Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Staatsfinanzen (II. Schulden — III. Staatshaushalt) 
  
Die Hauptstaatskasse stellt über alle Einnahmen 
und Ausgaben des St. Wesens gesonderte Rech- 
nung, welche von der Oberrechnungskammer revi- 
diert und abgeschlossen und dann der nächsten 
Ständeversammlung vorgelegt wird. 
7. In Elsaß-Lothringen ist die Verwal- 
tung der Landesschulden durch G v. 19. 6. 01 
unter Oberaufsicht des Staats Min einer selbstver- 
antwortlichen Behörde, der Landesschuldenverwal- 
tung, die aus dem im Nebenamt vom Statthalter 
ernannten Vorsitzenden und zwei ebenso ernannten 
Mitgliedern besteht, übertragen worden. Zur 
Führung einer fortlaufenden Kontrolle über ihre 
Tätigkeit ist die gemäß §& 7 des G über die Staats- 
depositenverwaltung (6. 4. 93) eingesetzte Kom- 
mission unter dem Namen „Landesschuldenkom- 
mission“ bestellt. 
& 8. Die fundierten Reichsschulden. a 73 RV 
bestimmt: „In Fällen eines außerordentlichen 
Bedürfnisses kann im Wege der Reichsgesetzgebung 
die Aufnahme einer Anleihe sowie die Uebernah- 
me einer Garantie zu Lasten des Reichs erfolgen.“ 
Wie in den Einzelstaaten die Kammern, so muß bei 
Aufnahme von Reichsanleihen der Reichstag seine 
Zustimmung geben. Die Ermächtigung zur Reali- 
sierung der Anleihe erteilt dann eine kaiserliche 
Verordnung dem Reichskanzler. 
Die Genehmigung erfolgt seit 1889 durch Fi- 
nanzgesetz und Einstellung in den außerordentlichen 
Etat. Um eine zu große Schuldvermehrung zu ver- 
hindern, sind neuerdings zwischen Reichsregierung 
und RI besondere Grundsätze darüber vereinbart 
worden, welche Arten von Ausgaben der einzelnen 
Verw Zweige in den außerordentlichen Etat ge- 
stellt werden dürfen. (S. Denkschriften zum Etat 
von 1901 und 1907.) 
Zur Rückzahlung binnen bestimmter Frist besteht 
keine Verpflichtung, dem Reiche ist das Kündi- 
gungsrecht vorbehalten; Konvertierungen unter- 
liegen der Genehmigung des RT. Ueber Til- 
gung (. oben 1 5 II. 
Die Verwaltung der Reichsschulden ist 
bis zum Erlaß eines endgültigen Gesetzes der 
preußischen Hauptverwaltung der St. als „Reichs- 
schuldenverwaltung“ übertragen (BG v. 19. 6. 
68, preuß. G v. 24. 2. 50, RG v. 1. 6. 81, 19. 
3. 00 § 9). Die Kontrolle führt an Stelle der 
Staatsschuldenkommission die „Reichsschuldenkom- 
mission“ (je 6 Mitglieder des BR und R, Prä- 
sident der preuß. Oberrechnungskammer). Diese 
Kommission hat dem BR und RX— gegenüber 
analoge Pflichten, wie eine landesstaatliche. 
Neuerdings ist eine besondere Reichsschulden- 
ordnung unterm 19. 3. 00 nebst Nov. von 1904 
ergangen, nach welcher für die Reichsschuldenver- 
waltung im allgemeinen die Vorschriften des 
preuß. G v. 24. 2. 50 eingeführt sind. 
Besondere Bestimmungen gelten für die Schul- 
den der Schutzgebiete. Kolonialfinanzen 
(Vgl. Schwarz in „Oeffentl. Kredite“, 170), 
s. auch Artikel: Reichsvermögen C, oben S 284. 
89. Statistisches. 
Ueber die Höhe der fundierten Staatsschulden 
und ihre Entwicklung in den letzten Jahren ent- 
nehmen wir der Reichsfinanzstatistik folgende 
Ziffern: 
  
  
  
Fundierte Schulden in Mill. Mr. 
(Anfang des Jahres) 
1881 1912 
Deutsches Reich 292 4582 
Summe der Einzelstaaten 5 244 15 005 
Sa. 5 536 19 587 
darunter 
Preußen 1 965 8 789 
Bayern 1 341 2286 
Sachsen 673 869 
Württemberg 49 25 
Baden 323 567 
Oessen 32 431 
Elsaß-Lothringen 20 44 
Näheres hierüber in Schwarz, „Oeffentliche 
Kredite". 
Literatur: Dietzel, Soystem der Staatsanleihen, 
1855; Eugen Richter, Das preuß. St. Wesen, 1869; 
Sattler, Die Schulden des preuß. Staats im Finanz- 
Arch 8, 922 Bd. 7 für das Reich (ebenda Bd. 20, 21 
Segner für Bayern, Bd. 2 Riecke für Württemberg):; 
v. Hoffmann, Die preuß. Hauptverwaltung der 
Staatsschulden vom Jahre 1820—1896 (1896); v. Dom- 
bois, Der Kursstand der deutschen Staatsanleihen, 
1911; Schwarz und Strutz,, Staatshaushalt 190% 
Bd. 1 und III; O. Schwarz, St.Sch Tilgung in den 
größeren europäischen und deutschen Staaten, 1896; Zeit- 
lin, Der Staat als Schuldner, 1906; K. Zorn, Ueber 
die Tilgung von St., 1905, und die dort angezogene wei- 
tere Literatur; Kleindinst, Die deutschen Kriegsan- 
leihen 1870 und 1871 (Annalen 1913); Freund, Die 
Rechtsverhältnisse der öffentlichen Anleihen, 1907; O. 
Schwarz, „Die öffentlichen Kredite“ im H= für Politik, 
1912;: Artikel von Zeller in der 1. Aufl. hier stellen- 
weise übernommen). — Vierteljahrshefte des Statistischen 
Reichsamte# (Finanzen der Reichs-- und Bundesstaaten); 
Material über Stech fortlaufend im „Finanzarchiv“. 
1 Schatzanweisungen; Berwaltungsstatistik. 
O. Schwarzx. 
III. Staatshaus halt (Staatsrechnung) 
A. Verfassungsrechtlich 
I. Staatshaushaltsetat bezeichnet die 
geordnete Zusammenstellung der voraussichtlichen 
Einnahmen und Ausgaben des Staates. Im 
absoluten Staate wird er durch den König, im 
konstitutionellen wird er durch ein unter Mit- 
wirkung des Landtags erlassenes Gesetz festgesetzt. 
Ein solches Gesetz enthält nach Ansicht der in 
Deutschland herrschenden Theorie (Gneist, La- 
band) keine Rechtssetzung, sei also keine Gesetz ([NIj 
im eigentlichen und materiellen Sinne, sondern 
nur ein Verwülkt (XI im gesetzlichen Gewande, 
ein bloß „formelles Gesetz“. Als VerwAkt sei es 
den Gesetzen unterworfen, folglich könne das 
St. Etatgesetz weder auf Gesetz beruhende Ein- 
nahmen oder Ausgaben verweigern, noch den 
Etat oder die Steuern im ganzen ablehnen. 
Letzteres wird von Gneist für das deutsche und 
englische Recht eventuell als actus inanis be- 
zeichnet. In England zeigt sich die Macht des 
Parlaments und die Beschlußfassung des StH.
	        
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