A. Der Staat
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St. ihre Dienste nicht versagt hat und namentlich
für die Einsetzung und Erhaltung von Dynastien
sich oftmals als brauchbar erwies.
Durch die Verbindung der Herrschaft mit be-
stimmten Personen ist der Staat, von seiner ab-
strakten Höhe ins wirkliche Leben sich niederlassend,
mit allen Schicksalen und Fährnissen des Mensch-
lichen ewig verquickt. Es erhöht und sichert sich
diese Verbindung dadurch, daß sie zum tatsäch-
lichen Besitz den Titel des Rechtes durch die Ver-
fassung beigelegt erhält. Ist diese juristische Taufe
der Herrschaft einmal erfolgt, so gibt es eine recht-
mäßige St. Gewalt, der zur Beseitigung jeglichen
Widerstandes Mittel des Rechtes in reicher Fülle
und allseitiger Wirksamkeit zur Verfügung stehen.
Wohl ist es möglich, daß trotz der rechtlichen
Sicherung, welche die Herrschaft in ihrer persön-
lichen Verbindung mit bestimmten Personen er-
fährt, Gründe, die in der Person oder Sache ge-
legen sein können, zu Anfechtungen und sogar
zum Kampfe führen. Auch der Herrscher unter-
liegt den Gesetzen des Lebens. Es kann die Autori-
tät sich von der Herrschaft trennen. Umbildungen
des Staates, Aenderungen der Verfassung und
Revolutionen finden statt und nicht immer be-
weist das Recht die von ihm erwartete erhaltende
Kraft. Der Staat kann solche Krisen überdauern,
sie können aber auch zu seinem Untergange führen.
Die aus der Zugehörigkeit des Herrschers und
der Untertanen zum selben Personenverband St.
durch die Verfassung geordnete Begziehung zwi-
schen Herrscher und Untertanen ist eine Bezie-
hung des Rechtes und bildet den Hauptgegen-
stand des Staatsrechtes. Die Analoga aus dem
bürgerlichen Rechte (Familie, Verein, Gesellschaft,
Vertrag) sind durchweg nicht ausreichend, um
dieses Verhältnis zu erklären.
IV. Noch ein anderes Merkmal ist dem Personen-
verband St. eigentümlich. Die Menschen, die ihm
zugehören, sind die Menschen eines Landes. Der
St. hat räumlichen Boden, die Herr-
schaft Gebiet. Ist auch die Vorstellung eines sicht-
baren Aufbaues des Staates über einem bestimm-
ten Teil Erde naiv und wenig belehrend, so ist
sie doch nicht unrichtiger als die andere Vorstellung,
wonach der St. das rechtlich geeinte Volk sei. Es
ist ebenso unzutreffend, daß die Herrschaft in
ihren Wirkungen an den Landesgrenzen endigt,
wie es irrig ist, die Volkseinheit mit der St. Einheit
zu verwechseln. Wohl spielt sich die Herrschaft
wesentlich auf ihrem Gebiete ab und liegt in jedem
rassigen Volk das Streben, sich ausschließend
„seinen“ St. zu schaffen und alles Rassefremde
abzustoßen, wohl liegt in der Stammes= und Ge-
schlechtsgeemeinschaft eine mächtige, für die Bil-
dung und Erhaltung des St. brauchbare Kraft,
aber die Einheit des St. ist doch nicht gleich der
auf einem Gebiet ausschließend versammelten
und seßhaften Volksgemeinschaft. Die
im Kampf mit ihrem Rassebewußtsein sich voll-
ziehende Bewegung und Mischung der Völker
ist eine Tatsache, die auch der St. nicht ignorieren
kann und die für seinen Begriff bestimmend ist.
