Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Unterrichtswesen (höheres) 
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VI. Ueber Prüfungen für andere 
Kategorien der Lehrer bestimmen in 
Preußen die Prüf.O für Zeichenlehrer und 
Zeichenlehrerinnen v. 31. 1. 02, die Prüf.O für 
Gesanglehrer und Lehrerinnen v. 24. 6. 10 
und die für Turnlehrer v. 15. 5. 94 (vgl. auch 
MinE v. 16. 5. 05) sowie, neben den Prüfungs- 
ordnungen für seminaristisch gebildete Lehrer, die 
für Mittelschullehrer v. 1. 7. 01; zur Vorberei-- 
tung auf die letztgenannte Prüfung sind neuer- 
dings in zahlreichen preußischen Städten staatlich 
beaussichtigte Kurse eingerichtet worden, an denen 
u. a. Hochschul- und Oberlehrer als Lehrer tätig 
sind. Von Vorbereitungsanstalten für die an- 
deren Prüfungen sind zu nennen die Kunstaka- 
demien [I|8 und verwandten Anstalten zu Berlin, 
Breslau, Königsberg und Kassel, das Kirchenmusik- 
Institut in Berlin, die Landesturnanstalt in 
Spandau, neben der die Turnlehrerkurse der 
einzelnen Provinzen zu erwähnen sind. Turn- 
lehrerprüfungen werden, meist in der Zeit von 
Februar bis Mai oder im November, in Span- 
dau, Bielefeld, Bonn, Breslau, Göttingen, 
Greifswald, Halle, Hannover, Kiel, Königsberg, 
Magdeburg, Münster und Stettin, Zeichenlehrer- 
prüfungen in Berlin, Breslau, Königsberg, 
Kassel und Düsseldorf, Gesanglehrerprüfungen in 
Berlin, Königsberg und Köln abgehalten. Aehn- 
lich sind die Verhältnisse in den anderen größeren 
Bundesstaaten. 
. 8. Amtsverhältnisse der Lehrer. 
!. Die Anstellung erfolgt in Preußen durch 
die Provinzialschulkollegien, an den Staatsanstalten 
nach dem Dienstalter; es liegen, bei richtiger Aus- 
scheidung ungeeigneter Elemente vor Aufnahme in 
die Anciennitätsliste, keine ausreichenden Gründe 
für Abänderung dieses Verfahrens vor; ebenso- 
wenig darf andererseits den Kommunen das Recht 
der freien Auswahl ohne Rücksicht auf das Dienst- 
alter gekürzt werden. Bei nichtstaatlichen, vom 
Staate unterstützten Anstalten steht dem Patronat 
die Wahl unter 6 dienstältesten Kandidaten zu. 
Die Anstellung der Direktoren vollzieht der Lan- 
desherr. In Baden geschieht die Anstellung der 
Oberlehrer durch den Landesherrn, in Elsaß- 
Lothringen durch den Staatssekretär, sonst meist 
durch den Ressortminister, die der Direktoren 
durch den Landesherrn, in Elsaß-Lothringen durch 
den Statthalter. 
Dissidenten schließt ein Min E v. 8. 5. 47 von 
der Anstellung aus. 
Die Vereidigung findet statt in Baden 
bei Beginn des Probejahres, in Bayern bei An- 
tritt des Dienstes, in Hessen bei der Verpflichtung 
als Lehramtsaspirant, in Oldenburg bei Ver- 
wendung als wissenschaftlicher Hilfslehrer, in 
Preußen seit Min E v. 17. 4. 12 bei Antritt des 
Seminarjahres (gleichzeitig mit Aufnahme des 
Kandidaten in den unmittelbaren Staatsdienst), 
in Württemberg nach dem Bestehen der ersten 
Dienstprüfung bei Beginn des Vorbereitungs- 
dienstes oder der ersten dienstlichen Verwendung. 
Statt des Amtstitels „Oberlehrer“ verwendet 
Bayern als Amtstitel „Gymnasiallehrer“ und 
„Gymnasial-Professor“, Württemberg z. T. „Prä- 
zeptor und Oberpräzeptor" sowie „Reallehrer“, 
Baden von Anfang an „Professor“. 
