Staatsverträge
513
Eine bedingte Zustimmung etwa unter der
Voraussetzung, daß ein bestimmter gesetzgeberischer
Akt erfolgt, ist eine Versagung der Zustimmung.
Die Regierung unterbreitet den St B im Ur-
texte mit einer deutschen Uebersetzung. Tatsäch-
lich knüpfen die Verhandlungen an die Ueber-
setzung an, die für das innerstaatliche Verhalten
maßgebende Bedeutung erlangt — um so mehr
ist hier Regsamkeit und junstische Schärfe in der
Uebertragung geboten (indes nicht durchweg auch
zu finden, z. B. Reichstagsverhandl. v. 1. 2. 10
über den Handelsvertrag mit Portugal).
Für das Reich ist die „Zustimmung“ des
Bundesrats zum „Abschlusse“ des St
rechtlich nicht anders zu beurteilen als die „Ge-
nehmigung" des RT zur „Gültigkeit“. Soviel
ergeben die Verhandlungen über diese verun-
glückte Fassung. Tatsächlich wird die Beratung
im B#l oft den internationalen Verhandlungen
über den St V vorangehen (vgl. E. Meier 292)
und in ihrer Wirkung somit einer Initiative nahe-
kommen; auch eine Aenderung des StV, der
zur Zeit der Anlage an den BK noch nicht in
die Oeffentlichkeit gelangt zu sein pflegt, wäre
hier nicht ausgeschlossen.
GOn#eist, Kommw, Druckf. b. pr. Abg.O. 10. Leg. Per.
II. Session 1868 Nr. 236 (auch im Anhange bei E. Meier);
Af. Rüeß, Die Mitwirkung der gesetzgebenden Körper-
schaften bei St B nach deutschem Staatsrecht, 1904; Schön,
Z f. Bölkerrecht 5, 1911, 400! Radnitzky, Jahrbuch
des öffentl. Rechts 5, 1011, 55. — Michon, Les traltés
Anternationaux devant les chambres, 1001.
IV. Eine Beschleunigung des Ver-
tragswerkes dergestalt, daß die Möglichkeit fehlte,
einen Beschluß der Volksvertretung herbeizufüh-
ren, wird nach der Art völkerrechtlichen Vertrags-
verkehrs eine seltene Ausnahme sein, immerhin
u. a. dann geboten, wenn ein bestehender Vertrag
durch einen neuen ersetzt, die Verhandlungen über
den neuen aber bis zum Ablauf des alten nicht
zu Ende geführt sind und ein vertragloser Zustand
vermieden werden soll.
Sofern sich dies voraussehen läßt, ist ein Weg
gangbar, wie ihn das Reich durch G v. 15. 6. 11
((Kl 251) für eine vorläufige Regelung der
Handelsbeziehungen zu Japan eingeschlagen hat:
der Bi wurde ermächtigt, falls ein Handels= und
Schiffahrtsvertrag zustande käme, diesen vorläufig
in Kraft zu setzen. Tritt die Notwendigkeit eines
Vertragsschlusses ohne dies ein, so steht ein Weg
intra legem nicht offen. Es bleibt nur übrig, den
St ohne Zustimmung der Volksvertretung ab-
zuschließen und Indemnität hierfür nachzusuchen,
wie es bei dem Handelsvertrage mit Spanien
v. 12. 7. 83 durch das R# v. 10. 9. 83 (RGBl 303)
geschehen ist. (Einen Fall aus Hessen von 1844
bei Seib S 121, 123.)
Formal günstiger steht es in denjenigen Staa-
ten, wo die Notverordnung I/X Ver-
ordnung] an Stelle des Gesetzes treten kann, also
in den größeren deutschen Staaten, außer Bayern.
Praktisch geworden ist diese Handhabung in Oesterreich,
wo durch die 76 in der Zeit von 1897—1904 erlassenen Not-
verordnungen auch 3 Berträge betroffen worden (Bericht
des Berfassungsausschusses, Sten. Prot. d. österr. Abg. H.
1006 Nr. 2668). Die in der österreichischen Theorie hie-
gegen erhobenen Einwendungen sind nicht überzeugend.
