Verehelichung
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Verehelichung
(Verwaltungsrechtliche Schrauken)
1. Allgemeines,3 2. Dienstliche Ehebeschränkungen.
3. Polizeiliche Ehebeschränkungen.
5# 1. Allgemeines. Rechtliche Schranken sind
der V. zum Schutze privater, kirchlicher und staat-
licher oder gemeindlicher Interessen gezogen. In
das Gebiet des VerwrRechts gehören nur die den
staatlichen oder gemeindlichen Interessen dienen-
den dienstlichen und polizeilichen Beschränkungen
der Eheschließung. Die dienstlichen Beschrän-
kungen bezwecken die Interessen und die Ehre
des Militär= oder Staatsdienstes bei Eingehung
einer ehelichen Verbindung von Militärpersonen
I oder Beamten I|]) zu wahren; die polizeili-
chen Beschränkungen sollen die Ehen von sittlich
und wirtschaftlich schwachen Personen verhindern
und einer Steigerung der Armenlasten durch B.
solcher Personen vorbeugen. Die polizeiliche
Einmischung in die Eheschließung widerspricht
der modernen Anschauung: sie opfert durch die,
wie die Erfahrung zeigt, unvermeidliche Förde-
rung der Konkubinate und der unehelichen Ge-
burten das ideale Interesse der öffentlichen
Sittlichkeit den materiellen Interessen der Träger
der Armenlasten (Heimatgemeinde oder Staat) ).
§s 2. Dienstliche Shebeschränkungen. Nach
dem N#MilG v. 2. 5. 74 (Rö#l 45) bedürfen
Militärpersonen des Friedensstandes, vorläufig
in die Heimat beurlaubte Rekruten und Frei-
willige, nicht aber Personen des Beurlaubten-
standes, zu ihrer V. der Genehmigung der Vor-
gesetzten (Ss 40, 60 Z. 4, 61). Eheschließung ohne
Genehmigung ist zwar rechtsgültig, wird aber
nach § 150 MSteB v. 26. 6. 72 (Rl 174)
mit Festungshaft bis zu 3 Monaten und mög-
licherweise mit Dienstentlassung bestraft. Außer
für Militärbeamte besteht für Reichsbeamte keine
Vorschrift dienstlicher V. Bewilligung. Ebenso-
wenig ist in Preußen, Sachsen, Hessen und Elsaß-
Lothringen für Landesbeamte zur Eingehung der
Ehe eine besondere Erlaubnis erforderlich. In
Bayern (G v. 16. 8. 08 a 17, 24, 25 (GVBl 581)0)
und in Baden (G v. 12. 8. 08 5+ 11 GWVBl 365T)
gilt regelmäßig nur Anzeigepflicht, doch kann ge-
wissen Beamtengruppen die Pflicht, die Geneh-
migung einzuholen, auferlegt werden (bayer. V
v. 10. 12. 08 [GVBl 1041] # 6). In Württem-
berg (Bo# v. 28. 6. 76 ([Reg Bl 2111 a 7, V v.
30. 10. 99 # 360) ist die Erlaubnis der Dienstbehörde
allgemein vorgeschrieben; sie darf wedoch nur bei
Gefährdung der Ehre des Dienstes versagt wer-
den. Vgl. #J 1315 Abs 1 BGB. J Beamte 89
(Band I, 366); Militärpersonen §7 (Band II, 848.)
5ss3. Polizeiliche Ehebeschränkungen.
I. Die deutschen Staaten außer Bayern.
Früher bestanden mannigfache polizeiliche Ehe-
hindernisse. Es bedurfte teils des Besitzes der
1) Der neueren Zeit gehören Bestrebungen an auf ein
Versagen der Eheschließung aus Gründen der „Eugenik“, der
Bolksgesundheit (übertragbare Krankheiten, zu hohes Alter)
oder der Rassenreinheit (Ehe von Weißen mit Farbigen
1II70, 4000. Sie haben aber auf deutschem Boden (anders
in Skandinavien, Rußland, B. St. v. Amerika) zu einer
gesetzlichen Beeinslussung bisher nicht geführt. (D. H.)
s
Gemeindeangehörigkeit oder des Einwohner-
rechts, teits der Genehmigung der Gemeinde
oder des Armenverbandes, teils obrigkeitlicher
Erlaubnis. Ehebeschränkungen gab es wegen
Mangels eines die Volljährigkeit überschreiten-
den Alters oder des Nachweises einer Woh-
nung oder eines hinreichenden Vermögens oder
Erwerbes, wegen erlittener Bestrafung, bösen
Rufes, vorhandener oder zu befürchtender Ver-
armung, bezogener Unterstützungen oder aus
anderen polizeilichen Gründen (zu jugendliches.
