Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Staatsfinanzen 
  
nen Rechnungen auch die oberste Leitung und 
Aufsicht über die Rechnungsgeschäfte der ihr in 
dieser Beziehung untergeordneten Finanzverwal- 
tungsstellen. Insbesondere gehört zu ihrem Ge- 
schäftskreise die unmittelbare Abnahme, Prüfung 
und Abhör der Rechnungen sämtlicher Haupt= und 
Spezialkassen und Anstalten des Staates (ein- 
zelne ausgenommen), die direkte Kassenkontrolle 
gegen die unmittelbar untergebenen Kassenbeam- 
ten, die Kontrollierung der übrigen Kassen, die 
Anordnung des jährlichen Rechnungsabschlusses 
bei der Staatshauptkasse und den Erhebestellen, 
die Darstellung der Rechnungsergebnisse (Ed. v. 
18. 11. 1817, 13. 12. 1818; V v. 21. 11. 49 5 5). — 
Die Finanzkontrolle übt — bei dem Mangel eines 
selbständigen Rechnungshofes — die Ständever- 
sammlung bei Beratung des Etats aus (5 110, 111 
Vüuh. Die Prüfung der Staatsrechnungen hat sich 
darauf zu erstrecken, ob die verwilligten Steuern 
(und sonstige Einnahmen) richtig und der Verab- 
schiedung gemäß verwendet worden sind. Dies 
eschieht zunächst durch besondere Finanzkommis- 
lonen beider Kammern, welche sodann an diese 
(schriftlich) berichten. Ueber das Ergebnis be- 
raten die Kammern einzeln und verhandeln so- 
dann, soweit erforderlich, über dasselbe unter 
gegenseitiger Mitteilung. 
Eine förmliche Entlastungserteilung ist nicht 
vorgeschrieben. 
5. In Baden ist die Oberrechnungskam- 
mer (wie in Preußen und im Reiche) eine dem Lan- 
desherrn unmittelbar untergeordnete 
selbständige kollegiale Behörde (Gv. 25. 4. 76 f. 
auch LV v. 7. 10. 12); sie arbeitet auch hier der 
landständischen Kontrolle über die Einhaltung des 
Voranschlags und Finanzgesetzes vor. Ihre Funktio- 
nen sind im wesentlichen die gleichen wie in Preu- 
ßen: Die Kontrolle des St. durch Prüfung und Fest- 
stellung der Einnahmen und Ausgaben von Staats- 
geldern, über Zu- und Abgang von Staatseigentum 
usw. Vor Vorlage der Nachweise über die Verwen- 
dung der bewilligten Staatsgelder an die Land- 
stände (§ 55 Vü erfolgt eine Prüfung durch die 
Oberrechnungskammer, wobei die Bemerkungen 
namentlich Abweichungen vom Etat und Etatüber- 
schreitungen feststellen. 
Die Staatskontrolle ist durch die Verfassung 
vorgezeichnet, indem mit dem Entwurfe des 
Staatsbudgets eine detaillierte Uebersicht über 
Verwendung der Bewilligungen der früheren 
Etatjahre vorgelegt wird. Daneben prüft der 
landständische Ausschuß die Rechnungen der Kassen 
einzelner Spezialfonds (Amortisationskasse, Eisen- 
bahnschuldentilgungskasse). Ueber die Verwendung 
der geheimen Ausgaben ist eine gegengezeich- 
nete Versicherung des Großherzogs beizubringen, 
8 55 VU. 
Einer förmlichen Entlastung der Regierung be- 
darf es nicht. 
6. In Hessen bildet ebenfalls den Mittelpunkt 
des staatlichen Rechnungswesens die Oberrech- 
nungskammer (G v. 14. 6.79, V v. 9. 11. 81, 
G v. 31. 5. 11), welche die Kontrolle des St. 
durch Prüfung und Feststellung der Rechnungen, 
über Zu= und Abgang von Staatseigentum und 
über die Verwaltung der Staatsschulden führt. 
Die besondere parlamentarische Kontrolle besteht 
in der Entgegennahme der Rechnungsbemerkun- 
gen, welche die Oberrechnungskammer der den 
  
