Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Unfallversicherung (Landwirtschaftliche) 
  
13 Wochen hat einem verletzten Arbeiter 
hier die Gemeinde des Beschäftigungsorts, nicht 
der Unternehmer, Krankenhilfe, anschließend an 
die Leistungen der K V, zu gewähren, sofern der 
Verletzte nicht unmittelbar auf Grund der letzteren 
Anspruch auf eine gleiche Fürsorge hat, was jetzt 
nach der reichsgesetzlichen Unterstellung der Land- 
wirtschaft unter die K V meistens der Fall sein 
wird. Als Grundlohn für das Krankengeld gilt der 
Ortslohn des Beschäftigungsorts. Auf Erfordern 
der Gemeinde hat die Landkrankenkasse, eventuell 
die allgemeine Ortskrankenkasse des Wohn= oder 
Aufenthaltsorts, gegen Ersatz die Krankenhilfe zu 
übernehmen. Ein Unfallzuschuß findet hier nicht 
statt (SS 942—949). Z 
7. Während nach allgemeinen Vorschriften 
(§s§ 120 f) nur gegenüber Trunksüchtigen eine Um- 
wandlung von Bar= in Sachleistungen statt- 
findet, ist bei der land wirtschaftlichen U V dieselbe 
in sehr viel weiterem Umfange zugelassen (8#8 953 
bis 954). Sie kann eintreten, wenn die Renten- 
empfänger oder ihre Ernährer als landwirtschaft- 
liche Arbeiter nach Ortsgebrauch ganz oder teil- 
weise in Sachen gelohnt wurden und der Bezugs- 
berechtigte mit der Umwandlung einverstanden ist; 
übrigens bezieht sie sich nur auf Renten und darf 
5 derselben nicht übersteigen. Die Umwandlung 
kann durch Kommunalstatut für die im Bezirk 
wohnenden Rentner eingeführt werden; die Ge- 
währung der Sachbezüge erfolgt, nach Festsetzung 
ihres Werts durch die höhere Verw Behörde, sei- 
tens der Wohnortsgemeinde, auf die der Renten- 
anspruch entsprechend dafür übergeht. 
8. Die Mittelbeschaffung (588 988 ff) 
vollzieht sich bei der landwirtschaftlichen UV in 
manchen Punkten anders, als bei der gewerblichen. 
Zunächst sind schon die Umlagemaßstäbe mannig- 
faltiger als bei der letzteren. Voran steht der ge- 
setzliche „Maßstab des Arbeitsbedarfs und der 
Gefahrklassen“; aber auch dieser weicht schon in 
zwei Punkten wesentlich von dem gesetzlichen Maß- 
stab der gewerblichen UV ab. Denn während 
letzterer den wirklichen Entgelt, den die Versicher- 
ten in den Betrieben verdient haben, zugrunde 
legt, bringt bei der landwirtschaftlichen UV die 
weitgehendste Berücksichtigung von Klassenlöhnen 
bei der Rentenbemessung es mit sich, daß jeden- 
falls insoweit auch ein abgeschätztes Durchschnitts- 
maß der menschlichen Arbeit, die zur Bewirtschaf- 
tung des Betriebs erforderlich ist, der „Arbeitsbe- 
darf“, in Verbindung mit dem Werte dieser Ar- 
beit, der sich aus den festgesetzten Durchschnitts- 
löhnen ergibt, für die Verteilung der Genossen- 
schaftslast auf die Mitglieder bestimmend sein kann. 
Was aber den zweiten Faktor der Bemessung, die 
Gefahrenhöhe anlangt, so ist hier unter Berück- 
sichtigung der tatsächlichen Verhältnisse solchen 
Genossenschaften, deren Betriebe sich in der Un- 
fallgefahr nur wenig unterscheiden, die Befugnis 
gewährt, von der Aufstellung von Gefahrenklassen 
mit Genehmigung des RM abzusehen (* 979). 
Im übrigen gibt das Gesetz eingehendere Vor- 
schriften über die Abschätzung des Arbeitsbedarfs 
und die Veranlagung der Betriebe zu den Gefahr- 
klassen durch die Genossenschaftsorgane, über die 
gemeindeweise Auslegung der das Ergebnis ent- 
haltenden Verzeichnisse, die Rechtsmittel, die dem 
Unternehmer dagegen zustehen, und die periodische 
Nachprüfung von Abschätzung und Veranlagung. 
  
