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Staatsfinanzen (I. Vermögen — II. Schulden)
fabriken, und die dem Staate gehörigen Aktiv-
kapitalien, wie der Staatsschatz usw. Ihre
Erträgnisse fließen unmittelbar der Staatskasse zu.
In neuerer Zeit haben die Staats (Reichs)postver-
waltung, Eisenbahnen [X] eine immer größere
Bedeutung unter den Bestandteilen des St. er-
langt. Namentlich für diese öffentlichen Verkehrs-
anstalten gilt, daß ihre Verwaltung nicht durch
ausschließlich fiskalische Zwecke beherrscht werden
darf, sondern an erster Stelle die allgemeinen
Verkehrsinteressen (bei Eisenbahnen auch strategi-
sche Rücksichten) zu wahren hat. (Daher beson-
dere Eisenbahn-, Postminister usw.)
II. Erwerb und Veräußerung des Finanz-
vermögens stehen unter den Regeln des Privat-
rechts (J Fiskusl. Für Veräußerungen gilt
aber der Grundsatz, daß durch sie das Finanzver-
mögen nicht verringert werden darf, Verschenkun-
gen sonach unzulässig sind. Eine weitere, formelle
Beschränkung des Veräußerungsrechts ist die
in allen deutschen Ländern feststehende, in den
meisten überdies verfassungsmäßig anerkannte
Notwendigkeit der Zustimmung der Volksver-
tretung [IJ Landtag]) zur Veräußerung aller
zum Finanzvermögen gehörigen Güter (bayer.
Vu Tit. VII & 18, sächs. BU § 18, württ. Vl1 5 107,
bad. VuU 5 58, hess. Vl a 10). Eine Geneh-
migung der Veräußerung durch die Volksver-
tretung ist auch da erforderlich, wo die Domänen
noch jetzt als Familienfidcikommiß im Eigentume
des Staatsoberhauptes stehen (bad. VlU. §5 58,
59). In diesen Ländern wird überdies der Konsens
der Agnaten gefordert. Auch für das Reich wird
man (mit Laband) die Notwendigkeit der Ge-
nehmigung des RT zur Veräußerung des Finanz-
vermögens annehmen müssen. In Preußen ist
dagegen die Veräußerung von Domänen nicht
an die Genehmigung der Volksvertretung gebun-
den. Die Mitwirkung des Landtags beschränkt
sich hier gemäß a 99, 103 und 104 der Vl auf
das Recht, die Einnahmen aus den Domänen-
veräußerungen und deren Verwendung durch das
Mittel des Staatshaushalts zu genehmigen (5 2
Ziff. 1 des Kompt.G).
III. Stellenweise wird eine Uebersicht über
das Staatsgut alljährlich aufgestellt und dem Land-
tag vorgelegt. (Sachsen, 3 34 G v. 1. 7. 04).
53. Das Verwaltungsvermögen. I. Das Verw-
Vermögen des Staates umfaßt die lediglich der
Verwaltung des Staates und den öffentlichen
Zwecken dienenden Staatsgüter, die an sich keine
Ertragsquellen für den Staat bilden sollen, was
nicht ausschließt, daß in beschränktem Maße Ge-
bühren, Mieten, Pachtgelder für ihre Benutzung
erhoben werden. Da für ihre Verwaltung finan-
zielle Zwecke nicht in Frage kommen oder doch nur
eine Nebenrolle spielen, so unterstehen sie meist
nicht der Finanzverwaltung, sondern der Verwal-
tung desjenigen Behördenorganismus, dessen be-
sonderen Zwecken sie gewidmet sind. Zu dem
Verw Vermögen gehören alle dieienigen Gegen-
stände, deren die verschiedenen Verw Zweige be-
dürfen, um die ihnen übertragenen Funktionen
versehen zu können. Weiter umfaßt das Verw
Vermögen auch alle dieienigen im Eigentume des
Staates stehenden Güter und Anstalten, die, ohne
Finanzquellen des Staates zu sein, der öffentlichen
Benutzung oder Förderung des Verkehrs, der
geistigen und ästhetischen Bildung gewidmet sind.
