det sich im unmittelbaren Verkehr der auswärtigen
Vertretungen eine Routine der Biegsamkeit und
Loyalität; wohl ist in Friedenszeiten ein Streben
der wechselseitigen Förderung von Staat zu Staat
in zunehmendem Maße erkennbar, auch bedient
sich die Herrschaft im auswärtigen Verkehre für
die Regel ihrer gewinnendsten Formen; aber der
Zustand des Friedens selbst ist nur ein bedingter
und durch keine Gebote und Mittel des Rechtes
absolut garantierter. Die Entschließung, den
Frieden zu brechen, ist nach dem formalen Rechte
jedes St. frei, wenn die äußerste Not die Abbre-
chung durch die Tat gebietet. Der Krieg ist trotz
aller Einschränkungen, welche das Völkerrecht den
Formen seines Beginns, der Führung und den
Mitteln, der Ausdehnung und Beendigung setzt,
die wirksamste und überzeugendste tatsächliche
Kundgebung des St. Willens nach Außen und die
derbste Form der internationalen Verständigung
außerhalb der Rechtsordnung.
Es gehen von der Machtpolitik außer den un-
mittelbaren Maßnahmen der Sicherung auch noch
andere Motive aus. Gesundheit, Wehrkraft, va-
terländischer Sinn und Anderes wird gepflegt. Al-
les jedoch mit dem offenbaren Zweck der Erhal-
tung und Stärkung, Sicherung und Vergrößerung
der im Staate gegebenen Verbandseinheit.
2. Ein zweites, wesenbestimmendes Motiv des
St. ist seine Wirtschaftspolitik. In demselben
Maß, in welchem der St. durch seine Machtpolitik
alles Gewaltsame vom Leben der einzelnen ablöst
und monopolisiert, macht er Kräfte des wirtschaft-
lichen Erwerbes frei. Hervorbringung, Austausch
und Verarbeitung der Güter ist nicht in erster Linie
Aufgabe des St. Die Entwicklung der Weltwirt-
schaft ist im wesentlichen ohne Zutun des St.,
nicht selten sogar gegen seine Politik erfolgt.
Der St. greift nur da und dort regulierend, för-
dernd, hemmend, vorwiegend aber schützend ein,
bald beherrscht von der Absicht, seinen Angehöri-
gen überhaupt Vorteile in der Weltwirtschaft zu
sichern, bald bestrebt, ausgleichend auf die Er-
folge der Einzelwirtschaft zwischen Reich und Arm
zu wirken und der Armut und Erwerbsunfähig-
keit Sicherung des Daseins zu bieten. So ver-
bindet sich die Sozialpolitik mit der Wirt-
schaftspolitik.
3. Macht und Wirtschaft stehen in un-
lösbarer Verbindung unter sich, obgleich sie
im Grunde verschiedene Elemente sind. Auch
das wirtschaftliche Leben bringt eine Macht-
form hervor, die derjenigen des Militärs und
der Polizei in vielem bis aufs Haar gleicht.
Diese Machtform ist das Kapital, d. i. die
in einem einheitlichen Erwerbswillen zusammen-
gefaßten und nach einheitlicher Ordnung ver-
wendbare Masse materieller Güter. Kapital ist
der große Arbeitgeber. Ein solcher ist auch der
St. und wenn er die höchste Gewalt behaupten
will, muß er auch der größte Arbeitgeber sein.
Doch hat das Kapital die in seiner Aufgabe be-
gründete und den Interessen der Weltwirtschaft
sich anpassende Neigung, dem St. sich zu ent-
ziehen. Es will sich lieber von ihm schützen als
leiten lassen. Und umgekehrt ist der St. von dem
vollen Verständnis für die rein kapitalistischen In-
teressen vielfach durch die Ziele der Steuer= und
Sozialpolitik und nicht selten auch durch andere
Rücksichten abgelenkt. St. und Kapital stoßen sich
A. Der Staat
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ab und ziehen sich wieder an je nach den Um-
ständen. Die nächste Beziehung zwischen beiden
findet sich in der Aristokratie, wo der Besitz un-
mittelbaren Anteil an der Herrschaft gewährt.
