Versicherungsbehörden (Arbeiterversicherung)
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Versicherungsbehörden!)
I. Organisation. 1 1. Allgemeines. 1 2. Un-
tere Bersicherungsämter. 4 3. Oberversicherungsämter.
54. Reichsversicherungsamt. 1 5. Landesversicherungsämter.
II. Verfahren. 16. Arten: A. Feststellungs.
spruchverfahren. 1 7. Verfahren vor dem Versiche-
rungsamt. 1 8. Verfahren vor dem Oberversicherungsamt.
5 9. Verfahren vor dem Reichs= und Landesversicherungs-
amt. 3 10. Wiederaufnahme des Berfahrens. B. Andere
Spruchsachen 3 11. C. Beschlußverfahren 1 12.
D. Gebühren und Kosten 4 13.
IAN — Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamts;
Arb B — Arbeiterversicherung; BA#— Beschlußausschuß;
BK — Beschlußkammer; BS— Beschlußsenat; LV2 —
Landesversicherungsamt: OBAôabOberversicherungsamt;
RVA — Reichsversicherungsamt; V-— Bersicherungsamt;
BB — Versicherungsbehörden.])
I. Grganisation
5 1. Allgemeines.
1. Begriff. VB oder Versicherungsämter
im weiteren Sinne sind Sonderbehörden, welche
auf dem Gebiete der Reichs-(Arbeiter-) Versiche-
rung die Geschäfte der obrigkeitlichen Verwaltung
und Rechtsprechung besorgen. Ihre Organisation ist
in der RVO an allgemeiner Stelle, nämlich im
1. Buch §# 35—109, geregelt.
2. Arten. a), Nach ihrem hierarchischen Auf-
bau gliedern sich die VB stufenweise zunächst
in drei Arten: die (unteren) VAemter oder VA im
engeren Sinne, die OVAemter und das RVA. An
die Stelle des letzteren treten in gewissem Um-
fange LVAemter. — b) Nach ihrem Verhältnis zu
anderen Behörden, insbesondere zu solchen der
allgemeinen Verwaltung, sind die VB entweder
selbständige oder angegliederte (5# 38, 64).
Selbständig sind diejenigen, welche für sich
allein eine eigene Behörde bilden; angegliedert
die, welche nur eine Abteilung einer anderen
Behörde sind, wenn auch mit einer gewissen
organisatorischen und funktionellen Selbständig-
keit ausgestattet. So sind die unteren VAemter
grundsätzlich nur „Abteilungen für Arbeiterver-
sicherung“" bei den unteren Verw Behörden; die
Errichtung selbständiger VA ist nur in solchen
Einzelstaaten erlaubt, in denen die Einrichtung
der Landesbehörden die Angliederung nicht
gestattet und nur ein OM besteht, wobei
nach den Materialien speziell an Hamburger
Verhältnisse gedacht war (§§ 36, 38). Die OVA
können an höhere Reichs= oder Staatsbehörden
angegliedert oder als selbständige Staatsbehör-
den errichtet werden (s§ 64). Das RVM und
die LVA sind unbedingt selbständige Behörden.
— OC) Ihrem Charakter nach sind die VB ent-
weder Reichs-, Staats= oder Gemeindebehörden.
Die angegliederten Behörden teilen den Cha-
rakter der Grundbehörde; hiernach stellen sich
die unteren VAe zum Teil als Gemeindebehörden
1) Behandelt sind die Behörden nach der Reichsver-
sicherungsordnung. Für die Angestelltenversicherung 1 Pri-
vatangestellte; im übrigen 7 BVersicherungswesen.
dar. Das R ist eine Reichsbehörde; im übrigen
sind die selbständigeen V B Staatsbehörden.
3. Aufgaben. Während die Versicherungs-
träger (Krankenkassen, Berufsgenossenschaften,
Versicherungsanstalten) und ihre Organe (§§ 3,
5 ff) ihren Schwerpunkt in der wirtschaftlichen
Durchführung der Arb V d. h. in der Sammlung
und Verwendung der dafür erforderlichen Mittel
finden, sind die VB wesentlich zur Entscheidung
von Rechtsstreitigkeiten und zur Erledigung obrig-
keitlicher Verw Geschäfte (Befehle, Erlaubnisse
usw.) durch Ausübung der Staatsgewalt be-
rufen. Demzufolge kommt ihnen auch die Auf-
sicht über die Versicherungsträger zu, so daß sie
als „Spruch-, Beschluß= und Aussichtsbehörde“
bezeichnet werden können (§8 61, 83). Doch
fällt in dieser Formel der Gegensatz von Spruch-
und Beschlußbehörde nicht mit dem von Recht-
sprechung und (obrigkeitlicher) Verwaltung zu-
sammen; vielmehr bezieht er sich lediglich auf
den Gegensatz des Spruch= und Beschluß ver-
fahrens, in dem die Geschäfte der VBe erledigt
werden. Keineswegs aber sind alle Rechts-
streitigkeiten auf den Weg des prozessualisch
besonders ausgestalteten Spruchverfahrens ver-
wiesen, wie z. B. nicht die selbständigen Streitig-
keiten über die Beitragsleistung (§§ 405, 759, 1459).
Eine einheitliche, begrifflich zu bestimmende und
im Gesetz besonders behandelte Gruppe der
Spruchsachen bilden vielmehr nur die Streitig-
keiten über die Versicherungsleistungen (§§8 1636ff),
während im übrigen das Gesetz im einzelnen
bestimmt, welche Sachen im Spruchverfahren
verhandelt werden sollen (5§ 56, 77, 98, 1771).
4. Zusammensetzung. In jeder VB
ist das beamtete und das ehrenamtliche Ele-
ment vertreten. Aus dem ersteren geht der Vor-
sitzende der Behörde hervor. Die ehrenamt-
lichen Mitglieder werden je zur Hälfte von beiden
Gruppen der Beteiligten, Arbeiter und Arbeit-
geber, gestellt; bei den unteren VA heißen sie
„Versicherungsvertreter“ (§ 40), bei den O####
„Deisitzer“ (+68), beim RVA und den LVA ge-
hören sie zu den „nichtständigen Mitgliedern“ (88 87,
106). Wählbar sind hier, im Gegensatz zu den Or-
ganen der Versicherungsträger, wegen des obrig-
keitlichen Charakters der Tätigkeit, nur Männer
(3& 47, 76, 92, 107). Die Wahl der Vertreter der
Versicherten erfolgt überall nach dem System
der Verhältniswahl:; für die Wahl der Ar-
beitgebervertreter ist dasselbe durch das Gesetz nur
bei den unteren VIA vorgeschrieben (58 45, 73,
75, 88, 107).
5. Kollegiale Formationen. Bei
jeder VB werden für die Spruchsachen einer-
seits und für Beschlußsachen andererseits beson-
dere kollegiale Formationen gebildet. Bei den
unteren VA heißen sie Spruch= und Beschluß-
ausschuß, bei den O#A Spruch= und Beschluß-
kammer und beim RVA und den LV1M Spruch-
und Beschlußsenat. In jedem solchen Kollegium
nehmen Vertreter der Arbeiter und Arbeitgeber
teil. Die Spruchsachen sind, von einzelnen Aus-
nahmen (5 1661) abgesehen, stets vor die Spruch-
kollegien verwiesen, nicht dagegen die Beschluß-
sachen. