Staatsverträge
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Karolinen) oder bei Verträgen von geringerer
Bedeutung, namentlich im Verkehre zwischen den
Gliedstaaten des Reiches (z. B. preuß. GS##1889,
23; 1905, 353).
2. Die Ratifikation ist eine empfangsbedürftige
Willenserklärung. Sie liegt in dem „Austausch“
der Ratifikationsurkunden, der in der Regel von
Person zu Person an dem Orte des Vertrags-
schlusses unter Aufnahme eines Protokolls erfolgt.
Mit dem Anwachsen der Zahl der Vertragsteile
ist die Form vereinfacht worden. Den neuen
Modus bei Kollektivverträgen bestimmt (übri-
gens nicht zuerst) die Kongoakte von 1885 a 38:
„Jede Macht wird ihre Ratifikation der Regierung
des Deutschen Reiches zugehen lassen, durch deren
Vermittlung allen andern Signatarmächten der
gegenwärtigen Generalakte davon Kenntnis ge-
ebeen werden wird. Die Ratifikationen aller
lächte bleiben in den Archiven der Regierung
des Deutschen Reiches aufbewahrt. Wenn alle
Ratifikationen beigebracht sind, so wird über den
Hinterlegungsakt ein Protokoll errichtet, welches
von den Vertretern aller Mächte, die an der
Berliner Konferenz teilgenommen haben, unter-
zeichnet und worin eine beglaubigte Abschrift
allen diesen Mächten mitgeteilt wird.“ Eine
weitere Vereinfachung wird nicht selten in dem
Vertragsverkehre zwischen den deutichen Einzel-
staaten beliebt: Austausch der Ratifikationsurk'n-
den im Wege des Schriftwechsels (vgl. z. B. preuß.
GS#1906, S 229, 235, 240; 1908, 5).
Bulmerinca, „NRalifikation“ in Holtzendorffs R
*1881, III 2553; Wegmann, Die Ratifikation von St V,
1892; Martens (Bergbohm) I1 395—403.
3. Der Wortlaut der RNatifikation
wird von deutscher Seite nicht kundgegeben.
Beispiel für die Ratifikationoform bei Ver-
trägen des Deutschen Reiches (Zusatz V## v. 12. 3. 73 zu dem
Bt v. 15. 10. 60 über den Bau und Betrieb einer Gotthard-
eisenbahn; entnommen aus Martin Wanner, Geschichte des
Baues der Gotthardbahn, 1385, 620):
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser,
König von Preußen usw. usw.
urkunden und bekennen hiermit im Namen des Deutschen
Reiches:
Nachdem Wir von dem zwischen Unserem Bevollmäch-
tigten und den Bevollmächtigten des Schweizerischen Bun-
desrats und Seiner Majestät des Königs von Italien zum
Zwecke der Sicherstellung der BVollendung des Gotthard-
Eisenbahn-Unternehmens vom 12. März 1378 in Bern abge-
schlossenen Nachtragsvertrage zu dem Vertrage vom 15. Okto-
ber 1869 über den Bau und Betrieb der Gotthard--Lisenvahn,
welcher Nachtragsvertrag wörtlich wie folgt lautet:
[Text des Vertrages.]
und von dem dazu gehörigen Schlußvrotokolle vom
gleichen Datum Kenntnis genommen und die getroffenen
Abreden in allen Punkten Unserm Willen gemäß befunden
haben, so genehmigen uno ratisizieren Wir den gedachten
Nachtragsvertrag hierdurch mit dem Versurechen, densel-
ben zu erfüllen und von Unseren Behorden ausführen zu
lassen.
Zu Urkunde dessen haden Wir gegenwärtiges Ratifi-
kationsdokument Eigenhandig vollzogen und mit Unserem
kaiserlichen Insiegel versehen lassen.
Gegeben Berlin, den 12. Juni 1379.
L. S. Wilhelm
In Vertretung des Reichskanzlers
v. Bülow.
#s# 4. Reich und Einzelstaaten (Kolonien).
