Staatsverträge
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Gleiche, und namentlich nicht immer etwas recht-
lich scharf Ueberdachtes gemeint. Sie kommt auch
als Zusage der Sicherung des Schuldners wie eine
kumulative Schuldübernahme vor (z. B. im Bardo-
vertrag zwischen Frankreich und Tunis v. 12. 5. 81
a 4). Ihr Wesen ist aber die Vereinbarung, dafür
einzustehen, daß ein bestimmtes Recht eines Staa-
tes von dritter Seite nicht verletzt werde. Der
Vertrag ist nur selten für relative Rechte (Beispiele
Quabbe S 117), dagegen wesentlich praktisch zur
Sicherung territorialen Besitzstands und der Neu-
tralität eines Staates — und hier durch Kollektiv-
verträge — und fällt damit für unsere Betrach-
tung, der Sicherung eines St V, meist aus. Der
Garant hat sich dafür einzusetzen, nötigenfalls
mit Waffengewalt, daß eine Verletzung des garan-
tierten Zustandes vermieden oder beseitigt werde
(nur auf Anrufen?). Dem gesicherten Staate liegt
als Pflicht ob: nichts zu tun, was die Verpflich-
tung des Garanten erschweren könnte, auch keine
wesentliche Veränderung des garantierten Zu-
stands seinerseits vorzunehmen. Bei einer Kollek-
tivgarantie (z. B. Unabhängigkeit und Integri-
tät der Türkei, Vi v. 15. 4. 56, Integrität Nor-
wegens v. 2. 11.07) würde jeder der Garanten für
sich verpflichtet sein, ohne Rücksicht auf den Mit-
garanten einzugreifen, von dem Mitgaranten aber
auch berechtigt sein, ein Eingreifen zu fordern.
Hiermit im Widerspruche steht die Auffassung der
englischen Regierung über die Pflichten aus dem
Vertrag über die Neutralität von Luxemburg
(1867). Auch heut noch dürfte das Wort Fried-
richs des Großen von dem „Filigranwerke“ der
Garantieverträge nicht unzutreffend sein.,
Quabbe,] Völkerrechtliche Garantie, 1911; Send-
ler, Bölkerr. Garantie, Diss. Breslau 1910; Gefscken
(oben 3 2 II) Grosch, Der Zwang im Bölkerrecht, 1912,
67 f; Erich, 3 f. BVölkerrecht 7, 1913, 452.
##8. Aendernugsund Endigung.
I. Aenderungen' des Staatsver-
trages erfordern für die Regel den gleichen
Vorgang wie Neuschöpfung; Erleichterungen auch
in minder bedeutsamen Fällen finden sich nur
vereinzelt (z. B. beim Weltpostvertrage).
1. DAenderungen des Staatsge-
biets durch Abtretung oder Neuerwerb be-
rühren die Wirksamkeit der St V an sich nicht: die
St V haften am Subiekt, nicht am Objekt, wachsen
und schwinden in ihrer Erstreckung also automa-
tisch mit der Gebietsverschiebung (Grundsatz der
sog. beweglichen Vertragsgrenzen). Anders steht
es mit denjenigen St V, die gerade das durch die
Abtretung betroffene Gebietsstück betreffen (z. B.
Grenzverträge, Rheinschiffahrtsakte für Elsaß-
Lothringen an Stelle Frankreichs). Hier wird
als Parteiabsicht eine Rechtsnachfolge des Er-
werbers in die Pflichten bezüglich dieses Ge-
bietsteils zu vermuten sein lz. B. über Hüningen
Staatsdienstbarkeiten S 472)], namentlich wenn
die Pflicht aus einem Kollektivvertrage herrührt
(vgl. Schönborn 44, 47). Dies trifft jedoch nicht
zu, wenn der St V das abgetretene Gebiet nur
in seiner Eigenschaft als Bestandteil des früheren
Staates mitbetraf. Das ist namentlich auch der
Fall, wenn der St V spezifisch politisch ist, wie
bei der Neutralisierung eines Staates; hier kann
er für abgetrennte Gebietsstücke keine Fortgeltung
finden (AM Huber, Staatensukzession).
