Thüringische Staaten (C. Reuß)
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jährige Schulpflicht. Kollegiale Schulvor-
stände in jeder Gemeinde, Kreisschul-
ämter, bei denen je ein Kreisschulinspektor als
Staatsbeamter angestellt ist und Landes-
schulbehörde mit Landesschulinspektor. —
Die Gemeinden können höhere Gemeinde-
schulen durch Ortsgesetz errichten, G v. 9. 3. 12.—
Zur Errichtung von privaten Lehr= und
Unterrichtsanstalten ist staatliche Genehmigung er-
forderlic: Fortbildungsschulen für
Knaben: G v. 15. 1. 76, für Mädchen (Ortsgesetz
der Gemeinde) v. 13. 12. 06.
VIII. Die Polizei. Die Gemeinden üben
die Ortspolizei im Auftrage des Staates
auf ihre Kosten aus. Durch G v. 29. 3. 54 ist die
Befugnis der PolBehörden, aus dringenden
Gründen des öffentlichen Wohls oder wegen Ab-
wendung von Gefahren für das Leben, die Ge-
sundheit oder das Vermögen, allgemeine Straf-
androhungen zu erlassen, geregelt; das Straffest-
setzungsrecht durch G v. 17. 5. 73 und das Verw-
Zwangsverfahren durch Gv. 19. 7. 99, geändert
4. 3. 04 sowie durch ## 14—16, 18 und 19 des
Gv. 26. 5. 79.
Die Gesetze und die vom Fürsten oder den
Oberbehörden ausgehenden, nicht bloß für ein-
zelne Orte oder Personen bestimmte Verord-
nungen werden in einer Gesetzsammlung abge-
druckt und treten, wenn kein anderer Zeitpunkt
angegeben ist, mit Beginn des 8. Tages nach der
Ausgabe in Kraft: G v. 13. 3. 50 und 13. 12. 59,
V v. 19. 12. 93.
Literatur: Schambach, Si des Fürstentums
Schwarzburg-Sondershausen 1884 (Marquardsen); Lang-
bein, Das Staats= und Verwaltungsrecht des Fürsten-
tums Schwarzburg-Sondershausen, 1909.
Die Gesetze und die vom Fürsten oder den Cber-
behörden ausgehenden, nicht bloß für einzelne Orte oder
Personen bestimmte Verordnungen werden seit 1. 1. 37
in einer „Gesetzsammlung“ abgedruckt und treten, wenn
kein anderer Zeitpunkt angegeben ist, mit Beginn des
8. Tages nach der Ausgabe in Kraft (G v. 13. 3. 50 und
13. 12. 59, B v. 19. 12. 93). Die vor dem 1. 1. 37 erlassenen
Gesetze und Verordnungen sind in einem Sammelbande er-
schienen (Verlag der Gcsetz-Sammlung: Friedrich August
Eupel in Sondershausen). Lansbein.
C. Neut älterer und jüngerer Linie
Gürstentümer)
Im Bundesrate je 1 Stimme. Im Reichstage
je 1 Abgeordneter.
Reuß äl. L. 316,285 qkm — 72 769 Einwohner
(1910) — auf 1 qkm 230,7 Einwohner.
Etat 1. 4. 13/31. 3. 14: 1 789 108 Mk.
Reuß i. L. 826,7109 qkm — 152 752 Einwohner
(1910) — auf 1 qkm 184,8 Einwohner.
Etat 1911/13: 2779 301 Mk.
!1 1. Landesberr. # 2. Volksvertretung. 1 3. Behörden
und Beamte. 1 4. Berwaltungszweige.
