Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Staatsverträge 
515 
  
Gleiche, und namentlich nicht immer etwas recht- 
lich scharf Ueberdachtes gemeint. Sie kommt auch 
als Zusage der Sicherung des Schuldners wie eine 
kumulative Schuldübernahme vor (z. B. im Bardo- 
vertrag zwischen Frankreich und Tunis v. 12. 5. 81 
a 4). Ihr Wesen ist aber die Vereinbarung, dafür 
einzustehen, daß ein bestimmtes Recht eines Staa- 
tes von dritter Seite nicht verletzt werde. Der 
Vertrag ist nur selten für relative Rechte (Beispiele 
Quabbe S 117), dagegen wesentlich praktisch zur 
Sicherung territorialen Besitzstands und der Neu- 
tralität eines Staates — und hier durch Kollektiv- 
verträge — und fällt damit für unsere Betrach- 
tung, der Sicherung eines St V, meist aus. Der 
Garant hat sich dafür einzusetzen, nötigenfalls 
mit Waffengewalt, daß eine Verletzung des garan- 
tierten Zustandes vermieden oder beseitigt werde 
(nur auf Anrufen?). Dem gesicherten Staate liegt 
als Pflicht ob: nichts zu tun, was die Verpflich- 
tung des Garanten erschweren könnte, auch keine 
wesentliche Veränderung des garantierten Zu- 
stands seinerseits vorzunehmen. Bei einer Kollek- 
tivgarantie (z. B. Unabhängigkeit und Integri- 
tät der Türkei, Vi v. 15. 4. 56, Integrität Nor- 
wegens v. 2. 11.07) würde jeder der Garanten für 
sich verpflichtet sein, ohne Rücksicht auf den Mit- 
garanten einzugreifen, von dem Mitgaranten aber 
auch berechtigt sein, ein Eingreifen zu fordern. 
Hiermit im Widerspruche steht die Auffassung der 
englischen Regierung über die Pflichten aus dem 
Vertrag über die Neutralität von Luxemburg 
(1867). Auch heut noch dürfte das Wort Fried- 
richs des Großen von dem „Filigranwerke“ der 
Garantieverträge nicht unzutreffend sein., 
Quabbe,] Völkerrechtliche Garantie, 1911; Send- 
ler, Bölkerr. Garantie, Diss. Breslau 1910; Gefscken 
(oben 3 2 II) Grosch, Der Zwang im Bölkerrecht, 1912, 
67 f; Erich, 3 f. BVölkerrecht 7, 1913, 452. 
##8. Aendernugsund Endigung. 
I. Aenderungen' des Staatsver- 
trages erfordern für die Regel den gleichen 
Vorgang wie Neuschöpfung; Erleichterungen auch 
in minder bedeutsamen Fällen finden sich nur 
vereinzelt (z. B. beim Weltpostvertrage). 
1. DAenderungen des Staatsge- 
biets durch Abtretung oder Neuerwerb be- 
rühren die Wirksamkeit der St V an sich nicht: die 
St V haften am Subiekt, nicht am Objekt, wachsen 
und schwinden in ihrer Erstreckung also automa- 
tisch mit der Gebietsverschiebung (Grundsatz der 
sog. beweglichen Vertragsgrenzen). Anders steht 
es mit denjenigen St V, die gerade das durch die 
Abtretung betroffene Gebietsstück betreffen (z. B. 
Grenzverträge, Rheinschiffahrtsakte für Elsaß- 
Lothringen an Stelle Frankreichs). Hier wird 
als Parteiabsicht eine Rechtsnachfolge des Er- 
werbers in die Pflichten bezüglich dieses Ge- 
bietsteils zu vermuten sein lz. B. über Hüningen 
Staatsdienstbarkeiten S 472)], namentlich wenn 
die Pflicht aus einem Kollektivvertrage herrührt 
(vgl. Schönborn 44, 47). Dies trifft jedoch nicht 
zu, wenn der St V das abgetretene Gebiet nur 
in seiner Eigenschaft als Bestandteil des früheren 
Staates mitbetraf. Das ist namentlich auch der 
Fall, wenn der St V spezifisch politisch ist, wie 
bei der Neutralisierung eines Staates; hier kann 
er für abgetrennte Gebietsstücke keine Fortgeltung 
finden (AM Huber, Staatensukzession). 
