Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Vermögenssteuer (Ergänzungssteuer) 
  
Personen mit einem Jahreseinkommen bis 950 
Mark, wenn ihr ergänzungssteuerpflichtiges Ver- 
mögen 20 000 Mk. nicht übersteigt, sowie endlich 
weibliche Personen, die minderjährige Familien- 
angehörige zu unterhalten haben, vaterlose, min- 
derjährige Waisen und Erwerbsunfähige, wenn 
ihr ergänzungssteuerpflichtiges Vermögen 20 000 
Mark und ihr Gesamteinkommen 1250 Mk. nicht 
übersteigt. 
3. Der Steuertarif ist ein Klassentarif, der 
sich in Abständen mit der Höhe des Vermögens 
wachsend (2000, 4000, 10 000 Mk.) aufbaut. Die 
St Sätze betragen ½# vom Tausend desjenigen 
Vermögens, mit dem die vorausgehende Klasse 
endet. Neben Ermäßigungen und Befreiungen, 
die das Finanzministerium bei außergewöhnlichen 
Notständen und wegen persönlicher Verhältnisse 
bewilligen kann, ermäßigt sich der St Satz von 
Personen, die zur Eink St überhaupt nicht oder 
in Klasse 1 a oder 1 veranlagt sind und deren 
steuerpflichtiges Vermögen 60 000 Mk. nicht 
übersteigt, auf 1 Mk., wenn sie in der 2.—t4. Eink- 
StKlasse steuern, auf 2 Mk., und wenn sie der 
5.—9. Eink St Klasse angehören, auf einen um 
5 Mk. unter der pflichtigen Eink St verbleibenden 
Betrag. Personen, deren ergänzungspflichtiges 
Vermögen 52 000 Mk. nicht übersteigt, können, 
wenn ihnen bei einem Eink von nicht mehr als 
5800 Mk. wegen geschmälerter Leistungsfähigkeit 
eine Eink St Ermäßigung zuteil wird, bei der Ver- 
anlagung zur Erg St bis zu drei Klassen zurückver- 
setzt oder auch (in den untersten 3 Klassen) von 
dieser ganz befreit werden. 
4. Für die Veranlagung, die nach dem 
Bestand und gemeinen Wert des ergänzungs- 
pflichtigen Vermögens zu erfolgen hat, wird eine 
Deklaration nicht gefordert, doch steht die Abgabe 
einer solchen jedem St Pflichtigen frei. Der Um- 
fang der St Pflicht ist von den Veranlagungs- 
kommissionen durch Berechnung und Schätzung 
zu ermitteln. Der Bezirkssteuerinspektor kann 
Auskunft über Besitz= und Vermögensverhält- 
nisse der Pflichtigen schriftlich oder mündlich ein- 
holen oder Sachverständige oder Gutachter ver- 
nehmen Eine Mehrzahl von Vorschriften, die dic 
Berechnungsweise des Vermögens und die Grund- 
lagen des formellen Rechts regeln, lehnen sich 
in der Hauptsache an das preußische Vorbild an. 
5. Durch G v. 2. 7. 06 ist auch das formelle 
Recht in einigen Punkten fortgebildet, z. B. all- 
jährliche Einschätzung einge führt worden. 
#6 4. Baden. 1. Durch G v. 28. 9. 0O6 (Aenderun- 
gen 27. 5. 10) hat die Gesetzgebung einen neuen 
Rechtsstand geschaffen, der sonst noch in keinem 
Staate vertreten ist. Hierdurch wurde eine VSt 
eingeführt, die sämtliche 4 Glieder der alten Er- 
tragsbesteuerung (Grund-, Gebäude-, Gewerbe- 
Kapitalrentensteuer (JX) ablöst und ersetzt. Das 
Gesetz ist (nach der Auffassung seines Schöpfers 
Buchenberger) eine „vermögenssteuerartige Fort- 
bildung des badischen Ertragssteuersystems“; es 
verwirklicht das V#t Prinzip nur unvollkommen. 
2. Steuerpflichtig sind: alle physischen 
Personen, die als Landes= oder Reichsangehörige 
in Baden Wohnsitz haben, Landesangehörige 
auch, wenn sie in Baden keinen Wohnsitz haben 
und sich, ohne auswärts besteuert z werden, noch 
nicht länger als 2 Jahre außerhalb Badens auf- 
  
