408
schließliche Aneignungsrecht an dem herrenlosen
Lande zu, und in Südwest bedarf die Be-
sitzergreifung oder Erwerbung von Rechten an
dem herrenlosen Lande der Genehmigung des
Gouverneurs, die an Bedingungen geknüpft wer-
den kann. (Der Ausdruck „Kronland“ ist in den
Vorschriften für diese SchG vermieden.)
IV. Verwertung des in Besitz genommenen
errenlese Laudes und sonstigen Regiernugs-
e#.
Die Ueberlassung des Regierungslandes geschieht
in allen Sch G durch die Gouverneure nach fest-
stehenden Grundsätzen, die sich z. T. aus den
Vorschriften über das herrenlose Land ergeben,
z. T. sich auf besondere Vorschriften stützen (Vsg des
St S. d. RKol , betr. Verwertung fiskalischen
Farmlandes in Südwest, v. 28. 5. 07, KBl 605),
z. T. sich lediglich in der Praxis herausgebildet ha-
ben. Sie erfolgt durch Uebertragung zu
Eigentum oder Verpachtung, meist
freihändig, nach Ermessen der Gouverneure auch
im Wege öffentlicher Versteigerung. In Ostafrika
wird ehemaliges Kronland regelmäßig zunächst
nur auf 25 Jahre verpachtet. Später kann das
Doppelte des unter Kultur genommenen Landes
käuflich erworben werden. Für Ostafrika und
Kamerun ist vorgeschrieben, daß genügende
Flächen für öffentliche Zwecke,
insbesondere auch für zu erhaltende Waldbestände,
auszuscheiden sind und daß das Recht vorzube-
halten ist, das für Wege, Eisenbahnen und andere
öffentlichen Anlagen erforderliche Land gegen Er-
satz des wirklichen und unmittelbaren Schadens
zurückzunehmen. Im kolonisatorischen Interesse
(zur Verhütung von Landspekulationen und in
Südwest auch zur Förderung der Besiedelung)
wird vertraglich Bewirtschaftungszwang
(in Suüdwest auch Wohnzwang) bei Vermeidung
des Rückfalles auferlegt. Behufs Verhütung von
Latifundienbildungen ist außerdem für Südwest
vorgeschrieben, daß niemand vom Fiskus mehr
als insgesamt 20 000 ha Farmlandes käuflich er-
werben darf. Der Kaufpreis kann in Teilen
abgetragen werden. Vor Ablauf von 10 Jahren
oder völliger Zahlung des Kauppreises darf in
Südwest der Käufer die Farm ohne Genehmigung
des Gouverneurs nicht weiter veräußern. In
NGuinea werden zum Landerwerb z. B. nicht
zugelassen Personen, die einer europäischen
Sprache nicht mächtig sind, und Gesellschaften so-
wie juristische Personen, die nicht nach deutschem
Recht gegründet sind und ihren Sitz nicht in
Deutschland oder einem deutschen Sch G haben.
Pirl-Hirschberg (Gerstmeyer), Liegenschaftsrecht
in den Scho, 1912; Schlimm, Grundstücksrecht in den
Kolonien, 1905; Berner, Kronland in 3. f. Kolonial-
politik 1912; Gravenhorst (Landregister) in Gruchots
Beiträgen 55, 248. Weitere Literatur # 5 und zum Artikel
Konzessionen (koloniale).
8 14. Kirche und Unterrichtswesen.