So stark ist das Element der Macht dem St.
durch die Geschichte eingewachsen, daß er selbst
in seiner Wirtschaftspolitik weit mehr sein Macht-
interesse als das unmittelbar wirtschaftliche In-
teresse von Handel, Industrie, Gewerbe und Ver-
kehr im Auge zu haben pflegt. Es ist aber auch
andererseits kein Zweifel, daß gerade der Schutz
der wirtschaftlichen Interessen einen be-
sonders großen Aufwand von reinen Machtmitteln
erheischt. Dabei spielt dann die Technik die wunder-
same Rolle, daß sie all ihre für wirtschaftliche
Zwecke verwendbaren Kraftmittel in erster Linie
dem St. für seine Machtinteressen zur Verfügung
zu stellen hat. Macht und Wirtschaft machen den
weitaus größten Teil der staatlichen Arbeit aus.
Dort ist er der allein bestimmende Wille, hier
findet er einen Konkurrenten, mit dem er sich da-
durch abfindet, daß er für das, was er an Steuern
empfängt und aus dem Wohlstande gewinnt, den
Schutz übernimmt. Er ist im reinen Machtleben
der ausschließlich gebende, im wirtschaftlichen
Leben der vorwiegend empfangende Teil.
III. Eine andere Welt sind Religion und Kultur.
In noch höherem Maße als im wirtschaftlichen Le-
ben ist hier der St. der Empfangende. Nur sehr
bedingt treffen die Anmaßungen zu, die sich dahin
äußern: Macht ist Kultur, Wirtschaft ist Kultur.
Hier ist es geboten, Abstände zu halten. Eher
trifft nämlich das Umgekehrte das Richtige.
Religion und Kultur sind selbständige weltge-
schichtliche Mächte, die ihr Dasein nie und nir-
gends zuerst dem St. oder der Wirtschaft ver-
danken. Sie bedeuten eine Erhöhung des Ge-
samtniveaus des Lebens durch geistige Mittel
und haben sich diese besondere Aufgabe selbständig
und zumeist im Kampfe mit dem St. gestellt.
Das mittelmäßige geistige Wesen des St. und der
gesicherte Stand seiner Herrschaft bringen von
selbst eine gewisse Gleichgültigkeit, wenn nicht
gar Argwohn gegenüber allem, was geistig hoch-
steht, hervor. Daher sind die um die Menschheit
verdientesten Geister nicht selten die Verfolgten,
fast immer die Unterschätzten gewesen. Und doch
sind sie die nicht offiziellen Herrscher der Mensch-
heit, indem sie dem Leben durch ihr Verhalten
in Leid und Not oder durch die Größe ihrer Ge-
danken, Entdeckungen und Erfindungen die gro-
ßen Richtlinien und Zielpunkte gesetzt haben.
Ihnen gegenüber hatte der St. immer eine
grobe Hand. Kluge Herrscher ehren sich selbst,
indem sie etwas vom Ruhm dieser Führer auf
sich lenken. Im ganzen gedeihen Religion und
Kultur unter dem allgemeinen Schutz und etwas
abseits von den Zentren des St. am besten
und der St. empfängt in allen seinen Glie-
dern bei solchem Abstand von Religion und
Kultur alles, was er aufzunehmen fähig ist. Daß
ein Teil der Kultur der Gesamtheit nur auf dem
Umweg über den St. zugänglich ist, lehrt die Mühe,
die dieser sich mit Schule, Erziehung und Bildung
des Volkes gibt, wobei er indes sein Macht-
interesse nicht zu vergessen pflegt und auch nicht
vergessen darf. Daß der Staat zu Zeiten der
Religion und Kultur sein herrschaftliches Ge-
präge mit Erfolg gegeben hat, ist nicht zu über-