Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
  
Sonntagsruhe 
  
teiligung Deutschlands an der Bekämpfung des Sklaven- 
handels (Würzb. Diss.), 1907; v. Martit, Das interna- 
tionale System zur Unterdrückung des afrikan. Sklavenhan- 
dels, im Arch OeffK 1, 1885, 3 f; Queneuil in Revue 
générale de droit Iintern. public 15, 1908, 131 ff; Scher- 
ling, Die Bekämpfung von Sklavenraub und Sklaven- 
handel (Strafr. Abh. H. 8), 1897. Frenudenthal. 
Sonntagsruhe 
(Conntagsfeier) 
5 1. Aeltere Entwicklung. # 2. Neuzeit. 1 3. Inhalt der 
gesetzlichen Vorschriften. # 4. Strafrechtlicher Schutz. 
& 1. Aeltere Entwicklung. Unseren heidnischen 
Vorfahren und dem klassischen Altertum war ein 
regelmäßig wiederkehrender Feiertag fremd. 
Die Sitte des Ruhetags stammt aus dem 
Judentum. Die mosaische Gesetzgebung machte 
die Feier zum strengen Gebote (4. Mose 15, 
32—36). Christus predigte freiere Auslegung 
(Matth. 12, 1—8); bald nach ihm wurde der 
Sabbat durch den ersten Tag der Woche als 
„Tag des Herrn“ (Offb. Joh. 1, 10) ersetzt, 
und im wesentlichen gründete sich die SRuhe 
der christlichen Völker auf das religiöse Gebot, 
durch das die „Woche“ und der Ruhetag, mögen 
sie auch am Euphrat aus Bedürfnissen des täg- 
lichen Lebens geschaffen sein, ins Abendland 
kamen. Sobald das Christentum Staatsreligion 
wurde, erließ Konstantin am 7. 3. 321 das erste 
SGesetz (c. 3 Cod III 12, vgl. dazu c. 11 cod. 
v. 13. 12. 469). In den folgenden Jahrhunderten 
machte sich eine noch strengere Auffassung gel- 
tend (bes. unter den Karolingern), die erst Ende 
des Mittelalters durch die Zunahme der Heiligen- 
feste gemildert wurde. Die Lösung von der Herr- 
schaft der Kirche brachte auch die Befreiung des S 
aus der rein kirchlichen Begründung. Nicht 
allein um des Seelenheils, auch um „unseres 
Leibes willen“ empfiehlt Luther die Suhe 
und besonders Zwingli bringt eine den modernsten 
sozialen Staatsbegriff vorwegnehmende Anschau- 
ung in diese Frage. Schärfer betont Calvin die 
SHeiligung und ebnet den Boden für die eng- 
lische Gesetzgebung. Die Lords Day act von 1680 
gilt zum teil bis auf den heutigen Tag. Die große 
französische Revolution war dann insofern der 
SGesetzgebung für die moderne Welt günstig, 
als sie die Tatsache des eigenen weltlichen Rechts 
des Staats auf diesem Gebiete schuf, wenn auch 
die Proklamierung des 10. Tages als Ruhetag an 
gemütlichen Imponderabilien scheiterte. 
Was „allgemeiner Feiertag“ (z. B. im Sinne 
der Prozeßordnungen 3P 222, St PO 93)sei, be- 
stimmt sich nach den unten (Quellen) angeführten 
Lanudesgesetzen. Außer dem Sonntag sind in 
Deutschland anerkannt der erste und zweite Weih- 
nachtstag, der 2. Oster= und Pfingstlag, Neujahr, 
Himmelfahrt. Ueber die Karfreitagsfrage und 
sonstiges s. Kirchenheim, Kirch R. 2. Aufl. S. 73. 
5 2. Neuzeit. Die Verweltlichung der Ruhetags- 
ordnung wurde aber auch durch die Entwicklung des 
Verkehrs und Fabrikbetriebs gefördert. So hat sich 
auch hier eine Scheidung vollzogen: die Gesetz- 
  
