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Steuerverwaltung
als indirekte Abgabewesen mit Ausnahme der in
der Verwaltung der Zolldirektion stehenden Zölle
und Reichssteuern. Unter der Steuerdirektion
(mit Katasterkontrolle) stehen die Finanzämter mit
den ihnen angegliederten Behörden 1. für Veran-
lagung: die Steuerkommissäre, deren Geschäfte
der Beaufsichtigung und Prüfung durch die Ka-
tasterkontrolle unterliegen, 2. für Erhebung: die
Steuereinnehmereien, hiervon die Obereinnehme-
reien als Bezirkssteuerkassen. Dazu kommen in den
Gemeinden die Steuererheber als Vollzugsorgane.
6. Hesse n. Finanzministerium mit einer Ab-
teilung für Steuerwesen. Dem Katasteramt liegt
insbesondere Revision der Aufstellung der Steuer-
kataster ob, der Steuerkontrolle die Prüfung der
jährlichen Heberegister. Die Veranlagung zu
leiten haben die an Stelle der Steuerkommissäre
getretenen Finanzämter (Bek v. 23. 12. 08),1) wel-
chen die Ausführung aller über die Regulierung
der direkten Steuern bestehenden Vorschriften
obliegt. Die Erhebungsbehörden sind die Rent-
ämter (in Rheinhessen: Obereinnehmereien); die-
sen unterstehen die Distriktseinnehmereien.
7. Elsaß-Lothringen. Ministerium,
Abteilung für Finanzen, Landwirtschaft und Do-
mänen (zur Durchführung der Katasterbereinigung
bestand bei demselben eine Katasterkommission,
deren Obliegenheiten aber durch G v. 26.3.91, dem
Direktor der direkten Steuern übertragen sind).
Unter dem Min steht ein Direktor der direkten
Steuern, nachdem im Jahre 1884 (G v. 27. 2. 84)
die Zusammenlegung der bis dahin bestandenen
drei Steuerdirektionen durchgeführt worden war.
Der Direktor der direkten Steuern leitet nicht nur
den Veranlagungs-, sondern auch den Erhebungs-
dienst der direkten Steuern. Das Recht der Be-
zirkspräsidenten zur Vollstreckbarkeitserklärung der
Rollen ist durch Gv. 30. 3. 96 auf den Direktor
der direkten Steuern übergegangen. Veranla-
gungsbehörden sind die Veranlagungskommissio-
nen bezw. Schätzungskommissionen, deren Leitung
den Steuerkommissionen obliegt. Erhebungsbe-
hörden die Steuerkassen (Rentmeister); der Kon-
trolldienst liegt insbesondere den Kasseninspektoren
ob. / auch „Finanzverwaltung“.
5 14. Beschließende Behörden. Im Bereiche
der direkten Steuerverwaltung kommen in Be-
tracht die Veranlagungskommissio-
nenu. Derartige Veranlagungs-(Einschätzungs-)
kommissionen, Steuergesellschaften, Steueraus-
schüsse, Schätzungsräte usw. finden sich gegenwärtig
in allen größeren deutschen Bundesstaaten und
bei allen direkten Steuern, abgesehen von ein-
zelnen Sondersteuern, namentlich solchen, bei
denen nicht nur steuerliche, sondern auch polizei-
liche Gesichtspunkte mitspielen. Die Mitglieder
der Kommissionen werden zum Teil ernannt,
zum Teil gewählt und bestätigt. Festzuhalten ist,
daß sie nur beschließende Tätigkeit ausüben und
ihre Beschlüsse nicht selbst vollstrecken können,
was vielmehr Sache des Vorsitzenden ist.