Statt dieses gesetzlichen Maßstabes kann unter 
gewissen Voraussetzungen die Satzung mit Zwei- 
drittelmehrheit auch den Maßstab des Steuerfußes 
zugrunde legen und bestimmen, daß die Beiträge 
der Mitglieder durch Zuschläge zu direkten Staats- 
oder Gemeindesteuern aufgebracht werden sollen. 
Wird dabei, was am nächsten liegt, als Maßstab die 
Grundsteuer genommen, so kann sie auch die Zah- 
lung der Zuschläge dem Grundsteuerpflichtigen auf- 
erlegen, dem es dann überlassen bleibt, den Beitrag 
vom Betriebsunternehmer, z. B. dem Pächter 
wieder einzuziehen. Endlich können auch noch 
andere angemessene Maßstäbe gewählt werden, 
für welche das Gesetz Beispiele (Kulturart, Fläche# 
in Verbindung mit der Grundsteuer, Reinertrag, 
Ertragswert) darbietet. 
Bei der Erhebung der Beiträge werden die 
Gemeindebehörden hier in ähnlicher Weise heran- 
gezogen, wie bei der Prämieneinziehung für 
längere Bauarbeiten (oben §5 13 Nr. 2). Es können 
aber seitens der Genossenschaft Unternehmer klei- 
nerer Betriebe mit geringer Unfallgefahr, die nur 
ausnahmsweise Versicherungspflichtige gegen Ent- 
gelt beschäftigen, von Beiträgen ganz oder teil- 
weise, unbeschadet der Versicherung der Betriebe, 
befreit werden. 
9. Die Pflicht, Unfallverhütungsvor- 
schriften zu erlassen, liegt auch den landwirt- 
schaftlichen BG# ob. Zur Erzwingung kann das 
RVA von allen seinen Aufsichtsmitteln Gebrauch 
machen; doch ist ihm die Oktroyierung von Unfall- 
Whliungsvorschristen untersagt (55 1030 ff, 975 
10. Der Landesgesetzgebung sind auf 
dem Gebiete der landwirtschaftlichen UB# weit- 
gehende Befugnisse zur Abänderung des Reichs- 
gesetzes beigelegt (§§# 1034 ff). So kann Landes- 
gesetz von sich aus eine Versicherungspflicht der 
Unternehmer einschließlich ihrer Ehegatten, unbe- 
schadet allerdings weitergehender Satzungsbestim- 
mungen, begründen, sowie andererseits andere An- 
gehörige des Unternehmers für versicherungsfrei 
erklären. Namentlich aber kann sie die Abgren- 
zung der B, ihre Verfassung und Verwaltung, 
die Mittelbeschaffung unter Befreiung der Unter- 
nehmer kleiner oder ungefährlicher Betriebe von 
der Beitragspflicht, abweichend von den Vor- 
schriften der RVO regeln und dabei zugleich die 
Organe, insbesondere Staats= oder Gemeinde- 
behörden, bezeichnen, die die BG verwalten und 
die Funktionen ihrer Vorstände wahrnehmen sol- 
len. Für eine landesgesetzlich gebildete BG muß 
aber auch der Einzelstaat die Garantie (oben 
5s6 Nr. 3) übernehmen. 
Aus Grund der reichsgesetzlichen Ermächtigung gilt jetzt in 
Preußen das Gov. 23. 7. 12. Nach ihm besteht grundsätzlich 
für jede Provinz eine landw. B. Die hohengollernschen 
Lande sind mit der Rheinprovinz, die Stadt Berlin mit der 
Provinz Brandenburg vereinigt. Auch sind einzelne außer- 
preußische Gebietsteile den preußischen B angeschlossen 
(AN 1912 S 1050 ff). Die Be zerfallen in Sektionen, die 
von den Kreisen (OCberamtsbezirken) gebildet werden. Die 
Genossenschaftsversammlung besteht aus Vertretern, über 
deren sektionsweise Wahl durch Gemeindeorgane und 
Wahlmänner 1 3 Bestimmungen trifft. Sektionsversamm- 
lungen finden nicht statt. Besonders bemerkenswert ist, daß 
die Geschafte des Genossenschafts= und des Sektionsvor- 
standes kraft Gesetzes (ugl. oben Nr. 4) durch Organe der 
kommunalen Selbstverwaltung, den Provinzial-
	        
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