Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

Schutzgebiete (III. Verwaltung: Land- und Siedelungsfrage) 
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stehens zu sichern. Im Interesse des Handels gilt 
es, die Eingeborenen kaufkräftig zu erhalten, und 
eine Reihe von kolonialen Produkten (Erdnüsse, 
Mais, Kaffee, Baumwolle usw.) eignen sich ge- 
rade besonders (als sog. Eingeborenen- 
kulturen) für den Anbau durch Eingeborene, 
die mit geringeren Unkosten als Weiße wirtschaf- 
ten. Die Aufgaben nach den verschiedenen Rich- 
tungen können nicht allein' von der Gesetzgebung 
gelöst werden; sie fallen z. T,. der Verw Politik 
zu (Art der Verwertung des verfügbaren Grund 
und Bodens, Bemessung der zum Verkauf oder 
zur Verpachtung gestellten Landflächen, Preis- 
festsetzungen, den Käufern und Pächtern aufzu- 
erlegende Bedingungen usw.). 
Die Gesichtspunkte, von welchen die Gesetzge- 
bung und Verwaltung im einzelnen sich leiten 
läßt, werden in letzter Linie davon abhängen, 
welche Ziele sie in der Kolonialpoli- 
tik überhaupt verfolgt. Die neueren deut- 
schen Kolonialbestrebungen, etwa seit der Mitte 
des 19. Jahrhunderts, knüpften an die Aus- 
wanderungsfrage [Man. Die Tatsache, daß 
durch die in der Zeit nach den Freiheitskriegen 
einsetzende starke Auswanderung nach und nach 
Millionen von Landsleuten dem deutschen Volks- 
tum verloren gingen, gab zur Bildung sog. Ko- 
lonisationsvereine Anlaß, welche die 
Auswanderung in bestimmten Gegenden Ameri- 
kas zu konzentrieren suchten. Ihre Bestrebungen 
endeten freilich meist mit Mißerfolgen. (Gewisse 
Erfolge erzielte nur der 1849 gegründete Ham- 
burger Kolonisationsverein in dem gemäßigten 
Südbrasilien.) Gerade deswegen aber gewann der 
Gedanke, daß Deutschland eigene Kolonien er- 
werben müsse, um in diese die Auswanderer zu 
lenken, immer mehr an Anhang. Fürst Bismarck 
war jedoch kein Freund der Auswanderung. 
Dementsprechend ist unter Bismarck und auch 
noch lange Zeit nachher von jeder amtlichen För- 
derung einer Besiedelung der Kolonien abgesehen 
worden. Im deutschen Volke ist indes der Ge- 
danke, die deutschen Kolonien zur Aufnahme über- 
schüssiger Volkskräfte des Mutterlandes nutzbar 
zu machen, immer lebendig geblieben und er hat 
sich deshalb schließlich auch in der amtlichen Politik 
Geltung verschafft. Namentlich war es die (1887 
aus der Verschmelzung des 1882 gegründeten 
Deutschen Kolonialvereins“ und der „Gesellschaft 
fiz Deutsche Kolonisation“ entstandene) Deut- 
che Kolonialgesellschaft, die für ihn ein- 
trat. Nachdem man erkannt hatte, daß Südwest- 
afrika sich seiner klimatischen Verhältnisse wegen 
ur dauernden Niederlassung und zur landwirt- 
schaftlichen Betätigung Weißer eignete, bildete sich 
unter ihrer Mitwirkung die „Siedelungs- 
gesellschaft für Südwestafrika“", 
der von der Regierung größere Landkonzessionen 
erteilt wurden. Obwohl sie, namentlich in der 
Gegend von Windhuk, einer Reihe von Einwan- 
derern zu einer neuen Existenz (als Farmer und 
als Kleinsiedler auf sog. Heimstätten) verhalf, be- 
friedigte doch ihre Tätigkeit auf die Dauer im 
Sch G nicht und die Regierung ging nunmehr dazu 
über, selbst Farmen zu verkaufen sowie ihren Ver- 
klauf seitens Eingeborener zu begünstigen. Die 
Aussichten, welche insbesondere nach dem Bau der 
Bahn Swakopmund-Windhuk die Entwicklung des 
Sch eröffnete, ließen sogar den Entschluß reifen, 
  