# 1. Ter Landesherr. Als Ahnherren des
gemeinsamen Fürstenhauses gelten Erkenbert von
Weida (urkundl. 1122—2) und sein Sohn Hein-
rich der Fromme von Weida (1130—1172). Ihre
männlichen Nachkommen führen sämtlich den
Rufnamen Heinrich. Der Gesamtbesitz des sich
vom 13. Jahrhunderte an verzweigenden Hauses
war sehr ausgedehnt, ging dann aber zum großen
Teile an andere Staaten verloren. Das von einem
Zweige, den Vögten und Herren von Plauen
(Vogtland!), abstammende Haus Reuß verdankt
seinen Namen wahrscheinlich irgend einer Be-
ziehung zu Rußland. Heinrichs XIII. (gest. 1535)
drei Söhne teilten sich 1564 in das reußische Ge-
biet und begründeten die ältere, die mittlere und
die jüngere Linie. Die mittlere starb 1616 aus.
In der älteren Linie fanden wiederholt
Teilungen des Landes statt, besonders im 17. Jahr-
hunderte, bis Heinrich Xl. (1722—1800) die Teile
1768 wieder unter sich vereinigte: seit 1673
„Grafen“, seit 1778 „Reichsfürsten“. In der
jüngeren Linie erfolgten ebenfalls Tei-
lungen: Haus Gera (ausgest. 1802), Schleiz, Loben-
stein-Ebersdorf (1848 verzichtet zugunsten von
Schleiz) und Saalburg (bis 1666); 1848 wurden
die Teile unter dem Schleizer Hause wiederver-
einigt: 1673 „Grafen“, 1806 „Fürsten“. Vom
Hause Schleiz hat sich 1692 die Nebenlinie Reuß-
Köstritz abgezweigt, die, weil inzwischen Primo-
geniturrecht eingeführt war, keinen Landesteil
erhielt, sondern mit Paragiatbesitz abgefunden
wurde. Durch einen Geschlechtsrezeß des Gesamt-
hauses Reuß i. J. 1668 ist für beide Linien die
Erbfolge im Mannesstamme nach Primogenitur-
recht festgelegt. In einem weiteren Rezesse von
1681 ist die Unteilbarkeit jedes der beiden Staaten
und für das Aussterben der einen Linie im
Mannesstamme die Erbfolge der anderen verein-
bart worden. Bei dem zu erwartenden Aussterben
der älteren Linie mit dem sehigen regierungsun-
fähigen Fürsten (Heinrich XXIV.) wird der Fürst
der jüngeren Linie Nachfolger werden, also Per-
sonalunion eintreten.
A. Aeltere Linie. Der Fürst ist Träger
der Staatshoheit; er beruft, eröffnet, vertagt,
schließt den Landtag und löst ihn auf. Er verkün-
det die mit Zustimmung des Landtags zustande-
gekommenen Gesetze. Er ernennt die Staatsbe-
amten. Er hat das Begnadigungs= und das
Abolitionsrecht und die Ausübung der Kirchen-
gewalt über die evangelisch-lutherische Landes-
kirche. Seine Regierungsakte bedürfen der Gegen-
zeichnung der Landesregierung.
Das Kammervermögen war durch Vt v. 30. 6.
51 zwischen Staat und landesherrlicher Familie
dem Staate gegen Gewährung einer Zivilliste
zuerkannt worden. Das Verfassungsgesetz hat es.
aber für Eigentum (Familienfideikommiß) des
fürstlichen Hauses erklärt; die Leistungen des
Staats an den Fürsten sind weggefallen. Verwal-
tet wird dieses Vermögen durch die Fürstl. Kam-
mer in Greiz, die als Behörde gilt und unmittel-
bar unter dem Fürsten steht.
B. Jüngere Linie. Wie unter A Abft. 1.
Die Gegenzceichnung hat das Ministerium.
Die zum Domanium gehörenden Besitzungen
sind als landesherrliches Fideikommißvermögen
und reines Privateigentum des fürstlichen Hauses
anerkannt. Von diesem Vermögen sind 1 000 000
Mark an den Staat zu zahlen und mit 4% zu
verzinsen (G v. 23. 11. 80, die Bildung eines