672
Vermögenssteuer (Ergänzungssteuer)
Personen mit einem Jahreseinkommen bis 950
Mark, wenn ihr ergänzungssteuerpflichtiges Ver-
mögen 20 000 Mk. nicht übersteigt, sowie endlich
weibliche Personen, die minderjährige Familien-
angehörige zu unterhalten haben, vaterlose, min-
derjährige Waisen und Erwerbsunfähige, wenn
ihr ergänzungssteuerpflichtiges Vermögen 20 000
Mark und ihr Gesamteinkommen 1250 Mk. nicht
übersteigt.
3. Der Steuertarif ist ein Klassentarif, der
sich in Abständen mit der Höhe des Vermögens
wachsend (2000, 4000, 10 000 Mk.) aufbaut. Die
St Sätze betragen ½# vom Tausend desjenigen
Vermögens, mit dem die vorausgehende Klasse
endet. Neben Ermäßigungen und Befreiungen,
die das Finanzministerium bei außergewöhnlichen
Notständen und wegen persönlicher Verhältnisse
bewilligen kann, ermäßigt sich der St Satz von
Personen, die zur Eink St überhaupt nicht oder
in Klasse 1 a oder 1 veranlagt sind und deren
steuerpflichtiges Vermögen 60 000 Mk. nicht
übersteigt, auf 1 Mk., wenn sie in der 2.—t4. Eink-
StKlasse steuern, auf 2 Mk., und wenn sie der
5.—9. Eink St Klasse angehören, auf einen um
5 Mk. unter der pflichtigen Eink St verbleibenden
Betrag. Personen, deren ergänzungspflichtiges
Vermögen 52 000 Mk. nicht übersteigt, können,
wenn ihnen bei einem Eink von nicht mehr als
5800 Mk. wegen geschmälerter Leistungsfähigkeit
eine Eink St Ermäßigung zuteil wird, bei der Ver-
anlagung zur Erg St bis zu drei Klassen zurückver-
setzt oder auch (in den untersten 3 Klassen) von
dieser ganz befreit werden.
4. Für die Veranlagung, die nach dem
Bestand und gemeinen Wert des ergänzungs-
pflichtigen Vermögens zu erfolgen hat, wird eine
Deklaration nicht gefordert, doch steht die Abgabe
einer solchen jedem St Pflichtigen frei. Der Um-
fang der St Pflicht ist von den Veranlagungs-
kommissionen durch Berechnung und Schätzung
zu ermitteln. Der Bezirkssteuerinspektor kann
Auskunft über Besitz= und Vermögensverhält-
nisse der Pflichtigen schriftlich oder mündlich ein-
holen oder Sachverständige oder Gutachter ver-
nehmen Eine Mehrzahl von Vorschriften, die dic
Berechnungsweise des Vermögens und die Grund-
lagen des formellen Rechts regeln, lehnen sich
in der Hauptsache an das preußische Vorbild an.
5. Durch G v. 2. 7. 06 ist auch das formelle
Recht in einigen Punkten fortgebildet, z. B. all-
jährliche Einschätzung einge führt worden.
#6 4. Baden. 1. Durch G v. 28. 9. 0O6 (Aenderun-
gen 27. 5. 10) hat die Gesetzgebung einen neuen
Rechtsstand geschaffen, der sonst noch in keinem
Staate vertreten ist. Hierdurch wurde eine VSt
eingeführt, die sämtliche 4 Glieder der alten Er-
tragsbesteuerung (Grund-, Gebäude-, Gewerbe-
Kapitalrentensteuer (JX) ablöst und ersetzt. Das
Gesetz ist (nach der Auffassung seines Schöpfers
Buchenberger) eine „vermögenssteuerartige Fort-
bildung des badischen Ertragssteuersystems“; es
verwirklicht das V#t Prinzip nur unvollkommen.