1. Das Gebiet ist Objekt und Schranke der
Herrschaft und räumliches Merkmal
der Ausdehnung des Personenverbandes
St. im rechtlich bestimmten Sinn. Solange die
Tatsache der Staaten--Vielheit besteht, ist der
Welt St. als eine die ganze bewohnbare Erde
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samt ihrem technisch durchgreifbaren Inneren
und ihrem benutzbaren Luftraum umspannende,
mit menschlichem Rechtswillen beherrschte Einheit
ein Ideall ] Staatsromane . Mit dem St. Begriff,
der aus der Erfahrung zu bilden ist, steht dieses
Ideal wie jedes andere im bewußten Widerspruch.
Objekt derHerrschaft ist das Gebiet, insofern
es nur durch die Herrschaft für den St. erworben
werden kann und indem auch nur sie Gebiet ab-
treten kann und das dem St. verlorene Gebiet
auch für die Herrschaft verloren ist. Dagegen ist
das Gebiet nicht Eigentum, und zwar weder
im Sinn des bürgerlichen noch des öffentlichen Ver-
mögensrechtes. Es ist Sache im Rechtssinn so
wenig wie die Herrschaft selbst. Der St. kann
Landeigentümer im Auslande und Inlande sein,
ohne daß dadurch das Gebietsrecht irgendwie be-
rührt würde. Räumliches Merkmal der
Ausdehnung ist das Gebiet, insofern der St.
alle auf seinem Gebiet wohnenden oder sich
aufhaltenden Personen und alle darauf befind-
lichen Sachen mit seiner Herrschaft umfaßt (sog.
Gebietshoheit). Die Personen des Gebiets sind
seine Untertanen. Die Herrschaft anderer St.
ist über sie wie über die Gebietssachen der Regel
nach ausgeschlossen. Die Regel besteht, solange
und soweit nicht die Herrschaft selbst Ausnahmen
festsetzt ( Staatsdienstbarkeiten].
2. Die Herrschaft des St. kann sich auch über
sein Gebiet hinaus erstrecken, und zwar in drei
verschiedenen Formen: durch St. Angehörigkeit,
einzelne Gebietsrechte und durch St. Verbindung.
Die Staatsangehörigkeit I ist ein enge-
res Verhältnis der Mitgliedschaft als die Unter-
tanschaft und erhält sich auch, wenn der Staatsange-
hörige sich im Auslande aufhält; sie bewirkt, daß
Pflichten und Rechte gegenüber dem St. dem
Angehörigen auch ins Ausland folgen und daß
nach Grundsätzen des internationalen Rechtes auf
ihn heimisches Recht auch im Auslande anzu-
wenden ist.
Einzelne Gebietsrechte gewährt das Völ-
kerrecht teils nach Gewohnheit, teils nach Verträgen,
teils auf Grund besonderer St. Akte der Herrschaft
des einen St. im fremden St. Es gehören dahin im
weitesten Sinn die Amtsfunktionen der Gesandt-
schaften (] und Konsulate ([/|] im Auslande und
alle Protektorate und protektoratsähnlichen Rechte.
Durch St. Verträge ([/1 entsteht stets eine Wirk-
samkeit der Herrschaft über ihr räumliches Gebiet
hinaus, indem wechselseitige Bindungen der Herr-
schaft Schranken setzen zugunsten einer fremden
Herrschaft.
3. Staaten verbindungen (unten 83) als
dauernde Einrichtungen bewirken, daß, was sonst
eine Herrschaft allein und nur in ihrem Gebiete
bestimmend tun könnte, nunmehr gemeinsam
angeordnet oder sogar auch ausgeführt wird.
Wir fanden in dem vorangestellten Staats-
begriff als die Elemente der Vereini-
gung: Herrschaft, Untertanschaft,
Verfassung und Gebiet.
V. Als fünften Elementes des St. Begriffes
ist noch des Staatszweckes zu gedenken.
Hier begegnet eine verbreitete Ansicht, welche
dahin geht, daß in eine Bestimmung des St. Begrif-
fes vom Standpunkte des Rechtes der Zweck der
Vereinigung nicht hereingehöre. Als Gründe die-
ser Ansicht werden vor anderem die beiden ange-