halten; Reichsausländer, die in Baden ihren 
Wohnsitz haben oder zur Ausübung einer Er- 
werbstätigkeit oder länger als ein Jahr in Baden 
sich aufhalten; die nichtphysischen Personen des 
öffentlichen und Privatrechts. Inländischer Grund- 
besitz und inländische Gewerbsunternehmungen 
(oder gewerbliche und landwirtschaftliche Be- 
triebe) sind ohne Rücksicht auf die Person des 
Eigentümers in Baden steuerpflichtig. Steuer- 
objekt ist das ganze Vermögen, bei dem 
drei Gruppen von Vermögenswerten unter- 
schieden werden: Liegenschaftsvermögen (Grund- 
besittz und Gebäude), gewerbliches Vermö- 
gen und landwirtschaftliches Betriebsvermögen 
und endlich sonstiges Kapitalvermögen. Die 
Schulden können nur bis zur Hälfte der Vermö- 
enswerte abgezogen werden. Haushaltungs- 
chulden, Schulden zur Beschaffung von der VSt 
nicht unterliegenden Vermögensteilen, die An- 
teile der Gesellschaften am Gesellschaftsvermögen, 
Apanagen, Leibgedinge u. é. sind nicht abzugs- 
fähig. Dagegen können die laufenden Geschäfts- 
schulden vom gewerblichen Vermögen in Abzug 
gestellt werden. Befreiungenn: der Reichs- 
und Landesfiskus, die Zivilliste, Gemeinden und 
Kreise für ihr zu öffentlichen Zwecken dienendes 
Vermögen, Kirchen-, Unterrichts- und Wohl- 
tätigkeitsanstalten, bestimmte Vorschuß-, Kredit- 
und Versicherungsanstalten, Versicherungsanstal- 
ten nach Reichsrecht, Betriebs-- und Kapital- 
vermögen unter 1000 Mk. und das Kapitalver- 
mögen von Witwen, minderjährigen Waisen und 
erwerbsunfähigen Personen, deren Gesamtver- 
mögen 10 000 Mk. und deren Jahreseinkommen 
gleichzeitig 900 Mk. nicht erreicht. 
3. Veranlagung. Die VSt wird von der 
Gesamtheit der VStWerte erhoben, die auf 
Grund eines besonderen Verfahrens ermittelt 
und in ein Grundstücks-, Gebäude-, Betriebs- 
vermögens- und Kapitalkataster eingetragen wer- 
den. Dabei werden die Grundstücks= und Ge- 
bäudewerte von Amts wegen eingeschätzt, während 
über Betriebs-, Kapitalvermögen und Schulden 
der Steuerpflichtige eine St Erklärung abzugeben 
hat. Aus diesen Teilkatastern wird dann ein 
Gesamtvermögenskataster zusammengestellt, der 
für jede Gemarkung die steuerpflichtigen V t- 
Werte enthält. Der Betrag, der nach Abzug der 
abzugsfähigen Schulden von der Summe der 
VöStoWerte verbleibt und auf eine durch 500 
teilbare Zahl abgerundet wird, ist der VStAn- 
schlag. Das jeweilige Finanzgesetz bestimmt, wie 
viel Pfennige von je 100 Mk. V Stanschlag er- 
hoben werden soll. 
z 6. Hessen. Die hessische V t wurde durch 
G v. 12. 8. 99 mit der gleichzeitigen Reform des. 
St Systems eingeführt (X Einkommensteuer Bd. 1I 
S 714]. Sie war als echte „Ergänzungssteuer“ 
gedacht, da sie den durch die Ueberweisung der 
Ertrags St an die Gemeinden entstandenen Ver- 
lust mit decken sollte. Großh. Ausf. V v. 28. 3. 00 
(Reg Bl 271), Ausf. Anw v. 12. 8. 99. 
Die Vöt trifft (im Gegensatze zur Eink St) 
nur die physischen Personen und erstreckt auf 
diese die St Pflicht nach den Grundsätzen der 
Eink St. Die St Pflicht wird durch Staatsange- 
hörigkeit, Wohnsitz, Aufenthalt und die Art des 
Vermögens begründet. Kapitalschulden sind ab- 
zugsfähig. Neben den üblichen Befreiungen
	        
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