Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
  
Staatsfinanzen (II. Staatsschulden) 
  
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von Geldschulden zur Deckung vorübergehender 
Bedürfnisse der Staatskasse gilt. Ausnahmen ent- 
hält der sog. Notstandsparagraph 89 Vu. Die 
Staatsschuld ist unter die Gewährleistung der 
Stände gestellt & 119 Vl. 
5. Baden. Nach && 57, 63 Vul dürfen 
Staatsanlehen nur mit Zustimmung des Land- 
tags ausgenommen werden. Jedoch kann die 
Regierung auch ohne Zustimmung des Landtags 
etatsmäßige Einnahmen, welche zur Bestreitung 
etatmäßiger Ausgaben dienen sollen, durch An- 
leihen antizipieren, sowie überhaupt durch die 
Amortisationskasse innerhalb ihrer organisations- 
mäßigen Verwaltung Schulden kontrahieren. End- 
lich darf die Regierung in Abwesenheit des Land- 
tags mit Zustimmung des landständischen Aus- 
schusses Anlehen aufnehmen, wenn dies durch 
unvorhergesehene dringende Ausgaben gefordert 
wird und der Betrag derselben mit den Kosten 
der außerordentlichen Berufung des Landtags 
nicht im Verhältnis stehen würde. Sie ist hierzu 
im Falle eines drohenden oder ausgebrochenen 
Krieges sogar ermächtigt, wobei dem ständischen 
Ausschusse nur eine Kontrolle der Verwendung 
des Anlehens für Kriegszwecke zusteht. Uebrigens 
muß hier nachträgliche Zustimmung des nächsten 
Landtags zur Anlehensaufnahme eingeholt werden. 
6. Hessen. a 78 Vl unterwirft die Auf- 
nahme von St. der Mitwirkung und Zustimmung 
der Landstände. Das Notanleiherecht enthält die 
Befugnis der Regierung, bei drohenden äußeren 
Gefahren und Unmöglichkeit der Einberufung des 
Landtags die nötigen Anleihen aufzunehmen, vor- 
behaltlich des späteren Nachweises der Verwen- 
dung und Verantwortlichkeit der obersten Staats- 
behörde (a 71 VU). 
7. Elsaß-Lothringen. Zur Aufnahme 
von St. ist auch hier Genehmigung der Volksver- 
tretung erforderlich. 
5é 7. Berwaltung und Kontrolle der Staats- 
schulden. Die Verwaltung der St. ist in den 
größeren deutschen Staaten (wie im Reiche & 8) 
in der Regel einer von der allgemeinen Finanz- 
verwaltung mehr oder weniger abgesonderten 
und selbständigen Behörde übertragen, welche 
wenigstens in bestimmten Befugnissen von dem 
Finanzchef unabhängig ist. In den meisten Staa- 
ten übt der Landtag durch besondere Kommissionen 
eine Kontrolle über das St. Wesen aus. 
1. In Preußen ist die „Hauptverwaltung der 
Staatsschulden“ eine besondere Behörde (Direktor 
und 3 Mitglieder), welche unter sortlaufender Auf- 
sicht der „Staatsschulden-Kommission“ (jie 3 Mit- 
glieder beider Häuser des Landtags und Präsi- 
dent der Oberrechnungskammer) steht. Letztere 
Behörde erhält von der Hauptverwaltung der St. 
die Monats- und Jahresabschlüsse und hat perio- 
dische Revisionen vorzunehmen. Beim jährlichen 
Zusammentritt des Landtags erstattet die St.= 
Kommission beiden Häusern Bericht über ihre 
Tätigkeit und die Ergebnisse der Verwaltung 
des St.Wesens. Der Hauptverwaltung sind 
untergeordnet: die St.Tilgungskasse, die Kon- 
trolle der Staatspapiere sowic des Papiergeldes 
und der Banknoten; auch das Staatsschuldbuch 
hat sie zu verwalten. Der tatsächliche Zustand des 
gesamten Schuldenwesens ist aus dem jährlich 
dem Landtage zu erstattenden Berichte der 
Kommission zu ersehen (s. Anlagen zu den St Ber 
  