– 
gebung über Sonntagsruhe ging auf den 
Staat über, die Sonntagsheiligung ist 
Sache der Sitte und der Kirche — der Staat ist 
dort ordnendes und regelndes Organ, hier aber 
hat er die Pflicht, die religiöse Bestimmung der 
SRuhe gegen beeinträchtigende Störungen zu 
schützen. Besonders seit der Mitte des 19. Jahr- 
hunderts begann man neben der religiösen die 
soziale Seite zu betonen und den Ruhetag als 
Bedingung hochgespannter Arbeitsfähigkeit, d. h. 
als Produktionsmittel zu erkennen. Die techni- 
schen Gründe für Skrbeit (Fortführung der 
Erhitzungsprozesse, Konkurrenz des Auslands 
usw.) wurden widerlegt, die Großstaaten (Preu- 
ßen, Bayern, Württemberg) erneuten und er- 
ließen zahlreiche Verordnungen. Aus einem 1861 
in Genf gegründeten Verein ging 1876 der In- 
ternationale Bund für SFeier hervor, der groß- 
artiges gewirkt und die Gesetzgebung der euro- 
päischen Staaten stark beeinflußt hat. 
In Deutschland wurde seitens der einzelstaat- 
lichen Gesetzgebung der eine oder andere Erwerbs- 
zweig bedacht (so in Baden 1850 Kanzlei= und 
Postpersonal). Im ganzen geschah wenig. Noch 
in die Gewerbeordnung 1869 wurde nur der 
selbstverständliche 9§ 105 ausgenommen, daß 
niemand zur Srbeit verpflichtet sei, vorbehaltlich 
anderweitiger Vereinbarung in Dringlichkeits- 
fällen. Konservative und sozialdemokratische An- 
träge, die mehr verlangten, wurden abgelehnt. 
Einer „Umfrage" über Frauen= und Kinderarbeit 
1874 und „Erhebungen“" über Srbeit der Lehr- 
linge 1875 folgte die Novelle (jetziger § 105 a 
Abs 1 GewO) mit geringfügigen Abänderungen. 
1882—84 erfolgten neue Vorstöße seitens des 
Zentrums und anderer Parteien betr. Post- 
bestellung, später auch betr. Handlungsgehilfen 
usw. (zuerst Drucks. des RT 1884/5 Nr. 374), 
die wieder „Erhebungen“ veranlaßten: sie sind in 
einem dreibändigen Generalbericht (1887) nieder- 
gelegt. Erst am 6. 5.0, kurz vor Bismarcks Sturz, 
ging dem RIT der Entw des Sesetzes zu, das 
als §#§ 105 a—i am 1. 6. 91 der Gew O eingereiht 
wurde. Seitdem sind Fortschritte nicht zu ver- 
zeichnen. Nach langem Drängen schließlich, nach 
dem XII. intern. SKongreß in Frankfurt a. M., 
erschien im November 1907 ein Entwurf, der im 
allgemeinen befriedigen konnte. Unkontrollierbare 
Einflüsse haben 1911 zu einem neuen unzuläng- 
lichen Vorentwurf geführt, der bloß auf Umwegen 
durch Vermittlung der sächsischen Regierung be- 
kannt wurde. Seitdem „schweben Erwägungen" 2). 
+ 3. Inhalt der gesetzlichen Borschriften. 
Die gegenwärtig geltenden Bestimmungen ((. 
unten „Qucllen“) sind zum teil reichs-, zum teil 
landesrechtlich, letztere in vielen Verordnungen 
verstreut. Angeordnet ist die Ruhe von gericht- 
lichen Geschäften, Zustellungen, Terminen, Wech- 
selförmlichkeiten usw., Ruhe im Handel (Lade- 
und Löschzeit), Ruhezeit im Güterverkehr, der 
Postbeamten usw. Die in besonderen landes- 
herrlichen oder polizeilichen Verordnungen ent- 
  
  
1) Sic haben sich aber inzwischen zu einem Gesetzent- 
wurfe verdichtet, der (Ansang 1914) dem Reichstage vor- 
gelegt worden ist, und zwar diesesmal nicht im Rahmen 
der Gewerbeordnung (als Novelle), vielmehr als besonderes 
Gesetz, um auch Geschäftszweige zu treffen, auf die die 
Gewerbeordnung keine Anwendung findet. (D. O.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.