I. Staatenbund und Bundesstaat sind als Sub-
jekte des Völkerrechts auch vertragsfähig. Da-
neben kommt diese Eigenschaft ihrer Natur nach
auch den Gliedstaaten zu. Indessen wird die
Fähigkeit sich durch St B zu binden und der Um-
fang der Befugnis hierzu für den Gliedstaat
innerhalb eines Staatenbundes oder eines Bun-
desstaates durch das Eintreten dieser Staaten-
vereinigung in den völkerrechtlichen Verkehr be-
schränkt. In welchem Maße — das ist nicht minder
Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung, auf der
die Staatenvereinigung beruht, als im übrigen
die Machtverteilung zwischen Bund und Staat.
Auseinanderzuhalten ist dabei die vertragliche
Beziehung zwischen den Staaten des Bundes
selbst und gegenüber dem Bundesauslande. In
den großen Bundesrepubliken ist der Abschluß
der einzelnen Glieder von der Außenwelt straffer
erfolgt als auf deutschem Boden.
In der nordamerikanischen Union ist den
Staaten jedes selbständige Vertragorecht gegen das Aus-
land versagt, urd auch zwischen den Einzelstaaten selbst be-
dürsen Bereinbarungen der Zustimmung des Kongresses
(sie sind selten). In der Schweiz ist das interkantonale
Recht nicht wenig ausgebildet; den Kantonen untereinander
sind nur „besondere Bündnisse und Verträge politischen In-
halts“ untersagt, im übrigen sind die Verträge der Bundes-
behörde zur Einsicht vorzulegen, die ihre Vollziehung hin-
dern kann, wenn sie etwas dem Bunde oder den Rechten
.anderer Kantone Zuwiderlausendes enthalten; „ausnahms-
(Instr. lacis OCannubr. a VIII 4 2).
weise“ bleibt der Kantonen die Befugnis, Verträge über
Geger stände der Staatswirtschaft, des nachbarlichen Ver-
kehrs und der Polizei mit dem Auslande abzuschließen; je-
ktil doch dürfen sie nichts dem Bunde oder den Rechten anderer
(in Oesterreich übrigens meist noch lateinisch)
Kantone Zuwiderlaufendes enthalten (u 7, 9, 102, 85 Ziff. 5
der Bundesverfassung).
In Deutschland wechselte das Verhält-
nis, in dem Territorium und Gesamtstaat in Ver-
tragsverkehr treten durften, mit der politischen
Formation.
Etappen: Ausgangspunkt Wonfalischer Friede v. 16413
Jus faciendi inter se
Gum exteris focdera pro sun cuinsque conservationce ac
sccuritate singulis statibus perpetuo liberum esto; ita
tamen, ne eiusmodi foedera sint contra Imperatorem et
Imperium pacemune eins publicam vel hanc imprimis
tranactionem .. Bundesakte v. 8. 6. 1815 a XKMI . „Die
Bundesglieder behalten zwar das Recht der Bünduisse aller
Art; verpflichten sich jedoch in keine Verbindungen einzu-
gehen, welche geoen die Sicherheit des Bu #tdes oder einzelner
Bundesstaaten gerichtet wären.“ — Wiener Schlußakte v.
15. 5. 1820 a 35 „Der Bund hat als Gesamtmacht das
Recht, Krieg, Frieden, Bündnisse und andere Verträge zu
beschließen . . .“ val. a 60.
Frankfurter VerfEntw v. 28. 3. 10: „Dic einzelnen
deutschen Regierungen sind befugt, Verträge mit andern
deutschen Regierungen abzuschließen. Ihre Bosugnis zu
Verträgen mit nichtdeutschen Regierungen beschränkt sich auf
Gegenstände des Privatrechts, des nachbarlichen Vorkehrs
und der Polizei“ (& a). „Alle Verträge nicht rein privatrecht-
lichen Inhalts, welche eine deutsche Regierung mit einer
andern deutschen oder nichtdeutschen abschließt, sind der
Reichsgewalt zur Kenntnisnahme und, insosern das Reichs-
interesse dabei beteiligt ist, zur Bestätigung vorzulegen“
(5 9, val. auch § 78). „Die Reichsgewalt ausschließlich übt
dem Auslande gegenüber die völkerrechtliche Vertretung
Deutschlands und der einzelnen deutschen Staaten aus.
Die Reichsgewalt.. schließt die Bündnisse und Verträge