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Sittenpolizei
ehen, so ist in dieser Rücksicht noch eine besondere
rlaubnis erforderlich (StG B 5 360 Ziff. 14).
Ueber die Wetten bei öffentlich veranstalteten
Pferderennen ist in gleichem Sinne das R v.
4. 7. 05 ergangen. Das „Buchmachen“ ist ver-
boten, der „Totalisator“ zugelassen mit hohen
Stempelgebühren und mit der Bedingung, daß
die Einnahmen zum Besten der Landespferdezucht
verwendet werden.
Eine Spielveranstaltung liegt auch in der Aus-
gabe von Inhaberpapieren mit Prä-
mien; sie erleichtert die Unterbringung von
Anleihen. Durch R# v. 8. 6. 71 ist die Ermäch-
tigung dazu dem Reichsgesetz vorbehalten. Meh-
rere Bundesstaaten betreiben noch das gewinn-
reiche Gewerbe der Staatslotterie; da-
mit verbinden sie dann das Verbot des Spie-
lens in auswärtigen Lotterien.
Diese Maßregel wird aber richtiger nicht in das
Gebiet der S., sondern in das der Finanzbefehle
und Finanzstrafen gerechnet.
Die Bestimmung der St P # 104, welche
Haussuchungen jederzeit zuläßt in Räumen, die
als Schlupfwinkel des Glücksspiels bekannt sind,
bezieht sich nur auf verbotene Gläcksspiele.
3. Von sonstigen Sittenwidrigkeiten kommen vor
allem die Verletzungen des geschlecht-
lichen Anstandes in Betracht, die das
RWG v. 25. 6. O0 mit der neuen Fassung des St GB
6184 treffen wollte: unzüchtige Schriften, Ab-
bildungen, Darstellungen, Gegenstände, Ankün-
digungen, welche öffentlich gemacht oder jugend-
lichen Personen angeboten werden. Wenn das
Gesetz in dem neuen 184 a auch gegen solche
Schriften usw. vorgeht, „welche ohne unzüchtig zu
sein, das Schamgefühl gröblich verletzten“, so
berührt es damit ein bisher noch wenig gepflegtes
Gebiet der S., das nicht ohne Schwierigkeiten ist.
4. Eine Spezialbestimmung sittenpolizeilicher Art
enthält noch St GB x 360 Ziff. 13, die Tier-
quälerei betreffend.
5. Für alles übrige dient die Vorschrift des 5360
Ziff. 11 StB mit dem bekannten Begriffe des
„groben Unfuges“. Das richterliche Amt
hat dadurch in Deutschland eine ganz außer-
ordentliche, anderswo kaum wieder zu findende
Gewalt bekommen, um seine Auffassung von
guter Sitte auf allen Gebieten des öffentlichen und
privaten Lebens, die ja wesentlich die Staatsauffas-
sung des juristisch gebildeten Berufsbeamtentums
sein wird, zwangsweise zur Geltung zu bringen.
& 4. Polizei der öffentlichen Vergnügungen.
I. In unserem Volksleben spielen gewisse Ver-
anstaltungen eine große Rolle, die der öffentlichen
Vergnügung gewidmet sind. Ohne geradezu
sittengefährlich zu sein, bieten sie doch eine nahe-
liegende Möglichkeit des Mißbruauchs in dieser
Richtung und werden deshalb besonderen Ueber-
wachungsmaßregeln unterworfen, welche ihrem
Zwecke nach zur S., ihrem Gegenstande nach
meist zur Gewerbepolizei gehören.
