Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

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Gouverneur einen aus dem Vorsteher des Be- 
zirksamts und zwei aus der Zahl der wählbaren 
Personen ernannten Mitgliedern bestehenden 
Bezirksrat einsetzen. Wählbar sind nur die Wahl- 
berechtigten, die bis zum 31. Dezember des der 
Wahl vorausgehenden Jahres seit mindestens drei 
Jahren ihren Wohnsitz im Bezirk gehabt und sich 
dort während dieser Zeit mindestens zwei Jahre 
aufgehalten haben. Dem Bezirksrat sind die Ent- 
würfe der Wirtschaftspläne für den Bezirk 
vor ihrer Einreichung an das Gouvernement, die 
Entwürfe der vom Bezirksamtmann für den Be- 
zirk zu erlassenden oder in Vorschlag zu bringen- 
den Verordnungen und die vom Gouver- 
neur besonders bezeichneten Angelegenheiten zur 
Beratung vorzulegen. 
4. Für Kamerun brachte das Jahr 1910 den 
ersten Versuch, die Bevölkerung in kommu- 
nalem Rahmen durch Bildung von Stadtge- 
meinden und Einrichtung von Bezirks- 
räten an der Verwaltung teilnehmen zu lassen. 
Das Gouvernement legte dem Gouvernementsrat 
Ende Februar 1910 einen Entwurf vor, wonach an den 
größeren Plätzen ein aus Nichteingeborenen gebildeter Ge- 
meinderat vorgesehen war, in dem der staatliche VerwBe- 
amte den Vorsitz führen sollte. Neben dem Gemeinderate 
sollte für Angelegenheiten der Eingeborenen ein Rat der 
Aeltesten bestcehen. Der Entwurf fand grundsätzliche Be- 
denken: Einführung der Selbstverwaltung verfrüht, Mangel 
geeigneter Personen zur Uebernahme der Amtspflichten, 
drohende Belastung der Einwohner durch Gründung von 
Gemeinden, Verlangen einer größeren Selbständigkeit 
gegenüber der Staatsaufsicht und Deckung etwaiger Fehl- 
beträge der Gemeinden durch Staatszuschüsse; Bedenken 
gegen die Errichtung eines Aeltestenrates der Eingeborenen. 
zZu einer Entschließung ist es angesichts dieser Bedenken 
nicht gekommen; die ganze Angelegenheit wurde „vertagt“. 
&5. In Samoa trug vor der deutschen Flaggen- 
hissung die gesamte Verwaltung mit ihrer Muni- 
zipalitätsrats-Verfassung kommunalen Charakter. 
Im Verlauf der zehnjährigen deutschen Verwal- 
tung hat sich bis heute eine über den konsultativen 
und vom Gouverneur ernannten Gouvernements- 
rat hinaus sich erstreckende Anteilnahme der Be- 
völkerung an der Verwaltung nicht durchgesetzt. 
1910 fsind seitens des Pflanzervereins und des Handels- 
vereins von Samoa an den Deutschen Reichstag Petitionen 
gerichtet worden um Einführung der Selbstverwaltung für 
Samoa. Das Organ dieser Selbstverwaltung soll ein von 
den weißen Bewohnern des Schutzgebietes periodenweise 
zu wählender Gouvernementsrat sein, der in öffentlichen 
Sitzungen tagt, und der in wichtigen Gebieten der Ver- 
waltung beschließende, in Eingeborenensachen beratende, 
vor allem aber beschließende Stimme hat bei Aufstellung 
und Genehmigung des Etats. Zu greifbaren Ergebnissen 
hat die Bewegung noch nicht ge führt. 
6. Besonderen Charakter tragen die An- 
fänge der Kommunalverwaltung in Kiantschon. 
Das wirtschaftliche und verwaltungsmäßige 
Schwergewicht des Gebietes liegt in der Stadt 
Tsingtau; die staatliche und örtliche Verwaltung 
sind hier deshalb in vielen wesentlichen Funktio- 
nen identisch; identisch sind infolgedessen auch die 
Anfänge einer Beteiligung der Bevölkerung an 
der allgemeinen Schutzgebietsverwaltung. Das 
Nähere # Niautschou § 8 ll, oben Band II, 509. 
Külz, 
1900; 
Küteratur: 
Deutschsüdwestafrika, 
Die Selbstverwaltung für 
Radlauer, Finanzielle 
  
