besondere Vorschriften bestehen namentlich über 
die Bestrafung des Kontraktbruchs (vgl. außer 
§5 17 der Vig d. RK v. 22. 4. 96 die Gouv. V für 
Ostafrika v. 7. 12. 09, KBl 10, 118, für N Guinea 
v. 20. 6. 00 und 22. 1. 07, Kolon Gg 6, 248 bezw. 
11, 61). Darnach können wegen Verletzung der 
Verpflichtungen aus einem von den Eingeborenen 
eingegangenen Dienst= oder Arbeitsverhältnis 
sog. Disziplinarstrafen (lleichte Frei- 
heits= oder Prügelstrafen, die bei Vertragsver- 
letzungen auch in Neuguinea zulässig sind) ver- 
hängt werden. 
Vol. die Literatur am Schlusse des Gesamtartikels 
unter „Quellenwerke“ und „Systeme“; serner: Ab- 
handlungen von Bauer, Friedrich, Hermann, 
Schreiber in Kol. Zeitschriften (s. # 5); Brink. 
mann, Strafrecht und Strasverfahren für die Einge- 
borenen der D. Schutzgebiete, 1901t;:; Karlowa, Straf- 
gerichtsbarkeit für die Eingeborenen in den deutsch. Kolo- 
nien (Diss.), 1911; Karstedt, Beiträge zur Praxis 
der Eingeborenenrechtspr. in Ostafrika, 1913:; Felix 
Meyer, Bedeutung des Rechts der Eingeborenen im 
Jahrbuch der Intern. Vereinigung für vergl. Rechtswissen- 
schaften 1903, 489 und Verhandl. des Kolonialkongresses 
1002, 377 (auch 1005, 571); Peters, Begriff, staatsrecht- 
liche Stellung usw. der Eingeborenen in den deutsch. Schutz- 
gebieten (Diss.), 1906; Ziegler, Eingeborenenstraf- 
recht in den beutsch. Schutzgebieten in Mitteil. der Intern. 
Kriminal. Bereinigung 1904, 545; Wick, Farbigenrechts- 
pflege in den deuntich. Sch G, 1914. — Insbesondere betr. 
Rechtssitten der Eingeborenen: Dannert, 
Recht der Herero, 1906; Merker, Massai, 1004; Ders., 
Recht der Wadschagga, 1902; Felix Meyer, Wirt- 
schaft und Recht der Herero, 1905 Sachau, Muham- 
medanisches Erbrecht in Ostafrika, Sitz.-Ber. d. Akad. d. 
Wissensch. 1894; Schultz, Samoanisches Familien- und 
Erbrecht, 1905; Senufft, Rechtssitten der Jap-Einge- 
borenen, Globus, 1907: Steinmes, Rechtsverhältnisse 
von eingeborenen Bölkern in Afrika und Ozeanien, 1903; 
Velten, Sitten der Euaheli, 1903; Zahlreiche Ab- 
handlungen von Kohler, Thurnwald ufsw. in Z f. 
vergl. Rechtswissenschaft, von Asmis in der Kol. Rund- 
schau, Wandres in 3 f. Kol. Pol. — Gesetzbuch der 
Rehobother Bastards in Kol. Monatsbl. 1013. 