15. Erkennende Behörden. Das sind die-
jenigen Behörden, die auf Berufungen, Rekla-
mationen und Beschwerden, Rekurse gegen die
festgesetzte Veranlagung, sei es auf Anrufen des
Steuerpflichtigen, des Staatskommissars oder —
1) Hiernach sind die Anführungen unter „Finanzver-
waltung" 1 15 (Band I S. 700) zu berichtigen.
wie es bei der Grund= und Gebäudesteuer vor-
kommt — der Gemeindebehörde zu entscheiden
haben. Hier pflegt man in der Regel 2 Instanzen
zu unterscheiden. Wo es sich um sog. Remonstratio-
nen, Einsprüche handelt, wo also die Veranlagungs-
behörde zunächst selbst angerufen wird, wird diese
gewissermaßen zur erkennenden Behörde erster
Instanz. Bei Reklamationen, Berufungen geht
die Entscheidung in der Regel von einer Kommis-
sion aus, welche am Sitze der Mittelstelle (Bezirks-
regierung) einberufen wird. Indessen ist die Be-
rufungsinstanz nicht für alle Steuerarten eine
aus Laienmitgliedern — ernannten und gewähl-
ten — und einem Staatskommissar bestehenden
(Berufungs-) Kommission, vielmehr vielfach die
Terierung als Kollegium (z. B. preuß. Gewerbe-
euer).
Als letzte (2. oder 3. Instanz) ist neuerdings,
namentlich soweit es sich um Einkommen-, Ver-
mögens-, Lohn., Kapital= aber stellenweise auch
um Gewerbebesteuerung handelt und wo ein höch-
ster Verwerichtshof besteht, dieser zur Entschei-
dung hinsichtlich Gesetzesverletzungen und wesent-
licher Mängel des Verfahrens berufen, damit
den Steuerpflichtigen die bestmögliche Garantie
für eine gerechte, den gesetzlichen Bestimmungen
entsprechende Besteuerung gegeben werde (z. B.
Preußen, Sachsen, Baden, Hessen).
Dagegen bildet in Bayern die oberste Instanz
eine Oberberufungskommission. In Württem-
berg bildet die letzte Instanz das Finanzmini-
sterium (EinkSt G v. 8. 8. 03 a 62, KapSt
à 19). Bei der Gewerbesteuer ist hier ebenfalls
das Finanzministerium letzte Instanz. In Elsaß-
Lothringen fehlt eine dritte Instanz (GewSt#
v. 8. 6. 96 J 29, KapSt G v. 13. 7. 01 124).
Bei Steuern, deren Veranlagung bereits durch
die steuerlichen Berufsbehörden erfolgt, liegt auch
in der Hand einer Berufsbehörde (Regierungen,
Finanzminister) die höhere Entscheidung.
Literatur: Es muß auf die im vorstehenden Text
enthaltenen Angaben sowie auf die zu den einzelnen direkten
Steuern gegebenen Nachweise Bezug genommen werden.
Von den auf die Verwaltung der direkten Steuern bezüg-
lichen Ausführungen sind noch hervorzuheben: G. Meyer
Lehrbuch des deutschen Verwf 3. Aufl. 1910 S. 640/560;
Wagner, Finanzwissenschaft, II8 1890: Die allgemeinen
Grundsätze und Aufgaben der Steuerverwaltung, 689 ff.;
Waaner, Direkte Steuern, Abschn.: Die verwaltungs-
technischen Aufgaben bei der modernen direkten Besteuerung
in Schönberg 3. Aufl. S. 207; Schäffle, Die
Grundsätze der Steuerpolitik, 1880 S. 259 ff; Schäffle
in Frankensteins Hand- und Lehrbuch der Staatswissen-
schaften: Die Steuern I. 1895; Roscher, System der
Finanzwissenschaft, neu herausgegeben von Gerlach,“
1901 3 66 ff; Fuisting, Grundzüge der Steuerlehre,
1902.
S. ferner v. Mayr Art. Steuerverwaltung in der
1. Aufl. dieses Werkes, Band II S. 550—565.
1 Steuern, Zollwesen. D. Schwars.