Staatsanwaltschaft
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s. oben 2 a. E.) oder ob öffentliche Klage zu erheben
sei als Antrag auf Voruntersuchung in schweren
Fällen oder Anklage zum Hauptverfahren oder
Antrag auf Strafbefehl, StpO & 447. Nach
Voruntersuchung kann das Gericht die Anklage
der St. auftragen, sie aber nicht erzwingen!
StPO 8 206.
o) Mitwirkung in der Hauptverhand-
lung, in welcher der an sich notwendig anwesende
Beamte der St. stark hinter dem Vorsitzenden
zurücktritt. Am Schluß plaidiert er zuerst und darf
einmal der Verteidigung antworten.
d4) Vertretung der Polizei oder Verw Behörde
beim Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen
eine Strafverfügung oder einen Strafbescheid,
St PO 88 466, 462.
e) Alle Rechtsmittel stehen der St. wie
dem Beschuldigten zu, &§ 338, 405, aber bei
Nichtschuldig im Geschworenenspruch nur be-
schränkt, St PO s 379.
k) Jede Privatklage kann die St. über-
nehmen, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt.
St PO fl 416.
8) Antrag auf Einziehung u. dgl. im objektiven
Verfahren, StPO 8 477.
IV. Sonstige strafprozessuale Aufgaben:
a) Strafvollstreckung nach französi-
schem Vorbild, St PO 8 483, nicht durch Amts-
anwälte.
b) Mitwirkung bei der Auswahl der Schöffen
und Geschworenen, GVG §8 52, 53, 56, 91, 96.
c) Aeußerung (nicht notwendig Antrag) bei
Entscheidungen außerhalb der Hauptverhand-
lung, St PO l 33.
d) Besorgungen von Ladungen, Zustel-
lungen, Beweismaterial als Ge-
Fichtsgehilfin, — höchst überflüssig! St PO §FP 36,
13.
e)Bearbeitung der Begnadigungs-
gesuche [ und Anträge auf bedingten Straf-
aufschub, landesrechtlich.
t) Vermittlung des Antrags auf Entschädi-
gung bei unschuldig erlittener Straf= oder Un-
tersuchungshaft, Entschädigungse 1898 5 5,
1904 & 6
8) Aufsicht über die Strafregister (NII
nach Bundesrats V v. 16. 6. 82 + 1, — Führung
derselben nach Landesrecht überall, außer in
Sachsen, Württemberg, Baden, Elsaß-Lothringen
(RZl 1882, 447).
7. Aufgaben außer dem Strafprozeß.
1. Vielfach hat die St. auch die Verwaltung
der Amts= und Landgerichtsgefängnisse,
so in Preußen, Bayern, Hessen [UGefängnis-
wesenl.
2. Mitwirkung im Disziplinar verfahren
nach Rechtsanwalts O 5§ 66, 69, 74, 92 (St. OL#
oder R). Ebenso nach GewG 521, KausmG
5 15 bei Entsetzung von Mitgliedern dieser Sonder-
gerichte. Nach Reichsbeamtengesetz Fassung v.
18. 5. 07 é 85 ernennt die oberste Reichsbehörde
den Beamten, der bei Disziplinarsachen die Ver-
richtungen der St. wahrzunehmen hat (beim
Disziplinarhof regelmäßig die Reichsanwaltschaft,
Geschäftsordnung für die Disziplinarbehörden v.
18. 4. 80 é 23). Landesrechtlich werden im
Disziplinarverfahren gegen nichtrichterliche Be-
amte die als St. auftretenden Beamten meist
besonders ernannt (s. Preußen G v. 21. 7. 52
betr. die nichtrichterlichen Beamten § 32, Würt-
temberg, Beamten G, Fassung v. 1. 8. 07 a 82,
Baden, Beamten G, Fassung v. 12. 8. 08 F h1,
Hessen, G v. 21. 4. 80 a 17). Dagegen wirkt z. B.
in Bayern die St. mit. Diese ist aber durch-
gehends die Anklagevertreterin, wenn es sich um
eine Disziplinarsache gegen Richter (NVI handelt
(Preußen, G betr. die Dienstvergehen der Richter
v. 7. 5. 51, Württemberg Beamten G a 82 Abf 2,
Hessen, Richter G v. 31. 5. 79 a 19). Das verträgt
sich schlecht mit der Unabhängigkeit der Richter
von der St., wie sie GVG FR.152 fordert.