1. Die wichtigsten Unternehmungen dieser Art
sind die Gast= und Schankwirtschaf-
ten [(#l. Die Errichtung oder Uebernahme einer
solchen bedarf der PolErlaubnis (mißbräuchlich
sehr oft als Wirtschaftskonzession bezeichnet), und
diese ist zu versagen, wenn von dem Nachsuchenden
ein Mißbrauch zur Förderung der Völlerei, des
Spiels oder der Unzucht zu besorgen ist (Gew-O
33). Die erteilte Erlaubnis kann zurückgenom-
men werden, wenn sich nachträglich ein derartiger
Mißbrauch herausstellt. — Ueber die Verwendung
der Wirte zur Durchführung sittenpolizeilicher
Maßregeln gegen Dritte vgl. oben § 3. Die Fest-
setzung einer Polizeistundelss, mit welcher
täglich der Betrieb der Wirtschaft einzustellen ist,
dient zugleich der öffentlichen Ruhe und der guten
Sitte; der Wirt ist wieder verpflichtet die ver-
weilenden Gäste zu mahnen und dadurch eine
Voraussetzung ihrer Strafbarkeit zu begründen
(StGB F+ 365). — Für Wirtschaften mit weib-
licher Bedienung können besondere sittenpolizei-
liche Vorschriften ergehen, betreffend den Ver-
kehr mit den Gästen, wie auch die Fürsorge für
geeignete Beherbergung. «
2. Einer PolErlaubnis bedarf nach GewO 8 32
der Schauspielunternehmer; sie ist
zu versagen, wenn der Nachsuchende die erforder-
liche Zuverlässigkeit in sittlicher, artistischer und
finanzieller Hinsicht nicht besitzt. Auch die For-
derung artistischer und finanzieller Garantien ist
wesentlich sittenpolizeilicher Natur: das Unterneh-
men ist geneigt, sittengefährlich zu werden, sobald
es nicht imstande ist, sich auf einer gewissen Höhe
zu halten (J Theater!.
Wer in seinen Räumen Vorführungen
veranstaltet ohne höheres Interesse
der Kunst oder Wissenschaft, bedarf
nach GewO # 33 a ebenfalls der Erlaubnis, die
versagt wird, wenn gegründeter Verdacht vor-
liegt, daß die Veranstaltungen den guten Sitten
zuwiderlaufen könnten; wegen Verfehlungen in
dieser Hinsicht kann auch die erteilte Erlaubnis
zurückgenommen werden. —
Gegenüber beiden Arten von Darstellungen
besteht noch die Einrichtung der Zensur wegen
der einzelnen zum Vortrag kommenden Stücke.
Sie gründet sich teils auf die allgemeinen Er-
mächtigungen der PolGewalt, teils auf ältere
Ordnungen besonderer Art, und hat neben anderen
Zwecken auch die Wahrung der öffentlichen Sitt-
lichkeit zum Zweck. Dabei kann es nicht fehlen,
daß zuweilen ähnliches Mißgeschick zum Vorschein
kommt, wie seinerzeit die alte Preßzensur sich
nachsagen lassen mußte.
3. Die Polizei der öffentlichen Tanzbelusti-
gungen /[ist ganz dem Landesrecht überlassen
(GewO § 33c). Meist wird polizeiliche Erlaubnis
zur Veranstaltung einer solchen gefordert. So-
fern die Erteilung von freiem Ermessen abhängt,
können dabei die näheren Bedingungen, nament-
lich in bezug auf Ort und Dauer der Lustbarkeit
festgesetzt werden. —
II. Die Oeffentlichkeit aller dieser Unterneh-
mungen, d.h. die Zugänglichkeit ihrer Benutzung für
jedermann, der die allgemeinen Bedingungen des
Unternehmens erfüllt, bringt es mit sich, daß
auch die Räume, in welchen sie stattfinden, poli-
zeioffen sind. Dadurch wird eine genügende
Ueberwachung ermöglicht, um größeren Sitten-
widrigkeiten mit den Mitteln des Strafrechts oder
besonders vorbehaltener PolBefugnisse rechtzeitig
entgegentreten zu können.
Literatur: E. Löning in Schönberg 2, 627 ff;
G. Meyer 1, 267 ff; Leuthold in R. Art. Lust-
barkeiten, Polizeistunde, Theaterpolizei; Wolzendorff,
Polizei und Prostitution, 1911. O. Maver.