Stempelsteuer
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von Privaturkunden befreit. Enthält eine Urkunde
mehrere Rechtsgeschäfte, so ist nach allgemein
geltendem Stempelrechtsgrundsatz die Urkunde
mit der Summe der für jedes Geschäft erforder-
lichen Stempelbeträge zu belegen.
d) Stempelschuldner sind bei öffent-
lichen Urkunden die Veranlasser, bei einseitigen
privaten Urkunden die Aussteller, bei Verträ-
gen alle Teilnehmer. Mehrere Schuldner haf-
ten solidarisch. Für die Entrichtung der Steuer
haften die mit juristischer Persönlichkeit ausge-
statteten Gesellschaften hinsichtlich des Stempels,
der zu den von ihren Vorständen oder Geschäfts-
führern errichteten Urkunden erforderlich ist. Des-
gleichen haften Beamte und Notare, wenn sie
vor Stempelentrichtung die von ihnen aufge-
nommenen Urkunden aushändigen oder Ausfer-
tigungen oder Abschriften erteilen.
)Versteuerungsfrist.
Die Frist, innerhalb welcher der Stempel
entrichtet werden muß, ist in den einzelnen Staa-
ten verschieden bemessen; sie beträgt meist 2 Wo-
chen nach Urkundenausstellung, in Bremen 1
Woche, in Mecklenburg--Schwerin 4 Wochen. Für
einzelne Urkunden z. B. letztwillige Verfügungen
bestehen besondere Fristen.
f) Die regelmäßige Stempelstrafe be-
trägt: das Vierfache des hinterzogenen Stempels
in Preußen, Braunschweig, Schaumburg-Lippe,
Hessen, Lübeck, Elsaß-Lothringen, in allen diesen
Gesetzen mindestens 3 Mk., in Elsaß mindestens
10 Mk.; das Dreifache in Mecklenburg-Schwerin,
das Fünffache in Oldenburg, mindestens 3 Mk.;
das Vier= bis Zehnfache in Sachsen und Sachsen-
Altenburg; das Zehnfache in Anhalt, Hamburg
und Bremen. Außerdem bestehen beim Fehlen
der Hinterziehungsabsicht Ordnungsstrafen in
Sachsen, Sachsen-Altenburg, Bremen bis 150 Mk.,
in Hessen bis 200 Mk., in Preußen, Braunschweig,
Schaumburg-Lippe, Anhalt, Hamburg, Olden-
burg bis 300 Mk.; in Elsaß-Lothringen 1—20 Mk.
8g) Verjährung III.
Zu unterscheiden ist zwischen Verjährung der
Nachforderung, Verjährung der Strafverfolgung
und Verjährung der Strafvollstreckung. Die Ver-
jährungsfristen betragen z. B.: Nachforderung:
Preußen 10 und 5 Jahre, Sachsen 5 Jahre, Alten-
burg 3 Jahre, Braunschweig 4 Jahre, Anhalt 10
Jahre, Hamburg, Gotha 5 Jahre, Elsaß-Lothrin-
gen 2 und 5 Jahre — Strafverfolgung: 5 Jahre
in Preußen, Braunschweig, Hamburg; 3 Jahre:
Hessen, Sachsen, Sachsen-Altenburg, Mecklenburg,
Oldenburg, Anhalt; 2 Jahre: Elsaß — Straf-
vollstreckung: 5 Jahre in Preußen, Braunschweig,
Anhalt, Hamburg; 3 Jahre in Mecklenburg;
2 Jahre u. a. Hessen, Sachsen, Sachsen-Altenburg.
b) Beschwerde, Rechtsweg.
Das Beschwerdeverfahren ist kom-
pliziert. Es ist zu unterscheiden zwischen einfacher
Beschwerde und Rechtsbeschwerde; daneben be-
steht in den meisten Staaten der ordentliche
Rechtsweg II/I1, so in Preußen (Frist 6 Mo-
nate), Altenburg (2 Monate), Braunschweig (6
Monate), ebenso Gotha, Schaumburg-Lippe,
Hamburg, Anhalt, Lübeck, Bremen und Olden-
burg; in Bremen beträgt die Frist 4, in Olden-
burg 6 Wochen, in Anhalt 1 Jahr. Nicht der
Rechtsweg, sondern die Rechtsbeschwerde im Verw-
Streitverfahren besteht in Sachsen und Hessen.
i) Erstattung.
