Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Universitäten 
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An gesetzlicher Regelung der Rechtsverhältnisse 
der U. fehlt es im allgemeinen, selbst wo wie in 
Preußen nach a 26 V die gesetzliche Regelung 
verfassungsmäßige Forderung ist. Nur einzelne 
Gegenstände, wie z. B. das Disziplinarrecht sind 
durch Gesetz geregelt. Die vereinzelten Bestim- 
mungen des ALN II, 12 &58 67 ff sind veraltet. 
Die U. haben schon nach den Rechtsgrundlagen 
nicht die gesetzlich geregelte Selbstverwaltung des 
Rechtsstaates, sondern die des Polizeistaates. 
Die Regelung der Rechtsverhältnisse fällt daher 
im wesentlichen der Verordnung anheim. Aller- 
dings heißt die Regelung der Verfassung der 
U. „Universitätsstatut“, die der Verfassung der 
einzelnen Fakultät „Fakultätsstatut“. Aber nur 
dieser Name erinnert daran, daß es ursprünglich 
autonome Satzungen der U. und der Fakultäten 
waren, worauf die Verfassung der Gesamtheit und 
der einzelnen Teile beruhte. Inzwischen ist der 
Durchgang durch den Polizeistaat erfolgt. Dieser 
hatte das Satzungsrecht erst von seiner Genehmi- 
gung abhängig gemacht, dann die Genossenschaft 
auf bloße Vorschläge beschränkt und schließlich die 
Regelung ganz an sich gezogen. Trotzdem erhielt 
sich der Name des Statuts. So ist es noch heute. 
Das U. Statut ist eine Kagl Verordnung, vor dessen 
Erlasse die U. Organe nicht einmal gehört zu wer- 
den brauchen; das Fakultätsstatut ein Ministerial- 
erlaß, da das U. Statut den Minister mit der wei- 
teren Ausführung beauftragt hat. Nur vereinzelt, 
wie in Straßburg, ist wenigstens den Fakultäten 
der Erlaß ihrer Statuten unter höherer Bestäti- 
gung überlassen worden. 
Damit steht die ganze Selbstverwaltung zur 
Verfügung der Regierung und Verwaltung. Denn 
eine verfassungsmäßige Selbstverwaltung kann 
dem nicht entgegengehalten werden, der Herr der 
Statuten ist. Kgl Verordnung und MinErlaß 
können aber jederzeit die geltenden Statuter ohne 
Befragung der beteiligten Körperschaft ändern 
und damit in ihre Selbstverwaltung eingreifen. 
§ 3. Verfassung. 
I. Die Universitäten sind juristische Per- 
sonen, nach dem ALR II, 12 5 67 privi- 
legierte Korporationen. Nach Ur- 
sprung und geschichtlicher Entwicklung sind die 
U. Genossenschaften und haben die äußeren For- 
men solcher bis in die Gegenwart behauptet. 
Auf privatrechtlichem Gebiete für die Vertre- 
tung vermögensrechtlicher Interessen hat aber 
die Verw Praxis des 19. Jahrhunderts die U. 
zu Anstalten herabgedrückt. Denn die Ver- 
mögensverwaltung erfolgt meist nicht durch die 
genossenschaftlichen Organe, sondern durch die 
Kuratoren, die Kommissare des Ministeriums. 
In Süddeutschland bestehen für diesen Zweck 
sesilues4hüsfe unter Beteiligung der Profes- 
oren. 
Das eigene Vermögen der U. ist meist Verw- 
Vermögen, bestehend in den U. Gebäuden, oder 
Zweckvermögen für bestimmte Aufgaben, wie Sti- 
pendien. Finanzvermögen, aus dessen Erträgen 
der Unterhalt der U. teilweise bestritten wird, 
kommt nur bei einigen aus dem Mittelalter stam- 
menden U. in Betracht. Im übrigen erfolgt der 
Unterhalt der U. aus der Staatskasse nach Maß- 
gabe des Etats. Erst die neue Stiftungs U. Frank- 
furt . M. wird ohne Staatszuschüsse unterhalten 
werden. 
