Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Unterrichtswesen (höheres) 
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Der vielfach übertriebene Wunsch, die Ver- 
hältnisse des Oberlehrerstandes, auch in nicht zum 
Vergleich geeigneten Dingen, denen des Richter- 
standes anzupassen, hat in Hessen zu den Bezeich- 
nungen „Lehramtsreferendar“ und „Lehramts- 
assessor“ geführt, die neuerdings auch in anderen 
Staaten angestrebt werden. 
VI. Neben dem Aufsteigen zu leitenden Stellen, 
das die Provinzial- und Zentralbehörden bieten, 
kommen in zunehmendem Maße jetzt auch die 
Berufungen in Stadtrat= oder Beigeordneten- 
stellen der Kommunalverwaltung in Betracht; 
volle Gleichberechtigung der in sie berufenen 
Schulmänner mit ihren juristischen und technischen 
Kollegen sollte dabei allenthalben selbstverständ- 
liche Voraussetzung sein. Ein Aufsteigen außer- 
halb des höheren Unterrichtswesens eröffnet sich den 
Oberlehrern heute noch vielfach in den Kreisschul- 
inspektor und den an sie anschließenden Regierungs- 
und Schulrat-Stellen [JX Volksschule, Lehrer)]. 
Die Zahl der Provinzialschulratstellen (rund 35) 
ist gegenüber der Zahl der Oberlehrer (rund 10 800) 
in Preußen sehr gering und ähnlich anderwärts, 
z. B. in Sachsen. 
#1#. Verhältnisse der Schüler. I. Die Verhält- 
nisse der Schüler sind, abgesehen von dem, was 
die Dienstinstruktionen für die Lehrkräfte enthal- 
ten, und von den Schulordnungen der einzelnen 
Anstalten, zunächst durch Aufnahme= und Ver- 
setzungsbestimmungen (Preußen 25. 10. Ol; 
Bayern 1891; Sachsen 1893 bezw. 1902; Baden 
1870 und 1904; Hessen 1902) geregelt. Die 1891 
in Preußen eingeführte „Abschlußprüfung"“ am 
Ende von Ull wurde 1900 wieder aufgehoben, 
dagegen die Abgangsprüfung behufs Erlangung 
der Einjährig-Freiwilligenberechtigung in den 
6 stufigen Anstalten beibehalten; sie soll nach Min E 
v. 30. 10. 01 als Versetzungsprüfung gehandhabt 
werden, ist also mit Recht dem Verfahren bei der 
Versetzung nach O II der Vollanstalten angenähert. 
Das in Preußen 1788 erstmalig einge führte, seit 
1812 für alle höheren Knabenschulen obligatorische 
Abiturientenexamen, dessen Abschaffung neuer- 
dings u. a. vom Verein für Schulhygiene gefor- 
dert wird, ist durch Reifeprüfungsordnungen 
(die neuesten Preußen 1901, mit Nachtrag 1909; 
Bayern 1891; Sachsen 1893 bezw. 1903; Elsaß- 
Lothringen 1905; Lübeck 1909; Württemberg 
1911) geordnet. Gemeinsam ist den schriftlichen 
Prüfungen der 3 Schularten der deutsche Aufsatz 
und die mathematische Arbeit; beim Gymnasium 
kommen hinzu eine Uebersetzung ins Lateinische 
und aus dem Griechischen sowie, fakultativ, eine 
aus dem Hebräischen, beim Realgymnasium eine 
Uebersetzung aus dem Lateinischen, eine franzö- 
sische oder englische und eine physikalische Arbeit, 
bei der Oberrealschule eine französische und eng- 
lische sowie eine Arbeit aus Physik oder Chemie. 
Die mündliche Prüfung erstreckt sich überall auf 
Religion, Geschichte und Mathematik, außerdem 
beim Gymnasium auf Latein, Griechisch und 
Französisch oder Englisch, beim Realgymnasium 
auf Latein, Französisch, Englisch, Physik oder 
Chemie, bei der Oberrealschule auf Französisch, 
Englisch, Physik und Chemie. 
An die Stelle älterer Abkommen (von 1874 
und 1889) ist am 22. 10. 09 die „Vereinbarung 
der Bundesregierungen über die gegenseitige 
Anerkennung der Reifezeugnisse“ 
  
getreten, die „als Mindestmaß für die zu erfüllen- 
den Zielforderungen im wesentlichen die aus den 
preußischen Lehrplänen von 1901 sich ergebenden 
Lehrziele“ festsetzt. Der Gegenstand ist mit ihr nicht 
erschöpft und eine weitere Klärung im Sinne ein- 
heitlichen Vorgehens dringend erwünscht. 