  
2. Für DAenderungen im Bestehen 
eines Vertragsteiles lassen sich fol- 
gende (nicht immer befriedigende) Grundsätze 
aufstellen: 
a) Untergang des ganzen Staa- 
tes durch Anfall an einen andern Staat (In- 
korporation, Annexion) macht auch die St V des 
annektierten Staates hinfällig. Andererseits deh- 
nen sich die St V des annektierenden Staates 
von selbst auch auf das erworbene Gebiet aus. 
Das Haften gewisser Verträge am Gebiete (Wege, 
Eisenbahnen) läßt aber auch in solchem Falle 
die Verträge fortbestehen, es sei denn daß sie 
einen politischen Einschlag haben (Etappenstraßen). 
Beispiele ergeben die Verhältnisse infolge der 
Angliederung Hannovers an Preußen (1866). 
b) Losreißung (Emanzipation) eines 
Staatsteils als revolutionärer Akt kann einen 
Uebergang der St V (mit) auf den neuen Staat 
von Rechts wegen nicht herbeiführen (anders 
äußerte sich Fürst Bismarck auf dem Berliner 
Kongreß 1878); nur würden auch hier spezifisch 
territoriale Belastungen abweichend zu beurteilen 
sein.. Indes werden politische Gründe hier be- 
sonders den neuen Staat zu einem Eintritte in 
den St V veranlassen, um die Vertragsstaaten 
eher seiner Anerkennung geneigt zu machen. Da- 
nach zeigt praktisch die Lage ein anderes Gesicht 
als nach strengem Rechte (vgl. für das Deutsche 
Reich gegenüber der Republik Panama: Martens 
recueil 3. Reihe 3, 343). 
c) Beim Zerfallen eines Staates 
wird man unterscheiden müssen, ob und inwie- 
weit der gerfall gleichbedeutend ist mit dem An- 
falle der Teile an fremden Staaten (= a) oder 
dem Aufsteigen zur Selbständigkeit (= b). 
d) Staatlicher Zusammenschluß 
vernichtet grundsätzlich mit dem bisherigen Ver- 
tragssubjekt auch die bestehenden Vertragspflich- 
ten. Jedoch ist diese scharfe Folge nur bei dem — 
kaum praktischen — Zusammenschluß zu einem 
Einheitsstaate zu ziehen. Nicht ohne weiteres 
liegt die Staatspraxis so bei dem Zusammen- 
schluß zu einem Bundesstaate; hier hängt es 
davon ab, inwieweit die Gliedstaaten eine völker- 
rechtliche Selbständigkeit bewahren: im Deutschen 
Reiche ist sie ihnen grundsätzlich verblieben, ab- 
gesehen von politischer Betätigung (vgl. § 4 II). 
M. Huber, Die Staatensukzession, 1898; Kiati- 
bian, Conséquences juridiques de la transformation 
des états sur les traltes (these, Paris 1892); Schön- 
born, Staatensukzession (in Stier-Somlos Handbuch des 
Bölkerrechts II 2), 1913; M. F. Michel, Die Einver- 
leibung Frankfurts in den preußischen Staat, Diss. Mar- 
burg o. J. (9109); allgemein auch E. Kaufmann, 
Auswärtige Gewalt und Kolonialgewalt in den V. St. v. 
Amerika, 1908, 25 f. 
II. Zeitweiliges Außerkraftsetzen 
könnte als Vergeltungsmaßnahme / Retorsion!, 
doch nicht bloß als solche, in Betracht kommen, 
vielmehr auch in Fällen, die an sich Anlaß zur Lö- 
sung des St V(vgl. III) bieten. 
Störk, Arch efsR 9, 1894, 23 #g 
III. Endigung. 
1. Alle „Ewigkeit“ der St V ist relativ, nach 
menschlichem Maße zu messen. In diesem Sinne 
wollen ewig, auf unabsehbare Dauer berechnet 
sein St V, die einen Zustand festlegen, Grenzver- 
träge, Friedensverträge, Staatsorganisationen 
33“ 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.