2. Steuerpflichtig sind: alle physischen
Personen, die als Landes= oder Reichsangehörige
in Baden Wohnsitz haben, Landesangehörige
auch, wenn sie in Baden keinen Wohnsitz haben
und sich, ohne auswärts besteuert z werden, noch
nicht länger als 2 Jahre außerhalb Badens auf-
halten; Reichsausländer, die in Baden ihren
Wohnsitz haben oder zur Ausübung einer Er-
werbstätigkeit oder länger als ein Jahr in Baden
sich aufhalten; die nichtphysischen Personen des
öffentlichen und Privatrechts. Inländischer Grund-
besitz und inländische Gewerbsunternehmungen
(oder gewerbliche und landwirtschaftliche Be-
triebe) sind ohne Rücksicht auf die Person des
Eigentümers in Baden steuerpflichtig. Steuer-
objekt ist das ganze Vermögen, bei dem
drei Gruppen von Vermögenswerten unter-
schieden werden: Liegenschaftsvermögen (Grund-
besittz und Gebäude), gewerbliches Vermö-
gen und landwirtschaftliches Betriebsvermögen
und endlich sonstiges Kapitalvermögen. Die
Schulden können nur bis zur Hälfte der Vermö-
enswerte abgezogen werden. Haushaltungs-
chulden, Schulden zur Beschaffung von der VSt
nicht unterliegenden Vermögensteilen, die An-
teile der Gesellschaften am Gesellschaftsvermögen,
Apanagen, Leibgedinge u. é. sind nicht abzugs-
fähig. Dagegen können die laufenden Geschäfts-
schulden vom gewerblichen Vermögen in Abzug
gestellt werden. Befreiungenn: der Reichs-
und Landesfiskus, die Zivilliste, Gemeinden und
Kreise für ihr zu öffentlichen Zwecken dienendes
Vermögen, Kirchen-, Unterrichts- und Wohl-
tätigkeitsanstalten, bestimmte Vorschuß-, Kredit-
und Versicherungsanstalten, Versicherungsanstal-
ten nach Reichsrecht, Betriebs-- und Kapital-
vermögen unter 1000 Mk. und das Kapitalver-
mögen von Witwen, minderjährigen Waisen und
erwerbsunfähigen Personen, deren Gesamtver-
mögen 10 000 Mk. und deren Jahreseinkommen
gleichzeitig 900 Mk. nicht erreicht.
3. Veranlagung. Die VSt wird von der
Gesamtheit der VStWerte erhoben, die auf
Grund eines besonderen Verfahrens ermittelt
und in ein Grundstücks-, Gebäude-, Betriebs-
vermögens- und Kapitalkataster eingetragen wer-
den. Dabei werden die Grundstücks= und Ge-
bäudewerte von Amts wegen eingeschätzt, während
über Betriebs-, Kapitalvermögen und Schulden
der Steuerpflichtige eine St Erklärung abzugeben
hat. Aus diesen Teilkatastern wird dann ein
Gesamtvermögenskataster zusammengestellt, der
für jede Gemarkung die steuerpflichtigen V t-
Werte enthält. Der Betrag, der nach Abzug der
abzugsfähigen Schulden von der Summe der
VöStoWerte verbleibt und auf eine durch 500
teilbare Zahl abgerundet wird, ist der VStAn-
schlag. Das jeweilige Finanzgesetz bestimmt, wie
viel Pfennige von je 100 Mk. V Stanschlag er-
hoben werden soll.
z 6. Hessen. Die hessische V t wurde durch
G v. 12. 8. 99 mit der gleichzeitigen Reform des.
St Systems eingeführt (X Einkommensteuer Bd. 1I
S 714]. Sie war als echte „Ergänzungssteuer“
gedacht, da sie den durch die Ueberweisung der
Ertrags St an die Gemeinden entstandenen Ver-
lust mit decken sollte. Großh. Ausf. V v. 28. 3. 00
(Reg Bl 271), Ausf. Anw v. 12. 8. 99.
Die Vöt trifft (im Gegensatze zur Eink St)
nur die physischen Personen und erstreckt auf
diese die St Pflicht nach den Grundsätzen der
Eink St. Die St Pflicht wird durch Staatsange-
hörigkeit, Wohnsitz, Aufenthalt und die Art des
Vermögens begründet. Kapitalschulden sind ab-
zugsfähig. Neben den üblichen Befreiungen