Staatsverträge 505
2. Nur Staaten können Vertrags-
Staatssprache
7 Geschäftssprache (Band II 209).
Staatsverträge
# 1. Rechtliche Natur. 1 2. Arten der Staateverträge.
5s 3. Abschluß (Vertretung, Form, Ratifikation). 3 4. Reich
und Einzelstaaten (Kolonien). 5 5. Anteil der Volksver-
tretung. 4 6. Veröfsentlichung. 1 7. Wirksamkeit, Mängel,
Auelegung, Sicherung. 1 8. Aenderung und Endigung.
# 1. Rechtliche Natur. Unter St V (Staaten-
vertrag, internationaler Vertrag) versteht man eine
Willenseinigung zwischen mehreren Staaten zu
dem Zwecke, den Rechtszustand unter den Vertrags-
teilen dadurch zu gestalten. Die Vielheit
von Staaten weist den St V ins Völkerrecht; der
Anteil eines Staates verknüpft den St
mit dem Staatsrechte. .
1. Die Kategorie des Vertrages ist nicht inner-
halb des privatrechtlichen Kreises abgeschlossen,
wenn sie auch hier mit der häufigsten Anwendung
die theoretische Durchbildung erfahren hat. Sie
gehört der allgemeinen Rechtslehre an und hat
überall dort Raum, wo die Subjekte des Rechts
auf dem Boden einer Nebenordnung miteinander
verkehren: das wird in dem Bereiche innerstaat-
licher Verwaltung die Ausnahme bilden IN Ver-
waltungsakt, muß in dem Bereiche der auswär-
tigen Verwaltung aber, der ein fremder Staat
gegenübersteht, durchaus die Regel sein. Insoweit
trifft also ein wesentliches Merkmal des privat-
rechtlichen Vertrages gerade für den Staaten-
verkehr zu. Es fragt sich allerdings, ob eine Bin-
dung bei einem Staate möglich sei. Die Bejahung
folgt aus der vielfältigen Wahrnehmung, daß der
Staat Rechtspflichten gegen ein andres Rechtssub-
jekt übernimmt, sich sogar einem Urteile (der eige-
nen Behörden) unterwirft. Herrschernatur im
ganzen und Unterordnungswille im einzelnen stehen
also nicht im Gegensatze. Daran ändert es nichts,
daß der andere Teil gleichfalls ein Staat ist; das
wechselseitige Sichineinanderfinden im Nachgeben
und Ansprechen ist vielmehr die Grundlage, auf
der allein sich der Verkehr gleichgestellter Staaten
entwickeln kann.
Als Bezeichnungen werden in der Praxis auch
„Abkommen“", „Uebereinkunft“, für weniger bedeutsame
St V öfter „Vereinbarungen" gewählt. „Konvention“,
„Traktat"“ (seierlicher) sind heut aus dem deutschen Sprach-
gebrauche entfernt: in der divlomatischen Praxis ist ein Un-
terschied 2wischen convention und traité nicht mehr erkenn-
bar. „Deklaration“ ist gelegentlich noch im Gebrauche (Pari-
ser Seerechtsdeklaration 1856, Londoner Deklaration 1900),
doch kaum, wie man sagt, aus dem Empfinden heraus, mehr
alte Bindung zu bekräftigen als neue zu schaffen. „Kon-
kordat“ und „Kapitulation“ (Bezeichnungen, die im ur-
sprunge auf das engste zusammenhängen: capituln con-
cordata) sind heut für Verträge eigenartigen und durch
die Person eines Beteiligten bestimmten Inhalts auf-
gesparte Benennungen. (In der Schweiz hot sich „Kon-
kordat“ für Verträge zwischen zwei Kantonen eingebürgert.)
Der Ausdruck „Sponsion"“ für den unterzeichneten, aber
noch nicht ratifizierten, St N ist außer Uebung gekommen.
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teile sein; auch halbsouveräne, in gewissem für
die einzelnen nicht gleichmäßig bestimmten Um-
fange; nicht aber Kolonien. Auch für dauernd
neutralisierte Staaten besteht de jure keine Ein-
schränkung des Vertragsrechtes. Inwieweit dem
Papste zurzeit noch eine Stellung eingeräumt
wird, als wäre er das Haupt eines Kirchenstaates,
darüber / Konkordate und Katholische Kirche.
Hiernach sind nicht Staatsverträge:
a) Die Verträge zwischen regierenden
Häusern, mäögen sie selbst Angelegenheiten
der Staatsverfassung betreffen (z. B. Erbver-
brüderungen) und wiewohl sie von alters in den
Formen der StV abgeschlossen werden.
b) Verträge zwischen einem Staat und einer
Privatperson (3z. B. Anleihen, Lieferungs-
verträge). Bei der Durchsetzung des Anspruchs
wird freilich wegen der Exterritorialität [I des
Schuldnerstaats dem Gläubiger dessen Staat
seinen diplomatischen Schutz gewähren, der bis
zur Anwendung von Gewalt sich steigern kann
(dazu II. Haager Friedenskonferenz 1907, 2. Abk.
betr. die Beschränkung der Anwendung von Ge-
walt bei der Eintreibung von Vertragsschulden),
so daß sich die Wirkung der eines St B nähert.
Etwas anderes ist es, wo der Staat für die Durch-
führung des St V auf die Beteiligung Privater
angewiesen ist (z. B. der Telegraphengesellschaften
beim Internat. Telegraphenverein); mit diesen
wird der Staat schon für den Abschluß des St B
Fühlung nehmen müssen: die gemischte wirtschaft-
liche Unternehmung führt zu einer Mischform
auch des Staatsvertrages.
c) Nur eine Abart der Verträge unter b) sind
die „Schutzverträge“ mit Häuptlingen eingebore-
ner Stämme Schutzgebiete!.
4) Dem einen Staat begründenden Vertrage
als solchem fehlen die Merkmale des St, ab-
gesehen von dem Falle, daß mehrere Staaten
die Errichtung eines neuen Staates vereinbaren
(jüngst Albanien).
3. Der Inhalt der St V kann aus dem ge-
samten Sachgebiete entnommen werden, in dem
sich der Staat betätigt; keinesfalls braucht es sich
um Hoheitsrechte zu handeln (unten 8 2). Die
Entwicklung des Verkehrs rückt heut gerade Ver-
mögensinteressen in den Vordergrund. Nur tat-
sächlich einschränkend wirkt der Umstand, daß
politische Gründe eine Bindung der Betätigung
nicht in jeder Hinsicht auch jenseits der Staats-
grenzen ratsam machen.
Der StV ist zunächst nur das Mittel und die
Form, um ein Rechtsgeschäft zwischen
Staaten abzuschließen; dabei unterscheidet er sich
nicht im Wesen von dem Vertrage des Privat-
rechts. Der St V versieht jedoch noch eine zweite
Aufgabe: Rechtssätze des Völkerrechts zu
schaffen (Bergbohm). Für solche normativen Ab-
kommen hat namentlich Triepel die (von Binding
aufgestellte) besondere Kategorie der „Verein-
barung“" durchzuführen gesucht. Die Beobachtung
ist an sich richtig und fördernd, auch wenn man das
unterschiedliche Merkmal nicht darin zugibt, daß
bei den rechtsgeschäftlichen St Bmehrere, inhaltlich
verschiedene Willen verschmolzen würden (dagegen
E. Kaufmann 166, Heilborn, Grundbegriffe 42);
auch wenn man nicht zugeben kann, daß die ver-
pflichtende Kraft der Vereinbarung auf der Schaf-