Die kirchlichen Verhältnisse ent-
behren noch der staatlichen Regelung. Doch ist
durch das SchutzgebG (§ 14) den Angehörigen
aller im Reiche anerkannten Religionsgemein-
schaften Gewissensfreiheit und reli-
giöse Duldung gewährleistet. Die freie
und öffentliche Ausübung ihrer Rulte sowie das
Recht der Erbauung gottesdienstlicher Gebäude
und der Einrichtung von Missionen untecliegen
Schutzgebiete (III. Verwaltung: Kirche und Unterricht)
für diese Religionsgemeinschaften keinerlei gesetz-
licher Beschränkung noch Hinderung. Die nicht-
anerkannten Religionen (Islam, Buddhismus,
heidnische Kulte) genießen gleiche Rechte nur im
Geltungsbereich der Kongoakte (a 6). Sie werden
aber in ihrer Betätigung, soweit diese sich in den
Grenzen der staatlichen Ordnung hält, auch in den
übrigen Kolonialgebieten nicht behindert. Die
Seelsorge für die christliche (evangelische und
katholische) Bevölkerung wird größtenteils von den
Missionaren [JI mit wahrgenommen. Doch haben
sich in Ostafrika und Südwest schon eine Reihe
evangelischer Kirchengemeinden gebil-
det, die an Landeskirchen des Mutterlandes (in
der Regel an die preußische) angeschlossen sind.
Diese kirchlichen Gemeinwesen entbehren freilich
des öffentlichrechtlichen Charakters. Sie können
Rechtsfähigkeit nur auf Grund der für Vereine
geltenden gesetzlichen Bestimmungen (vgl. oben
512) erwerben. Vgl. im übrigen Missionen.
In den Händen der Missionare liegt zum großen
Teil (unter Aufsicht der Regierung) auch das
Unterrichtswesen in den Sch G. Da-
neben bestehen für farbige und vielfach auch schon
für weiße Kinder Regierungsschulen (Elementar-,
Handwerker--, Landwirtschafts-, Fortbildungs= und
— für Weiße — höhere Schulen, in Kiautschou
sogar eine Hochschule für Chinesen). Für die
Kinder der weißen Bevölkerung ist in Südwest
Schulpflicht eingeführt durch Gouv. V v.
20. 10. 06 (KBl S 797, 798), v. 28. 10. 11 (A##l
210). Hier treten den Regierungsschulen auch
noch Gemeindeschulen zur Seite. Um die aus-
wärts wohnenden Kinder gut unterzubringen,
sind in Südwest die meisten Schulen mit Pensio-
naten verbunden. (Vgl. hierüber Gouv. V v.
30. 5. 12, KBl 709). Z. T. besteht auch bei den
Schulen für Farbige in den verschiedenen Schu##
eine Art von Alumnaten.
Gerstmeyer, SchutzgebG 1910, S 43 f. (weitere
Literatur);v. Hoffmann, Einführung 1911, S 111 f.;
Köbner, in Enzyklopädie 1904, S 1105.1).
IV. Wirtschaftliche Gesetzgebung insbesondere.
15. Berkehr. 1 16. Handel. 1 17. Landwirtschaftliche
Produktion (Plantogenbau, Viehzucht). 14 18. Landwirt-
schaftl. Kredit. 4 19. Forstwesen. # 20. Arbeiterfragen.
5 15. Berkehr. Die Autzbarmachung des Ko-
lonialbesitzes, sei es zu Siedelungs-, sei es zu wirt-
schaftlichen Zwecken, hat vor allem seine Erschlie-
ßung durch Herstellung von Verkehrsver-
bindungen nach und in den Sch G zur
Voraussetzung. Die Aufgabe, den Verkehr zwi-
schen den Kolonien und dem Mut-
terland zu vermitteln, fällt in der Hauptsache
den großen kapitalkräftigen Reedereien der Hei-
mat zu. Immerhin hat das Reich auch seinerseits
durch Gewährung von Subventionen an
1) Außer der im Artikel Missionen (II, 898) angegebe-
nen Literatur: Rohrbach, Deutsche Kolonialwirtschaft,
Einleitungsband: Kulturpolitische Grundsätze für die Rassen-
und Missionsfrage, 1909; Schmidlin, die kathol. Mis-
sionen in d. d. Sch , 1913; Abhandlungen von Acker,
Westermann, Schwager, Kilian, Hesse u. a.,
im Jahrb. über d. d. Kolonien II, IV, V, VI; Schlunk,
Das Schulwesen in d. d. Schuygebicten, 1914. D. H.