II. Der im Jahre 1810 von W. v. Humboldt 
durch die Verordnung einer allgemeinen Lehramts- 
  
prüfung als selbständiger Stand von den Theo- 
logen losgelöste, nach vergeblichen Ansätzen der 
30 er Jahre erst seit 1903 zu einem gesamtdeut- 
schen Berbande zusammengeschlossene, in Vereins- 
verbänden innerhalb der Einzelstaaten aber schon 
vorher vielfach organisierte deutsche Oberlehrer- 
stand entbehrt noch immer einer allgemeinen 
gesetzlichen Regelung seiner rechtlichen Stellung 
(vgl. F. Giese, Der Beamtencharakter der Direk- 
toren und Oberlehrer, 71912). Die an nichtstaat- 
lichen Anstalten angestellten Lehrer gelten 1) als 
mittelbare Staatsbeamte, nicht jedoch als Ge- 
meindebeamte. Die Sicherheit der Rechtslage 
dieser Oberlehrer ist in letzter Zeit Gegenstand 
vielfacher, z. T. allerdings wohl übertreibender 
Erörterungen gewesen. 
Sämtliche Lehrer an höheren Knabenschulen 
find im Besitz des passiven Wahlrechts für Staats- 
und Gemeindeämter. 
Dienstinstruktionen für die Leiter 
und Lehrer der höheren Knabenschulen sind zu- 
letzt publiziert worden von Preußen 12. 12. 10 
(über die älteren vgl. A. Matschoß, Die preußi- 
schen Provinzial-Instruktionen, 1909), Baden 
1904, Hessen 1911, Württemberg 1904, Olden- 
burg 1900, Hamburg 1908, Bremen 1906, Anhalt 
1889; für Sachsen ist maßgebend das Gesetz über 
Gymnasien, Realschulen usw. v. 22. 8. 76 mit 
Ausführungs V v. 29. 1. 77. Ueber Diszipli- 
nargesetze K Band 1 S 573. 
Je 2 Instanzen für die Disziplinargerichte be- 
stehen in Preußen (Provinzialschulkollegien und 
Disziplinarhof in Berlin), Bayern und Sachsen, 
je 1 in Württemberg und Baden. Die Diszipli- 
narstrafen bestehen in Ordnungsstrafen (War- 
nung, Verweis, Geldbuße) und Entfernung aus 
dem Amt. Während der Suspension bezieht der 
Lehrer nur das halbe Gehalt. 
Die Haftpflicht der Lehrer ist 
nicht wie die anderer Beamten (preuß. G v. 1. 8. 
09; R v. 22. 5. 10) gesetzlich geregelt, sondern 
unterliegt einer auf BG#B F 832 und 823 Abs 1 
gegründeten, der Einheitlichkeit sehr entbehren- 
den Rechtsprechung; Selbstversicherung der Lehrer, 
in Sachsen durch Versicherung auf Gegenseitigkeit 
zweckmäßig organisiert, ist dringend geboten. 
Die Pflichtstundenzahlen der Ober- 
lehrer sind in Preußen nach den staatlichen Be- 
stimmungen 24, nach 12 Dienstjahren 22, nach 24 
20, unter welche Zahlen einzelne Städte freiwillig 
heruntergehen, die gleichen in Sachsen-Altenburg, 
Anhalt, und ähnlich in einer Reihe anderer Staa- 
ten; Baden setzt 18—22, Sachsen ebenso wie Ol- 
denburg, Schaumburg-Lippe und Schwarzburg- 
Rudolstadt 20—24, Bayern 20, jedoch mit Er- 
höhungsmöglichkeit, Hamburg durchschnittlich 22, 
Hessen 20—22 für die Ober-, 22—24 für die 
Mittel- und Unterklassen. Die Pflichtstunden der 
Direktoren gehen über 16 nirgends hinaus und 
sind — sehr mit Recht — meist weit niedriger ge- 
halten. 
Treffliche Uebersicht mit Borschlägen zur weiteren Ge- 
staltung: H. Morsch, Das höhere Lehramt in Deutsch- 
land und Oesterreich 21910, Erg.-Bd. 1913. Ratgeber für 
die Führung des Direktor- und des Lehramtes von G. 
Leuchtenberg er (1910 und 1911); val. auch #W. 
4½) Nach der nicht unbedenklichen Praxis der Verwal- 
tung. (D. H.)
	        
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