Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

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König, in dessen Abwesenheit der von diesem er- 
nannte Stellvertreter, eventuell der Vorsitzende 
des Ministerrates oder der älteste Staatsminister. 
Die Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit 
gefaßt. 
Gegenwärtig ist der St. fast ausschließlich be- 
ratendes Organ und zwar die oberste be- 
ratende Stelle, in und mit welcher der König die 
wichtigeren Staatsangelegenheiten in Erwägung 
zieht (V v. 1879, & 1). Nach der V Tit. VI 
l 30 erläßt der König die Gesetze „mit Anführung 
der Vernehmung des Staatsrats“; die V 6+ 7 
Z. 1 und 2 überweist der Beratung des St. so- 
wohl die dem Landtage vorzulegenden Gesetz- 
entwürfe, einschließlich des Budgets, als die Ge- 
samtbeschlüsse der Kammern über Gesetzentwürfe. 
Seiner Begutachtung unterliegen außerdem ins- 
besondere die durch Gesamtbeschluß der Kammern 
an den König gebrachten Wünsche und Anträge; 
die Organisation der Verwaltung; unausgleich- 
bare Meinungsverschiedenheiten zwischen Mini- 
sterien (V ## 7 Z. 4 und 5). Während diese Bestim- 
mungen dem St. eine umfassende beratende 
Wirksamkeit sichern, ist der früher ausgedehnte 
Kreis seiner entscheidenden Tätigkeit jetzt sehr 
eingeschränkt. Es gehören dahin noch insbesondere 
Verfassungsbeschwerden des Landtags (Vl Tit. X 
#s5) und Beschwerden der den Ministerien un- 
mittelbar unterstellten Staatsdiener gegen Dienst- 
strafverfügungen und andere dienstliche Verfü- 
gungen der Ministerien (vgl. VU Beil. 1X § 15). 
I1I. In Sachsen Nhatte der 1574 errichtete 
Geheime Rat nicht nur als oberstes beratendes 
Kollegium des Landesherrn fungiert, sondern 
auch die Aufsicht über die gesamte Staatsverwal- 
tung geführt; er wurde aber seit dem 18. Jahr- 
hundert durch das Geheime Kabinet mehr und 
mehr verdrängt. Die Vlul von 1831 §5 41 Abs 4 
stellte es dem Ermessen des Königs anheim, 
einen St. zu bilden, zu welchem außer den Vor- 
ständen der Ministerialdepartements andere ge- 
eignete Personen gezogen würden. Die Errich- 
tung erfolgte, mit Hinzufügung näherer Bestim- 
mungen, durch V v. 16. 11. 1831, die ersetzt ist 
durch die noch geltende V v. 29. 5. 55. 
Der St. besteht aus sämtlichen Ministern, den vom 
König dazu bestimmten volljährigen Prinzen des 
Kagl Hauses, sonstigen vom König bestimmten 
ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern; 
hierzu tritt der vom König ernannte Präsident, 
wenn er nicht schon Mitglied ist. Der König wohnt 
den Plenarsitzungen bei, wenn er es für gut 
findet. 
III. In Württemberg 'Mhatte der durch 
den Landtagsabschied von 1629 organisierte 
Geheime Rat die Aufgabe, nicht nur dem Herzog, 
„sondern auch allgemeiner Landschaft Nutzen zu 
schaffen und Schaden zu wenden“; er war das 
oberste beratende und verwaltende Organ des 
Herzogs und stand diesem doch mit landesver- 
fassungsmäßiger Selbständigkeit gegenüber. Bei 
Aufhebung der ständischen Verfassung im Jahre 
1806 wurde er beseitigt und durch ein Staats Min 
ersetzt; die Vll v. 1819 stellte ihn aber wieder her 
und gab ihm, ungeachtet der Schaffung verant- 
wortlicher Minister, die Stellung einer obersten, 
den König in allen wichtigeren Sachen beraten- 
den sowie den Verkehr zwischen dem König und 
den Ständen vermittelnden und auch in wichtigen 
Staatsrat 
  