Alter, bedeutende Ungleichheit des Alters, ver-
erbliche Krankheiten, Invalidität). Von der orts-
fremden Braut wurde in manchen Gegenden
Zuzugsgeld erhoben. Besondere polizeiliche Be-
schränkungen galten für Juden, um sie in bestimm-
ten Gemeinden oder Ländern nicht über eine
ewisse Zahl hinauswachsen zu lassen, und für
ngehörige einzelner Berufsstände (Gewerbs-
gehilfen und Gesellen).
Alle diese Beschränkungen sind durch das Gesetz
des nordd. Bundes über die Aufhebung der
polizeilichen Beschränkungen der V. v. 4. 5. 68.
(Bo#l 149), das durch a 80 der Verf v. 15.
11. 70 und a 2 des Vt v. 25. 11. 70 auf Süd-
hessen, Baden und Württemberg ausgedehnt
wurde, für Inländer aufgehoben worden.
In Elsaß-Lothringen herrscht V. Freiheit schon.
nach dem französischen Recht.
Für die Reichsausländer gelten auch.
heute noch landesrechtliche Ehebeschränkungen:
teils wird ein Zeugnis einer inländischen Be-
hörde verlangt, das auf Grund eines Nachweises.
der Zulässigkeit der Ehe des Ausländers nach dem
Recht seines Heimatsstaats ausgestellt wird, teils.
begnügt man sich mit letzterem Nachweis. Der
auf dieses Landesrecht Bezug nehmende 5 1315
Abs 2 BGB ist für die dem Haager Abkommen
v. 12. 6. 02 (RGBl 1904, 221) beigetretenen
Staaten (Belgien, Frankreich, Italien, Schweif-
Schweden, Niederlande, Luxemburg, Portugal,
Rumänien) nur insoweit in Kraft geblieben, als.
ein Zeugnis über das Nichtvorhandensein von
Ehehindernissen gefordert werden darf.
Hierher gehören folgende Vorschriften: Preußen M
. -Bn v. 20. v. 99 (a 43) und Min V v. 13. 3. 03 und.
17. 2. 05, Sachsen B v. 12. 7. 99 (§5 7), Württemberg A##-
5. BG# v. 28. 7. 99 (a 256) und Min V’ v. 21. 12. 05, Baden.
AG z. BGB v. 17. 6G. 99 (a 32), Hessen AG 3. B# v.
17. 7. 99 (a 104) und Elsaß-Lothringen G v. 16. 5. 92 (5 5).
II. Bayern. a) Geschichtliches. Die
mit der Armenpolizei zusammenhängenden Be-
schränkungen der V. gehen auf die bettelpoli-
zeiliche Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts zurück.
Sie gipfelten in obrigkeitlicher Bewilligung, Zu-
stimmung der Gemeinde und Nichtigkeit aller
außer Landes geschlossenen Ehen. Nach vorüber-
gehender Beseitigung der gemeindlichen Zustim-
mung durch die V v. 18. 7. 1808, betr. die Beförde-
rung der Heiraten auf dem Lande, brachte das.
Güber Ansässigmachung und V. v. 11. 9. 1825.
wieder eine Erschwerung der Verehelichung.
Durch das G v. 16. 4. 68 über Heirat, V. und-
Aufenthalt wurde das polizeiliche V. Recht neu
geregelt. Dieses Recht blieb beim Eintritt Bayerns.
in das Reich unberührt, da für Bayern durch a 4
Z. 1 R# die Zuständigkeit des Reichs zur Gesetz-
gebung über Heimat- und Niederlassungsverhält-
nisse ausgeschlossen wurde (Vt v. 23. 11. 70,