2. Für DAenderungen im Bestehen
eines Vertragsteiles lassen sich fol-
gende (nicht immer befriedigende) Grundsätze
aufstellen:
a) Untergang des ganzen Staa-
tes durch Anfall an einen andern Staat (In-
korporation, Annexion) macht auch die St V des
annektierten Staates hinfällig. Andererseits deh-
nen sich die St V des annektierenden Staates
von selbst auch auf das erworbene Gebiet aus.
Das Haften gewisser Verträge am Gebiete (Wege,
Eisenbahnen) läßt aber auch in solchem Falle
die Verträge fortbestehen, es sei denn daß sie
einen politischen Einschlag haben (Etappenstraßen).
Beispiele ergeben die Verhältnisse infolge der
Angliederung Hannovers an Preußen (1866).
b) Losreißung (Emanzipation) eines
Staatsteils als revolutionärer Akt kann einen
Uebergang der St V (mit) auf den neuen Staat
von Rechts wegen nicht herbeiführen (anders
äußerte sich Fürst Bismarck auf dem Berliner
Kongreß 1878); nur würden auch hier spezifisch
territoriale Belastungen abweichend zu beurteilen
sein.. Indes werden politische Gründe hier be-
sonders den neuen Staat zu einem Eintritte in
den St V veranlassen, um die Vertragsstaaten
eher seiner Anerkennung geneigt zu machen. Da-
nach zeigt praktisch die Lage ein anderes Gesicht
als nach strengem Rechte (vgl. für das Deutsche
Reich gegenüber der Republik Panama: Martens
recueil 3. Reihe 3, 343).
c) Beim Zerfallen eines Staates
wird man unterscheiden müssen, ob und inwie-
weit der gerfall gleichbedeutend ist mit dem An-
falle der Teile an fremden Staaten (= a) oder
dem Aufsteigen zur Selbständigkeit (= b).
d) Staatlicher Zusammenschluß
vernichtet grundsätzlich mit dem bisherigen Ver-
tragssubjekt auch die bestehenden Vertragspflich-
ten. Jedoch ist diese scharfe Folge nur bei dem —
kaum praktischen — Zusammenschluß zu einem
Einheitsstaate zu ziehen. Nicht ohne weiteres
liegt die Staatspraxis so bei dem Zusammen-
schluß zu einem Bundesstaate; hier hängt es
davon ab, inwieweit die Gliedstaaten eine völker-
rechtliche Selbständigkeit bewahren: im Deutschen
Reiche ist sie ihnen grundsätzlich verblieben, ab-
gesehen von politischer Betätigung (vgl. § 4 II).
M. Huber, Die Staatensukzession, 1898; Kiati-
bian, Conséquences juridiques de la transformation
des états sur les traltes (these, Paris 1892); Schön-
born, Staatensukzession (in Stier-Somlos Handbuch des
Bölkerrechts II 2), 1913; M. F. Michel, Die Einver-
leibung Frankfurts in den preußischen Staat, Diss. Mar-
burg o. J. (9109); allgemein auch E. Kaufmann,
Auswärtige Gewalt und Kolonialgewalt in den V. St. v.
Amerika, 1908, 25 f.
II. Zeitweiliges Außerkraftsetzen
könnte als Vergeltungsmaßnahme / Retorsion!,
doch nicht bloß als solche, in Betracht kommen,
vielmehr auch in Fällen, die an sich Anlaß zur Lö-
sung des St V(vgl. III) bieten.
Störk, Arch efsR 9, 1894, 23 #g
III. Endigung.
1. Alle „Ewigkeit“ der St V ist relativ, nach
menschlichem Maße zu messen. In diesem Sinne
wollen ewig, auf unabsehbare Dauer berechnet
sein St V, die einen Zustand festlegen, Grenzver-
träge, Friedensverträge, Staatsorganisationen
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