  
des Abgeordnetenhauses; G betr. die Verwaltung 
des St.Wesens usw. v. 24. 2. 50; Abänderungs- 
Gv. 29. 1. 79 und 13. 2. 84). 
2. In Bayern steht an der Spitze der 
Staatsschuldenverwaltung, in Unterordnung un- 
ter dem Finanz Min, die „St. Tilgungskommis- 
sion“ als rechnungsstellende Vollzugsbehörde. Der 
St.Tilgungskommission waren bis vor kurzem un- 
tergeordnet: für die Verwaltung der allgemeinen 
Schuld die St.Tilgungskasse, für die der Eisen- 
bahnschuld die Eisenbahnbaudotationskasse, für die 
Grundablösungs= und Landeskulturrentenschuld 
die Grundrentenablösungskasse. Durch Bek v. 
17. 8. 10 (GVBl 567) sind die Geschäfte der 
Eisenbahnbaudotationskasse und die Geschäfte des 
Buchhaltungsdienstes der Grundrentenablösungs- 
kasse der Tilgungs-Hauptkasse übertragen, und 
diese hat zugleich für die Zukunft den Namen 
„Hauptkasse der St. Verwaltung“ erhalten. 
Der Landtag hat ein Recht der fortlaufenden 
Aufsicht über die Verwaltung durch gewählte Kom- 
missäre. Letztere wachen auch nach Beendigung. 
des Landtags über die genaue Einhaltung des 
gesetzlichen St. Tilgungsplanes und die Befolgung. 
aller für die Rückzahlung bestehenden Bestimmun- 
gen, mit dem Rechte der Einsichtnahme von Ver- 
handlungen, Büchern, Rechnungen usw. 
3. In Sachsen ist ein Landtagsausschuß zur 
Verwaltung der St. in Tätigkeit, der aus 6 Mit- 
gliedern dergestalt gebildet ist, daß jede Kammer je 
3 Mitglieder wählt. Zum Ressort des Finanz Min. 
gehört die allgemeine Verwaltung der St. (§ 107 
Vu; 6, die Einrichtung der St. Kasse betr., v.. 
22. 9. 34; Nachtrag v. 3. 11. 84 und Gv. 20.2. 12, 
GVBl 11). 
4. Württemberg hat die eigentümliche Ein- 
richtung, wonach die St. durch die Stände, jedoch 
unter Aufsicht der Regierung verwaltet wird. 
(§& 119—123 Vüh. Die Verwaltung der St. Kasse 
wird, solange der Landtag nicht versammelt ist, 
durch den Ausschuß, bei versammeltem Landtag. 
durch die von beiden Kammern gemeinschaftlsch 
gewählte St. Verwaltungskommission unmittelbar 
geleitet. Die näheren Vorschriften enthält das 
rev. St. Statut v. 22. 2. 37 und die Nov. v. 4. 9. 53. 
S. auch G v. 20. 12. 96 und 18. 5. 03. 
5. Iu Baden sichern die pünktliche Verzinsung. 
und Tilgung der Anlehen die über die Errichtung. 
der Amortisations= und Eisenbahnschuldentilgungs- 
kasse erlassenen G v. 31. 12. 31, 22. 6. 37 und 
10. 9. 42 (Eisenbahnschuldentilgungskasse), die- 
Oberaufsicht die Oberrechnungskammer und die 
Mitwirkung des landständischen Ausschusses bei. 
Kontrollierung des Staatsschuldenwesens. 
6. In Hessen werden nach G v. 31. 3. 97 alle- 
Verpflichtungen, welche nach der früheren Gesetz, 
gebung (s. 1. Aufl.) der St. Tilgungskasse oblagen, 
von der Hauptstaatskasse wahrgenommen. Die 
obere Leitung der St. Verwaltung steht dem 
Finanz Min zu, unter dessen Oberaufsicht die- 
Großherzogl. Schuldenverwaltung die eigentliche 
Leitung der Geschäfte wahrnimmt, die aus einem 
Mitglied des Finanz Min und 2landständischen Mit- 
gliedern besteht, und der zudem ein von den Stän- 
den zu wählender Kontrolleur zur Seite steht. 
Die zur Verzinsung und Tilgung der St. nötigen 
Mittel werden durch das Staatsbudget festgestellt, 
der Hauptstaatskasse überwiesen und dürfen zu 
anderen Staatsausgaben nicht verwendet werden.
	        
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