Die Voraussetzungen, unter denen die Er-
stattung eines Stempels stattfin-
det, sind in den einzelnen Staaten verschieden.
Aus Rechtsgründen wird erstattet, d. h.
ein Anspruch auf Erstattung ist gegeben, wenn
ein gesetzlich nicht erforderlicher Stempel ver-
wendet worden, oder das beurkundete Geschäft
nichtig ist. Die Fristen für die Geltendmachung
des Anspruches sind verschieden: Oldenburg
2 Monate; Hessen, Sachsen und Sachsen-Altenburg
1 Jahr;: Preußen, Anhalt, Braunschweig, Schaum-
burg-Lippe, Mecklenburg 2 Jahre usw. Für
Hamburg gilt das Besondere, daß ein Anspruch
auf Erstattung nur besteht, wenn die Zahlung
unter Vorbehalt erfolgt (wie beim Rechtsweg in
Reichsstempelsachen). Erstattung aus Billig-
keitsgründen kann erfolgen, wenn die
Ausführung eines Geschäftes unterblieben, oder
ein Geschäft auf Grund einer Wandlung rück-
gängig gemacht ist; so Preußen, Schaumburg-
Lippe, Braunschweig, Hamburg, Hessen. Die Be-
fugnis, einen Stempel allgemein zu erlassen, be-
steht in Anhalt, Bremen, Lübeck, Oldenburg.
Gnadenweiser Erlaß durch die Krone ist in allen
Staaten zulässig.
Erträge der Stempelsteuer
(zum Vergleiche)
Preußen: 1902: 38 421,5 1907: 4 482.1
1003: 44 011,4 1908: 45 785,5
lin 1904: 46 504.1 19009: 60 978,4
1000 Mk.] 1905: 52 820,8 1910: 70 365,1
l9os: 63 238,6 1011: e9 908,7
1904: 2 077 847
1905: 2247 281
1906: 2 111 785
1907: 1 991 900
1908: 1 920 839
1909; 3 233 707
1910: 5 170 446
1911: 5 301 206
Sachsen:
Literatur: Friedberg, Zur Theorie der St.,
Jahrb. für Nat. und Stat. 1878 (Bd. II); v. Heckel,
Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, 1907, 448 f; Art.
Stempel und Stempelabgaben im HW Staats W’, 6, S 1082
bis 1090, und im Wörterb. d. Volksw.,, 2, S996—1001;
v. Koczynski, Ueber den Ursprung der Stempel-
papierabgabe, FinanzArch 22, 441; Meyer, Wesen des
Urkundenstempels, FinanzArch 25, 1f; Schall, Ver-
kehrssteuern, in Schönbergs HB der Pol. Oek. Bd. 3;
Schäffle, Steuerpolitik, Gebühren und Stempelwesen,
der Steuern bes. Teil; v. Stein, Lehrbuch der Finanz G.
T. II Abt. 11 Bocke, Geschichte der Steuern des briti-
schen Reiches, 1866; Die Ivee der Steuer in der Geschichte,
Finanz Arch 7, 11 Wagner, Finanzwiss. 2, 3 und Erg.=
Heft; Weinbach, Die St. der deutschen Bundes-
staaten, FinanzArch 31, 82; Gebauer, Lehrbuch des
preuß. Stempelrechts, 1912.
Say, Dloctionnalre des finances, Bd. 2 Art. timdre; Say
et Chailley, Dictionnaire d’économie polltique, Bd. 2
Art. timbre; Block- Maguero, Dictionnatre de FAd-
ministration françalse; Mischler und Ulbrich,
Oesterreichisches Staatswörterbuch, Bd. 1 Art. Gebühren.
Kommentare: Zum Reichsstempelgesetz: Greiff, 1912
(Bahlen); Hoffmann im Kommentar zu den Zoll= und
Steuergesetzen des Deutschen Reiches S 608 ff, 1912 (Lieb-
mann); Lösch, 1913 (Guttentag); Weinbach, 1914 (Hey-
mann). Zum preußischen Stempelsteuergesetze: Hummel-
Specht, 1906 (Guttentag); Heinitz, 1909 (Liebmann);
v. Stengel- Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl. III. 34