Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

strafen, sowie nur da anerkannt worden, wo seine 
Hilfe dieserhalb speziell in Anspruch genommen 
wird (Motive zu & 16 des G v. 9. 10. 60). 
Nach dem G v. 19. 2. 74 a 3 &16 d und 16e 
konnte Geistlichen, die wegen kirchenpolitischer 
Vergehen innerhalb der letzten zwei Jahre 
zweimal gerichtlich bestraft worden, sofern ihr 
Verbleiben im Amte mit der öffentlichen Ordnung 
unverträglich erschien, durch kollegialischen Be- 
schluß des Staats Min unter Zuziehung von fünf 
richterlichen Mitgliedern die Fähigkeit zur ferne- 
ren Bekleidung ihres Amts aberkannt, das damit 
verbundene Einkommen entzogen und jede Aus- 
übung kirchlicher Funktionen bei Gefängnisstrafe 
untersagt werden. Diese dem preußischen Recht 
(oben # 2) nachgebildete Vorschrift ist durch a 2 
Gv. 5. 7. 88 aufgehoben worden. 
#s7. Hessen. Das hess. G v. 23. 4. 75 (II) über 
den Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt schließt 
sich bei Regelung der st. G. wesentlich den Be- 
stimmungen des preuß. G v. 12. 5. 73 (oben 82) 
an. Danach kann der Recursus ab abusu jeder- 
zeit bei dem Landesherrn unmittelbar oder bei 
den Verwehäörden eingelegt werden. Ueber den 
Rekurs entscheidet das Gesamtministe- 
  
rium auf Antrag des Min Inn. Ist die Beschwer- 
de begründet, so wird zur Abstellung des Miß- 
brauchs das Erforderliche im Ver- 
waltungswege veranlaßt, und we- 
gen etwaiger Bestrafung des betr. Kirchendieners 
die Sache dem zuständigen Gericht übergeben. 
Auch von Amts wegen sind die Staats- 
behörden befugt, gegen einen Mißbrauch der 
geistlichen Amtsgewalt einzuschreiten, voraus- 
gesetzt, daß ein öffentliches Interesse vorliegt. 
Die Fälle des Mißbrauchs werden vom Gesetz 
selbst näher bezeichnet und decken sich mit den 
einschlagenden Vorschriften der preuß. G v. 12. 
und 13. 5. 73. 
Ebenso können, übereinstimmend mit dem 
preußischen Recht, Kirchendiener, welche die auf 
ihr Amt oder ihre geistlichen Amtsverrichtungen 
bezüglichen Vorschriften der Staatsgesetze oder 
obrigkeitlichen Anordnungen so schwer verletzen, 
daß ihr Verbleiben im Amt mit der öffentlichen 
Ordnung unverträglich erscheint, auf Antrag der 
Staatsbehörde durch gerichtliches Urteil aus ihrem 
Amt entlassen werden. Zuständig zur Entschei- 
dung über solche Anträge ist das oberste 
Landesgericht unter der Firma „Gerichts- 
hof für kirchliche Angelegenheiten“. Die von ihm 
ausgesprochene Entlassung aus dem Amt hat die 
rechtliche Unfähigkeit zur Aus- 
übung des Amts, den Verlust des 
Amtseinkommens und die Erledi- 
gung der Stelle zur Folge. * 
Bei der durch G v. 5. 7. 87 erfolgten Revision 
der kirchenpolitischen Gesetze sind die obigen Be- 
stimmungen unberührt geblieben. Nach einer 
Erklärung, welche die Staatsregierung am 26. ö. 87 
in dem Gesetzausschuß der II. Kammer abgegeben, 
ist jedoch eine anderweite Regelung auch des 
Recursus ab abusu zum Gegenstand der Verein- 
barung mit der römischen Kurie gemacht worden. 
# 8. Elsaß-Lothringen. In den Reichslanden 
gelten für die st. G. die Vorschriften der fran- 
zösischen Gesetzgebung über den appel comme 
G’abus (oben §&# 1). An Stelle des Staatsrats ist 
aber gemäß §9 Verwé v. 30. 12. 71 der Bun- 
  
— — — —— — — — —— —— — 
  
Staatskirchliche Gerichtsbarkeit — Staatsrat 
desrat getreten, der nach Vernehmung seines 
Ausschusses für Justizwesen über den bei ihm 
einlaufenden Rekurs entscheidet. Soviel bekannt, 
hat bis jetzt nur ein Fall Anlaß zum Einschrei- 
ten gegeben. 
Literatur 1 Khrchenhoheit II, 577; Ed. Cich- 
mann, Der recursus ab abusu nach deutschem Recht, 1903 
ist das Hauptwerk. Friedberg, Die Grenzen zwi- 
schen Staat und Kirche, 1872; Hinschius, Allgemeine 
Darstellung des Verhältnisses von Staat und Kirche, 1883; 
Ders., Preuß. K. G., 2 Bde. und 3 Nachtragshefte, 1873 
bis 1887: v. Klein sorgen, Die kirchenpolitischen 
Gesetze Preußens und des Deutschen Reichs, 1887; Rein- 
hard, Die Kirchenhoheitsrechte des Königs von Bayern, 
1884; Henner, Die katholische Kirchenfrage in Bayern, 
1854; Teicher, Recursus ab abusu, 1896; Zur Kal 
sächsischen Gesetzgebung über die Berhältnisse des Staates. 
zur katholischen Kirche in 8 für Kirchenrecht 14, S 121fs#O 
206 ff; v. Golther, Der Staat und die katholische 
Kirche in Württemberg, 1874; Spohn, Badisches Staats- 
kirchenrecht, 1868; Neueres und neuestes badisches Staats- 
kirchenrecht im Arch für katholisches Kirchenrecht 60, 457 ff; 
Zorn, Die wichtigsten kirchenstaatsrechtlichen Gesetze 
Deutschlands, 1876; Hess. G v. 5. 7. 87 in Arch für katholi- 
sches Kirchenrecht 58, 341 f; Leoni u. Mandel, 
BerwzRecht von Elsaß-Lothringen, 1895, S299; Bruck, 
Verfassungs- und Verwdecht von Elsaß-Lorthringen III, 
1910, S 246 f; Hinschius, Kirchenrecht der Kath. 
und Prot. VI 1, S 200 ff, 266 ff; Renard, App. c. 
d’ab. 1896. Rev. adm. du culto cath. 1901; Lesur, Les 
duestions préjudicielles d’abus dans les pourseuites contre. 
les ecclésiastiques, 1902; Collavet, Du recours pour 
abus envisagé comme survivance dans la justice retenue, 
1904; Cagnac, De l’appel comme d'abus dans I’ancien 
drolt franc., 1906; Beres, Der Mißbrauch der geist- 
lichen Amtsgewalt, 1907 ff. Hübler (1. 
Staatsminister, Staatsministerinm 
Minister (Band II, 877, 882) 
Staatsoberhaupt 
Staat (39. III, 457); Landesherr (Bd. II, 712) 
Staatsrat 
4 1. Allgemeines. 1 2. In Preußen. 1 3. In anderen 
deutschen Ländern. 
# 1. Allgemeines. 
1. In mehreren deutschen Einzelstaaten sowie 
in zahlreichen außerdeutschen Staaten besteht 
für die Beratung des Staatsoberhaupts in wich- 
tigen Staatsangelegenheiten neben den einzelnen 
Ministern [“] und dem StaatsMinisterium eine 
größere, hauptsächlich aus höheren Staatsdienern 
zusammengesetzte, Versammlung, ein Staats- 
rat (Geheimer Rat). Von dem Staats Min
	        
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