  
Rechtssachen, insbesondere VerwrRechtssachen, ent- 
scheidenden Behörde (Vu s 54, 58—60, 126). 
Durch die erneute Bildung eines Staats Min 
(Verf G v. 1I. 7. 76) und durch die Errichtung eines 
Verwerichtshofes (Gv. 16. 12. 76), eines be- 
sonderen Kompetenzgerichtshofes (Gv. 25. 8. 79) 
und besonderer Disziplinarhöfe ist aber die Zu- 
ständigkeit und Bedeutung des Geheimen Rats 
ehr gemindert worden. Immerhin unterliegen 
seiner Begutachtung nach dem V v. 1. 7. 76 
à 7 weiterhin alle Anträge auf Abänderung der 
Landesverfassung, der Landesverfassungsgesetze 
oder der RV a 78 Abs 1 und 2; ferner die Nor- 
men, welche sich auf die allgemeinen Verhältnisse 
des Staats zu den Religionsgesellschaften beziehen, 
sowie Anträge in anderen besonders wichtigen 
Angelegenheiten, namentlich in den Gebieten der 
Gesetzgebung und des Erlasses allgemeiner Ver- 
ordnungen; endlich alles, was ihm vom Könige 
besonders aufgetragen wird (über einige andere 
dem Geheimen Rat noch zustehenden Funktionen 
vgl. Göz 169) 1). 
Zusammengesetzt ist der Geheime Rat 
aus den Min bezw. Departementschefs und aus 
anderen vom König frei ernannten Mitgliedern 
(Vu 55 und 57). Den Vorsitz führt der König, 
sofern er an der Beratung teil nimmt, sonst der 
Präsident des Staats Min. Die= Gutachten des 
Geheimen Rats werden dem Könige durch das 
Staats Min vorgelegt (Verf G v. 1. 7. 76 à 7). 
IV. In Braunschweig [Mhat die durch die 
NLO - 159 angeordnete, durch G v. 12. 10. 32 
näher bestimmte Ministerialkommission noch ge- 
genwärtig eine einem St. ähnliche Zusammen- 
setzung und (seit 1851 lediglich beratende) Aufgabe. 
V. In Baden Il/I ist der durch B v. 23. 12. 44 ins 
Leben gerufene St. bereits durch B v. 20. 10. 40 wieder 
aufgehoben worden. 
In Hessen I/I) wurde durch das Edikt v. 28. 5. 1321 
ein aus dem Thronfolger, den speziell beauftragten Prin- 
zen des Großherzoglichen Houses, den Ministern, den in 
den einzelnen Ministerien angestellten Geheimen Staots- 
räten und einigen anderen Mitgliedern bestehender St. er- 
richtet, der als beratendes Kollegium bei Aufstellung von 
Gesetzentwürfen und Vorbereitung von Organisations. 
änderungen, aber auch in bedeutendem Umfange, nament- 
lich in Administrativ-Justissachen, als entscheidende oberste 
Behörde tätig werden sollte. Durch G v. 11. 1. 75 aber 
wurde er bei Errichtung eines besonderen Verw erichts- 
hofes aufgehoben. 
In Elsaß-Lothringen I] wurden die dem Su. 
nach französischem Recht auf dem Gebiete der Berwaltung 
und der Verw Gerichtsbarkeit zustehenden Funktionen auf 
den Oberpräsidenten, an dessen Stelle später das Min für 
Elsaß-Lothringen trat, bezw. auf den Kaiserlichen Rat in 
Elsaß-Lothringen übertragen (Gv. 30. 12. 71 1 8 und 19 
Abs 3, v. 4. 7. 79 3 und 11). Durch das G v. 4. 7. 79 
9 und 10 wurde zwar ein neuer Staatzsrat ein- 
gesett zur Benntachtung von Entwürfen zu Gesetzen und 
Ausführungsverordnungen sowie von anderen Angelegen- 
heiten, die ihm vom Statthalter überwiesen würden; der- 
selbe ist aber durch das G über die Verfassung Elsaß-Loth. 
ringens v. 31. 5. 11 127 beseitigt. 
  
Literatur: a) Im allgemeinen: 
Allgem. Staatsrecht 22, 1863, S 163 ffj 
Bluntschli, 
L. v. Stein, 
1) Ueber die inzwischen eingetretenen Aenderungen 
1 Württemberg. (D. H.)
	        
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