  
II. Während innerhalb der Genossenschaft ur- 
sprünglich alle Lehrer volles Aktivbürgerrecht hat- 
ten, wurde im Laufe der Zeit die Verfassung 
immer oligarchischer. Zuerst wurden aus der Selbst- 
verwaltung von U.und Fakultät die Privatdozenten, 
dann auch die außerordentlichen Professoren aus- 
geschieden, so daß nur die ordentlichen Professoren 
übrig blieben. Erst neuerdings gewährt man den 
außerordentlichen Professoren wieder einige Rech- 
te, so namentlich bei der Rektorwahl. In Preußen 
ist allgemein durch AE v. 30. 5. 10 den etatsmäßi- 
gen außerordentlichen Professoren, jedoch höch- 
stens in Zahl der Hälfte der ordentlichen, Teil- 
nahme an der Rektorwahl und für in der Fakultät 
nicht vertretene Sonderfächer in Angelegenheiten 
dieses Sonderfaches Sitz und Stimme in der 
Fakultät gewährt. Teilweise weitergehende Rechte 
wurden ihnen (bis Ende 1913) in Württemberg 
und in Bayern eingeräumt. 
1. Die Vertretung der gesamten Uni- 
versität erfolgt durch Rektor und Senat. Der 
Rektor (Prädikat „Magnifizenz“) wird alljährlich 
aus den ordentlichen Professoren von den ordent- 
lichen und wahlberechtigten außerordentlichen Pro- 
fessoren gewählt. Wo ein fürstlicher Herr das 
ständige Ehren-Rektorat führt, heißt der wirkliche 
Rektor Prorektor. Der Rektor ist stimmberech- 
tigter Vorsitzender des Senats. Ferner gehören 
zum Senate der Rektor des Vorjahres als Pro- 
rektor, der U.Richter, die Dekane und alljährlich 
gewählten Senatoren. Außerdem besteht bei 
einzelnen älteren U., wie Königsberg und Kiel, 
ein großes Konzilium oder Konsistorium aller or- 
dentlichen Professoren für gewisse Angelegenheiten. 
Der Umfang der Selbstverwaltung ist sehr gering. 
Sie erstreckt sich nach Ausscheidung der Vermögens- 
verwaltung über gemeinsame Veranstaltungen und 
Einrichtungen der U. und die höhere Disziplinar- 
gerichtsbarkeit über die Studierenden. Der Rektor 
bezieht (zum Teil sehr erhebliche) Gebühren aus 
Immatrikulationen usw. 
2. Die regelmäßigen Fakultäten sind die 
ursprünglichen vier, theologische, juristische, medi- 
zinische und philosophische. Breslau, Bonn, Tü- 
bingen, Straßburg und demnächst Münster haben 
eine evangelisch-theologische und eine katholisch- 
theologische, München eine staatswirtschaftliche, 
Tübingen eine staatswissenschaftliche, Straßburg 
eine mathematische und naturwissenschaftliche, 
Tübingen eine naturwissenschaftliche; in Freiburg, 
Straßburg, Würzburg, Münster, Kiel, Breslau, 
Göttingen sind die staatswissenschaftlichen Fächer 
mit den juristischen in einer rechts= und staatswis- 
senschaftlichen Fakultät verbunden. Das Lyzeum 
Hosianum in Braunsberg, das im allgemeinen den 
U. gleichsteht, hat nur eine katholisch-theologische 
und eine philosophische Fakultät. Die theologische 
Fakultät wird in Frankfurt a. M. (1914) fehlen. 
Mitglieder der Fakultät im engeren Sinne mit 
Aktivbürgerrecht sind nur die ordentlichen Pro- 
fessoren. An der Spitze steht der alljährlich von 
ihnen aus ihrer Mitte gewählte Dekan. Die 
Selbstverwaltung der Fakultäten ist bedeutender 
als die der Gesamt U. Es gehört hierher die Sorge 
für die Vollständigkeit des Unterrichtes, Erteilung 
der akademischen Grade entweder auf Antrag nach 
vorheriger Prüfung oder ohne Antrag honoris 
causa, Zulassung der Privatdozenten und Hand- 
habung der Disziplinargerichtsbarkeit über sie. 
 
	        
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