Landständen vorzulegenden Nachweisung beifügt 
(a 20 G, a 68 Abs 2 Vul, in dem Rechte, wegen 
Unterlassung dieser Pflichten der Oberrechnungs- 
kammer die Einleitung des Disziplinarverfah- 
rens zu beantragen (a 21), und in der Erteilung 
der Entlastung. 
7. Für Elsaß-Lothringen wurde durch 
Gv. 2. 5. 77 bestimmt, daß die Rechnungen über 
den Landeshaushalt dem BR und Landesaus- 
Hoaß und event. an Stelle des Landesausschusses 
eem NI zur Entlastung vorgelegt werden. Da- 
egen fehlt es wie im Reiche an einer endgültigen 
Fclisetung der Grundsätze über die Rechnungskon- 
trolle. Seit 1872 wird in jedem Jahre durch beson- 
deres Gesetz die preußische Rechnungskammer als 
Rechnungshof des Deutschen Reichs zur Kontrolle 
des Landeshaushalts berufen. 
Literatur:t) A. Wagner, Finanzwissenschaft 1 
1883, S 219 ff.; v. Heckel, das Budget, 1898; Seid. 
ler, Budget und Budgetrecht, Wien 1885; Mücke, Ge- 
setz betr. das preuß. Schuldbuch und das Reichsschuldbuch 
1902; Löbe, 589 des sächsischen Etats-, Kassen= und 
Rechnungswesens, 1884; Widemeyer, Das Etat= und 
Kassenwesen des Königreichs Württemberg mit Bezug auf 
die Einrichtungen anderer deutschen Staaten, 1885; O. 
Schwarez, Formelle Finanzverwaltung, 1907; Laband, 
Deutsches Reichsstaatsrecht, 1912; M. von Seydel (im 
9V d. öfftl. R.), Das Staatsrecht des Königr. Bayerns, 
1903; v. Sutner, Staats-= und Berw Recht des Königr. 
Bayern, 1900; O. Mayer, Das Staatsrecht des Königr. 
Sachsen, 1900; Göz, Staatsrecht des Königr. Württem. 
berg, 1908 S 256; Bazille, Staats= und Berwkecht des 
Königr. Württemberg, 1908; Bornhak, Staats= und 
Verwecht des Großh. Baden, 1908; van Calker, 
Staatsr. des Großh. Hessen, 1913, Gesetzsammlung für das 
Großherzogtum Hessen. Mainz, J. Diemer; v. d. Mosel, 
Hn des sächs. Berw Rechts ½, 1912; Zeller in der 1. Aufl. 
dieses Wörterbuchs: Mandel-Grünewald, Verfassung 
und Berwaltung Elsaß-Lothringens, 1905; Bellardi, 
Die staatsrechtl. Entlastung, 1911. O. Schwarz. 
IV. Staatskassen 
5 1. Einleitung. 1 2. Aufgaben der Kassenführung. 
1 3. Arten der Staatskassen. # 4. Kassen in den Einzelstaaten. 
z 5. Kassenverwaltung des Reiches. 
§ 1. Einleitung. Die einzelnen Stadien der 
modernen formellen Finanzver- 
waltung der Staaten sind: 
1. Aufstellung und gesetzliche Feststellung des 
Staatshaushalts (J#; 
2. Die Ausführung der Etats und die Rech- 
nungslegung über diese; 
  
1) Ferner zu A und Bei v. Seydel (Graßmann), Bayer. 
Staatsrecht II 1913 S 95f; Rehm, das Budgetrecht d. 
bayr. Landtags (Annalen 1901, 641); Pilot y in Bl. f. 
administr. Praxis 52, 1—10.— Löbe, Staatshaushalt d. 
Kgr. Sachsene 1912; v. Schröder, das Budgetrecht d. 
Kar. Sachsen, 1906. — Riecke, der württ. Staashaus. 
halt in Schmollers Jahrb. 1883 S 193. — van Calker, 
das badische Budgetrecht I 1901. — Gerloff, Finanz- 
und Zollpolitik d. deutschen Reiches 1913: Blum, Bud- 
getrecht und Finanzpraxis, 3. f. Politik 1913 S 346. (D. H.)
	        
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