3. Mitwirkung bei der Zwangs= (Fürsorge-)
Erziehung () Jugendlicher nach Landesrecht. Ent-
weder hat die St. ein formelles Antragsrecht oder
eine solche Pflicht (Bayern, Württemberg, Hessen),
oder nur Recht und Pflicht zur Anzeige (Preußen,
Baden).
4. Ziemlich eng begrenzte Mitwirkung im Zi-
vilprozeß zur Vertretung des öffentlichen
Interesses bei Ehesachen als Gutachter, als
Nebenintervenient und Kläger bei Nichtigkeits-
klagen, 8PO s§ 607, 632, 634; ebenso bei Kind-
schaftssachen als Gutachter, 8PO 640; bei
Entmündigung als Antragsteller 8PO s 646,
Intervenient 8PO ##652, Beschwerender 55 656,
663, 664, Beklagter § 666; bei der Anfechtungs-
klage zur Aufhebung der Todeserklärung als
Beklagter 8PO 5 974.
5 8. Im Militärstrafverfahren (## haben wir
keine St. Die Strafverfolgung besorgt der Ge-
richtsherr. Die sog. Reichsmilitäranwaltschaft
beim Reichsmilitärgericht ist zwar ähnlich der
Reichsanwaltschaft unter einem Oberreichsmilitär-
anwalt als nicht-richterliche Behörde organisiert,
untersteht aber dem Präsidenten des Reichsmilitär-
gerichts. Sie vertritt in gewisser Weise die Re-
vision des Gerichtsherrn, aber ohne eigene Ver-
fügung über die Strafverfolgung und hat sonst
eine wesentlich begutachtende Stellung (MtG#
&¾ 103—107; 85, 377, 409, 443 ff). Die Beamten
sind Reichsbeamte, abgesehen von dem bei dem
bayerischen Senat nach bayer. G v. 9. 3. 99 81,
der bayerischer Beamter ist (so schlagend Endres,
Arch OefsR 23, 273 gegen herrschende Ansicht).
&9.Beim bayrischen Verwaltungsgerichte-
hof [WM wird —ganz singulär — zur Vertretung der
öffentlichen Interessen ein Staatsanwalt aufge-
stellt, der „den beteiligten Staatsministerien“ zu
folgen hat. Er hat wesentlich Gutachterstellung in
den Verhandlungen. VG v. 8. 8. 78 a 4, 42,
Vollzugs V v. 1. 9. 79 é5 36—38. Bei anderen
Verw erichten sind diese „Vertreter des Staats-
interesses“ nicht ständig bestellt, z. B. Preuß.
LV 1883 +574.
Literatur: Handbücher des Strafprozeßrechts von
v. Holtzendorff und Glaser. Lehrbücher: Ullmann, v. Kries,
Birkmeyer, Benneke-Beling, Rosenfeld. Kommentare zur
St PO von Löwe und John.
Zu 1 2: Mittermaier: Strafverfahren", 1845;
Derselbe in Welcker und Rotteck, Staatslexikon, Bd.
XIII: Planck, Spyustemat. Darstellung des D. Straf-
prozesses, 18571 Zachariae, 9 des D. Strafpro-
zesses, 1860 fff Sundelin, St. in Deutschland, 1860;
v. Holtzendorff, Reform der St., 1864; Derselbe,
Umgestaltung der St., 1865; Keller, St. in Deutsch-
land, 1866; Hahn, Materialien zu den Reichsjustisge-
setzen 1, 141 ff: Otto, Die preußische St., 1899; El-