Die Notverordnung müßte die Ergänzung der
Zustimmung zum Ausdrucke bringen. Freilich
v. Stengel--- Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl.
müßte der St## bei späterem Versagen der Ge-
nehmigung (in Württemberg und Baden kommt
dies nicht in Frage) die bindende Kraft nach
innen verlieren; es kann hier unentschieden blei-
ben, ob von selbst oder infolge einer Aufhebung.
Nach außen erwächst dem Landesherrn die Pflicht,
von dem Vertrage zurückzutreten, wofern er sicht,
was der Ordnung mehr entspräche, seiner Rati-
ikation einen Vorbehalt hinzufügt oder mit Rück-
icht hierauf eine Kündigung (wie a XIX Han-
dels Vi mit Japan v. 24. 6. 11, Röl 489) ver-
einbart hätte.
## 6. Beröffentlichung.
I. Das Völkerrecht bindet die Vertrags-
teile schon mit der Ratifikation. Es verlangt
keine Bekanntgabe, widerstrebt ihr aber auch für
die Regel nicht. Bis in das 19. Jahrhundert
hinein teilten St V allerdings vielfach die Heim-
lichkeit, die alle diplomatischen Vorgänge umgab,
während sie die Gegenwart nur ausnahmsweise
noch verträgt, aus schwerwiegenden politischen
Gründen. So sollte das Bündnis zwischen
Deutschland und Oesterreich v. 7. 10. 79 „in Ge-
mäßheit seines friedlichen Charakters und um
jede Mißdeutung auszuschließen, geheim gehalten
und einer dritten Macht nur im Einverständnisse
beider Teile und nach Maßgabe spezieller Einigung
mitgeteilt werden.“ Die Bündnisverträge mit
Italien werden ebenso wie die Abmachungen des
„Dreiverbands“ noch geheim gehalten. Geheim-
verträge zwischen Frankreich, England, Spanien
soatze auch die Abwicklung der Marokkoangelegen-
eit im Gefolge; sie finden sich ferner auf dem
Wege der neueren kolonialpolitischen Entwicklung.
II. Das Staatsrecht hingegen erfordert
für die Bindung der der Staatsgewalt unter-
worfenen Personen an die Bestimmungen des
Vertrages (oben #1 Ziff. 4), eine Bekanntgabe der
verbindlichen Satzung. An Rechtssätzen hierüber
sehlt es. Die Praxis im Reiche und in Preußen
zeigt eine Verkündung bald im Reichsgesetzblatt
und in der Gesetzsammlung, bald im Reichs= und
Staatsanzeiger, im Zentralblatt für das Deutsche
Reich — bald auch nirgends, ein Schicksal, von
dem so wichtige Abmachungen wie die Suez-
kanalkonvention von 1888 oder die Union zur
Veröffentlichung der Zolltarife (1890, 1904) be-
troffen sind. Nach Rechtsgrundsätzen des moder-
nen Staates müßte sich die Form der Bekannt-
gabe der sachlichen und persönlichen Tragweite
des St V anpassen nach den Voraussetzungen für
die Normsetzung innerhalb des Staates. Für
bloße Verw Maßnahmen, wie für das Abkommen
zur Bekämpfung der Verbreitung unzüchtiger
Veröffentlichungen v. 4. 5. 10 [J Sittenpolizei,
oben S 4371, wäre eine Bekanntgabe nur an die
beteiligten Amtsstellen erforderlich (es ist aber
im RGBl veröffentlicht). Bei St V mit dem
Inhalte einer Rechtsverordnung oder eines Ge-
setzes ist die entsprechende, nach dem Rechte des
einzelnen Staates gebotene Verkündungsform zu
wählen. Für das Reich wäre hier insoweit die
Verkündung durch das Rol gemäß a 2 RV
und V v. 26. 7. 67 (Bul 24) geboten, für
Preußen durch die Gesetzsammlung (B v. 27. 10.
1810), und zwar in einer Weise, daß die Pflicht
zur Nachachtung, und da Reichsgesetzblatt und
Gesetzsammlung nicht lediglich der Aufnahme
von Gesetzen dienen, auch die Zustimmung von
III. 33