Schutzgebiete (II. Recht und Gericht) 
  
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##7. Gemischtes Recht und gemischte Gerichts- 
barkeit. Im Schutzgebietsgesetz fehlt es 
an Vorschriften darüber, welche Rechtsordnun 
in Fällen anzuwenden ist, wo Eingeborene uns 
Nichteingeborene in einer Rechtsangelegenheit 
zugleich beteiligt sind. Aus # 4 Schutzgeb G ist zu 
folgern, daß in Ermangelung gegenteiliger Kaiser-= 
licher Vorschriften die deutschen Gesetze nicht nur 
für den Rechtsverkehr der Eingeborenen unter sich, 
sondern auch für ihre materiellrechtlichen Be- 
ziehungen zu Weißen (Gebiet des sog. ge- 
mischten Rechts) außer Anwendung blei- 
ben müssen (Reichstag Vhdl Bd. 171, S 6006, 
6007). Für die sog. Mischprozesse wird 
in der Praxis angenommen, daß der Gerichtsstand 
des Beklagten oder Angeklagten entscheidet, ob 
eine Sache vor den gemäß §* 2 Schutzgeb G ein- 
gesetzten Gerichten oder (falls nicht durch ausdrück- 
liche Vorschriften ein anderes bestimmt ist) vor den 
Eingeborenenrichtern zu verhandeln ist, und je nach- 
dem sich der Eingeborene auch den für Weiße gelten- 
den Verfahrensvorschriften unterwerfen muß und 
umgekehrt. Soweit hiernach nicht das Recht der ##52, 
3 Schutzgeb G anwendbar ist, greift auch für das 
Mischrecht und die gemischte Gerichtsbarkeit das 
Gesetzgebungsrecht des Kaisers aus §1 Schutzgeb G 
Platz. Dementsprechend sind die durch die Ksl. V 
betr. die Eingeborenenrechtspflege v. 3. 6. 08 dem. 
RéK und den Gouverneuren erteilten Ermächtigun- 
en auf diese Materien mit erstreckt. In Ermange- 
ung besonderer Vorschriften entscheidet über die 
anzuwendenden materiellen Rechtsgrundsätze auch 
in Mischprozessen richterliches Ermessen, und für 
das Verfahren vor den Eingeborenenrichtern sind 
lediglich die in Eingeborenensachen geltenden Vor- 
schriften maßgebend, so daß (abgesehen von der Aus- 
nahme für Ostafrika, oben Z. II) selbst bei Klagen 
wegen erheblicher Werte gegen Eingeborene den 
Nichteingeborenen kein Rechtsmittel, sondern nur 
die Verwheschwerde an den Gouverneur offen 
steht. Da der Rechtsverkehr zwischen der weißen 
Bevölkerung und der farbigen in dem Wirtschafts- 
leben der Schutzgebiete bereits eine große Rolle 
spielt, haben sich gerade auf dem Gebiete des 
Mischrechts umfassendere Verordnungen als not- 
wendig erwiesen; so namentlich behufs Regelung 
des Kreditwesens, um einer übermäßigen 
Verschaldung der Eingeborenen durch Ausbeu- 
tung ihres Leichtsinns und ihrer Unerfahrenheit 
seitens Weißer vorzubeugen. Kreditgeschäfte Wei- 
ßer mit Eingeborenen (Darlehnsgeschäfte, bei 
denen Eingeborene Empfänger sind, und sonstige 
Geschäfte, bei denen die Eingeborenen zu künfti- 
gen Leistungen verpflichtet werden) sind teils 
ganz verboten (Samoa Bek des Gonv. v. 10. 1. 08, 
Kolon Gg 12, 33; vgl. auch wegen der sog. Trust- 
geschäfte im Gummihandel in Kamerun Gouv. B 
v. 15. 11. 12, K Bl 13, 90), teils nur gültig, wenn 
sie von einer Behörde genehmigt oder beurkundet 
sind (Südwest Gouv. V. 30. 10. 08, K Bl 1909, 4; 
NGuinea v. 14. 5. 09, Kolon Gg 13, 249). Auch 
die Vorschriften, die den Uebergang von Grund- 
stücken Eingeborener an Weiße erschweren und 
teilweise die das Arbeiterwesen be- 
treffenden Vorschriften (unten § 20) gehören dem 
gemischten Recht an. Auf dem Gebiet der ge- 
mischten Gerichtsbarkeit ist nament- 
lich die (ebenfalls durch gewisse Unzuträglichkeiten 
des Kreditverkehrs zwischen Weißen und Einge-
	        
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