  
die Besiedelung systematisch durch Ueberführung 
deutscher Auswanderer zu befördern. Der RT 
bewilligte hierfür 1903 zunächst 300 O00 Mk. Der 
Ausbruch des Aufstandes 1904 vereitelte jedoch 
die Verwirklichung des Planes und die Regierung 
hat ihn später nicht wieder aufgenommen. Die 
inziehung des Stammesvermögens der auf- 
ständischen Eingeborenenstämme (Ksl. V v. 
26. 12. 05, KBl 1906, 1) setzte sie indes in die 
Lage, Farmen in größerer Menge zum Verkauf 
zu stellen, so daß die Besiedelung des Sch G auch 
ohne unmittelbares Eingreifen der Verwaltung 
rasch fortgeschritten ist. (Am 1. Januar 1913 wur- 
den 14 830 weiße Einwohner gezählt.) Durch die 
natürlichen Verhältnisse des Sch G sind ihr freilich 
gewisse Grenzen gesteckt; die Wasserarmut ge- 
stattet Ackerbau nur im beschränktem Maße. Im 
übrigen ist nur extensive Viehwirtschaft möglich. 
Von den übrigen Kolonien stellt Kiautschou (ANl 
fast den reinen Typus einer Handlungskolonie 
ar. Für die Aufnahme von Ansiedlern kommt 
es trotz seiner Lage in der gemäßigten Zone seines 
geringen Umfangs wegen nicht in Betracht. Die 
rein tropischen Kolonien (Ostafrika, 
Kamerun, Togo, NGuinea, Samoa) haben sich 
im wesentlichen als Handels- und Plantagenkolo- 
nien entwickelt. Es finden sich jedoch auch in 
Ostafrika Gebiete (Usambaragebirge, Gegend 
des Kilimandjaro und Meru, Uhehe, Hochland 
am Nijassa-See), die wegen ihrer Höhenlage und 
des dadurch bedingten kühleren Klimas im all- 
gemeinen malariafrei sind und landwirtschaftliche 
Betriebe nach heimischer Art ermöglichen, mithin 
für Ansiedler günstige Bedingungen aufweisen. 
Samoa hat zwar tropisches Klima, ist aber 
malariafrei und die Hitze wird durch die See- 
winde gemildert. In beiden Sch G hat sich des- 
halb im Laufe der Zeit ebenfalls eine größere 
Zahl von Deutschen niedergelassen. Die Regie- 
rung ist ihnen durch Landverkäufe, Unterstützung 
bei der namentlich in Samoa sehr schwierigen Ar- 
beiterbeschaffung, Bau von Zufuhrwegen ufsw. 
entgegengekommen, hat sich im übrigen aber, wie 
auch zuletzt in Südwestafrika, auf eine Auskunfts- 
erteilung an Einwanderungslustige (durch amtlich 
herausgegebene Drudschriften usw.) beschränkt, 
ohne zum Zuzug zu ermuntern. Für eine Massen- 
zuwanderung Deutscher kommen jedenfalls Ost- 
afrika und Samoa noch weniger in Frage als 
Südwest. 
In der Theorie und Praxis der Kolonialpolitik 
hat zudem in letzter Zeit unter dem Einfluß der 
Gedanken, die der frühere Staatssekretär Dernburg 
in Wort und Schrift entwickelt hat, eine Auffassung 
Platz gegriffen, die entsprechend den Anschauungen 
Bismarcks den Wert der Kolonien vor allem in 
ihrer Bedeutung als Absatzgebiete 
und Gebiete der Rohstoffversor- 
gung für die heimische Indu- 
strie (durch Erzeugung von Baumwolle und 
sonstigen Faserstoffen, Oelstoffen, Kautschuk, Me- 
tallen usw.) sieht. Damit hängt auch eine stärkere 
Betonung des Wertes der Eingeborenenkulturen 
zusammen. Ueberdies erscheint die Frage noch 
nicht geklärt, ob in den tropischen Hochländern 
und auf Samoa dauernde (Rassen-, nicht lediglich 
Individual-) Aktlimatisation für Weiße 
möglich ist. Indes hat sich die Regierung auch in 
neuerer Zeit gegen den Siedelungsgedanken nicht
	        
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