II. Erwerb und Veräußerung des Verw Ver-
mögens vollziehen sich wie die des Finanz-
vermögens nach den Regeln des Privatrechts.
Die Veräußerung bedarf der Zustim-
mung des Landtags nicht, wohl aber mehrfach
derjenigen der vorgesetzten Behörde. Anders
verhält es sich natürlich hinsichtlich derjenigen der
öffentlichen Benutzung übergebenen Güter, die
Bestandteile des landesherrlichen Hausfideikom-
misses (Hoftheater usw.) sind, also gar nicht im
Eigentume des Staates, wenn auch vielleicht in
dessen Verwaltung stehen; sie dürfen nur unter
den Formen veräußert werden, die für die Ver-
äußerungen von Gegenständen des fürstlichen
Hausfideikommisses vorgeschrieben sind.
Im Reiche ist durch R v. 25. 5. 73 55 10, 12,
zwar die Veräußerung von Verw Vermögen selbst
nicht an Genehmigung von B und R geknüpft,
doch ist die Genehmigung dieser Körperschaften zur
Verwendung des erzielten Erlöses einzuholen.
III. Diejenigen öffentlichen Sachen (JI, die
nicht im Eigentume des Staates, sondern anderer
öffentlicher Personen, wie der Gemeinden und
Kommunalverbände, oder juristischer Personen
des Privatrechts, wie der Stiftungen, Aktien-
vereine usw. stehen, sind kein Bestandteil des
Verw Vermögens des Staates. Weil sie aber
dem allgemeinen Gebrauche zu dienen bestimmt
sind, wie Gemeindewege, Privateisenbahnen und
dgl., so unterliegen sie der Gesetzgebung und in
mannigfacher Beziehung auch der Aufssicht und
Verwaltung des Staates bezw. des Reichs L(ogl.
auch Gemeindeaussichtl.
K 1 4. Statistisches. Einen zahlenmäßigen Nachweis über
das Staatsfinanzvermögen von Reich und Bundesstaaten gibt
es nicht. Der Umfang der Domänen in den Einzelstaaten
beträgt (1912) 766 609 ha (davon Preußen 439 346 ha,
Bayern 42 567 ha, Sachsen 3601 ha, Württemberg 8925 ha,
Baden 17 657 ha, Hessen 15 950 ha, die beiden Mecklen-
burg zus. ca. 113 000 ha, Elsaß-Lothringen —), der Forsten
5 082 179 ha, davon Preußen 3 021 663, Bayern 935 256,
Sachsen 180 361, Württemberg 196 280, Baden 95 693, Oes.
sen 74897, die beiden Mecklenburg ca. 151 000, Elsaß.
Lothringen 147 028 ha. Der Eisenbahnbesitz repräsentierte
1912 eine Länge von 57 515 km und ein Ankagekapital von
17484 147 Mill. Mk., woran Preußen mit 37148 km und 11050
Mill. Mk. Anlagekapital beteiligt ist. Der Rohüberschuß
betrug 3285 Mill. Mk., der Reinüberschuß 783 Mill. Mk.
Literatur: Bei Reichsvermögen (S. 285); zu den
solgenden Abschnitten und bei Steuerverwaltung.
O. Schwarz.
II. Staatsschulden
5 1. Begriff der Staatsschulden. 1 2. Arten und Formen
der Staatsschulden. I. Fundierte und schwebende Schulden.
II. Weitere Schuldarten. III. Garanticschulden. #J 3. Auf-
nahme und Begebung der Anleihen. 1 4. Zins. § 5. Til-
gung. ## 6. Mitwirkung der Organe der Gesetzgebung und
Verwaltung. # 7. Die Verwaltung und Kontrolle der
Staatsschulden. 1 8. Die fundierten Reichsschulden. 1 9.
Statistisches. n
§ 1.Begriff der Staatsschulden.
I. Der Begriff St. im weiteren Sinne
umfaßt Verwaltungsschulden und Fi-
nanzschulden.