II. Die in Preußen durch den Erl v. 26. 11. 
1900 ausgesprochene grundsätzliche Gleichbe- 
rechtigung der 3 höheren Schularten ist 
seitdem, auch außerhalb Preußens, in erfreulicher 
Weise weiter durchgeführt worden, so daß das 
Gymnasialmonopol im wesentlichen nur noch für 
das Studium der Theologie und für den höheren 
Bibliotheks= und Staatsarchivdienst, sowie in 
Bayern und einzelnen anderen Bundesstaaten 
für das Studium der Rechte voll fortbesteht; 
für dieses Studium sowie für das der Medizin 
aber der Nachweis der nötigen Lateinkenntnisse 
noch verlangt bleibt. Näheres s. in dem Statist. 
Jahrbuch d. höh. Schulen sowie bei A. Beier, 
Die höh. Schulen in Preußen (21909). 
Die Wirkung der Gleichberechtigung zeigt sich 
u. a. darin, daß die Prozentsätze der Referendar- 
prüflinge mit gymnasialem Reifezeugnis von 
1902—1912 von 100 auf 84 gesunken, die der 
Prüflinge mit realgymnasialem Reifezeugnis 
von 0 auf 12, die der Prüflinge mit Oberreal- 
schulreifezeugnis von 0 auf 4 gestiegen ist. In 
Baden ist die Zahl der Gymnasialschüler von 
4682 i. J. 1899 auf 5404 i. J. 1909, die der Real- 
schüler in der gleichen Zeit von 8793 auf 13 483 ge- 
stiegen. Preußen hatte 1906 1031979, 1910 103 643 
Gymnasial-, 1906 31 669, 1910 44 885 Realgym- 
nasial-, 1906 27 086, 1910 37 677 Oberrealschüler. 
III. Ueber das Maß der Hausaufgaben vgl. 
K. Roller, Haeusaufgaben und höh. Schulen, Lpz. 
1907. Ueber die Impfung und Wiederimpfung 
der Schüler bestimmt das Reichsimpf G v. 8. 4. 74. 
Unter den ergänzenden Veranstaltungen der 
höheren Knabenschulen nehmen die Turnspiele, 
die Schulausflüge (vgl. Min E v. 17. 6. 86) 
sowie das Schülerrudern die erste Stelle ein. 
Ueber Schulreisen handelt u. a. Walther, Die Schulreise. 
Ihre Theorie, ihre Geschichte, ihre Bedeutung für die Praxis 
des Unterrichts und der Erziehung (Karlsruhe 1908). Das 
Gebiet der Jugendpflege (ogl. HB für JZJugendpflege. 
Herausgeg. von der Deutschen Zentrale für Jugendpflege, 
Langensalza 1913) wurde durch MinE v. 18. 1. 11 erst- 
malig auf seste Grundlagen gestellt. 
Die Ferienzeit ist in Preußen durch 
MinE v. 6. 11. 13 für alle Schulen einheitlich auf 
Tage festgesetzt worden; das Schuljahr läuft dort 
ebenso wie in den meisten anderen Staaten von 
Ostern zu Ostern, in Bayern, Württemberg, 
Baden und Elsaß-Lothringen von September 
bis Juli. 5 malige Ferien haben (Ostern, Pfing- 
sten, Sommer, Herbst, Weihnachten) der größte 
Teil von Preußen und die meisten norddeutschen 
Staaten, 4 malige (ohne Herbstferien) Rhein- 
provinz, Westfalen, Hessen-Nassau (z. T.), Hessen, 
Baden, Bayern, Württemberg und Elsaß-Loth- 
ringen. Die Einsetzung des 1. April statt des 
Ostertermins wird hoffentlich demnächst endlich 
zustande kommen. Der völligen Gleichsetzung 
der Ferien in allen Staaten stehen mehrfache Be- 
denken, z. T. wirtschaftlicher Art, entgegen. 
Im Interesse der Gesundheit der Schüler 
(vgl. über das Gesamtgebiet H. Selter, Handbuch 
der Schulhygiene, Dresden 1913) sind in Preußen 
 
	        
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