  
  
  
Selbstverwaltung (B. Kolonien — C. Konsulargerichtsbezirke) 
Selbstverwaltung und Kommunalverwaltung der Schutz- 
gebiete, 1910; Fleischmann, im Jahrbuch über die 
deutschen Kolonien, Jahrg. IIILff. 
1Schutzgebiete (Literatur). Küls. 
C. Deutsche Kommunalverbände in Nonsular= 
gerichtsbezirken 
* 1. Vertragsplätze und Fremdenniederlassungen in 
China. 1 2. Die deutschen Niederlassungen iu Tientsin und 
Hankau. 1 3. Internationale Niederlassung (Schanghai). 
IN. — Niederlassung! 
1. Vertragsplätze und Fremdenniederlassun- 
gen in China. 
In einer bemerkenswerten Spielart erfährt 
der Gedanke der Selbst Verw für den Ausland- 
deutschen durch das RG v. 3. 6. 05 (REBl 541) 
eine Verwirklichung. Ueber den Inhalt des Ge- 
setzes, das sich an die Vorschriften für Vereine 
im Auslande und für Kolonialgesellschaften [JI 
anlehnt, ## Konsuln §& 4 II (Band II 625). Das Ge- 
setz findet weder nach dem Wortlaut noch nach 
der Absicht, wie es oft heißt, bloß auf China 
Anwendung, etwa wie bereits in andern Fällen 
eine auf China beschränkte oder erstreckte deutsche 
Gesetzgebung besteht (R v. 23. 12. 11 über die 
Ausgabe. kleiner Aktien, kais. V v. 1. 3. 00 über die 
Reichsflagge für Schiffe auf dem Sikiang, Jang- 
tsekiang und Perho). 
I. Allerdings ist der Anlaß zu der gesetzlichen 
Regelung in den eigentümlich entwickelten Verhält- 
nissen Chinas zu suchen, wo nur bestimmte Städte 
dem auswärtigen Handel durch internationale 
Verträge geöffnet sind. Ursprünglich waren 
es nur Hafenplätze (Treaty ports). Epochemachend 
hierfür ist der Vertrag Chinas mit England zu 
Nanking v. 29. 8. 42 (Abschluß des Opiumkrieges)y, 
durch den Kanton, Amoy, Futschau, Ningpo und 
Schanghai eröffnet wurden. Weitere Etappen 
waren der Friede zu Tientsin (England, Frank- 
reich) von 1861, die sog. Tschifukonvention (Eng- 
land) von 1876 (vgl. auch unten §& 3 Z. 3), der 
Vertrag zu Tientsin (Frankreich) von 1889, der 
Friede zu Schimonoseki (Japan) 1895 und die 
damit im Zusammenhange stehenden politischen 
Ereignisse, der Boxeraufstand (1900), der Ueber- 
gang zur republikanischen Verfassung (1912). Da- 
durch sind in größerer Zahl Ortschaften dem aus- 
wärtigen Verkehre erschlossen worden. 1896 
waren es z. B. 28, heute zählt man gegen 80. 
Die Verschlossenheit wird der Eisenbahn weichen. 
Nicht immer geschah die Eröffnung durch Vertrag; 
mehrfach, und namentlich in der neueren Zeit, 
auch durch einseitige Erkiärung (gelegentlich um 
einer Besetzung des Ortes durch eine fremde Macht 
zuvorzukommen). Den Küstenplätzen reihten sich 
schon seit 1861 Binnenplätze (z. B. Hankau) an; 
seit den 90er Jahren besonders an der Grenze 
gegen Tibet und Indochina, in der letzten Zeit 
in der Mandschurei und nach der Mongolei. Die 
allgemeine Bezcichnung blieb jedoch treaty ports 
(sie ist unter Umständen also in ihren beiden 
Bestandteilen nicht zutreffend). 
Seit dem Taipingaufstand (Schanghai 1853) 
wurde für den Warenverkehr zwischen den Ver- 
tragshäfen unler Zuziehung von Europäern eine
	        
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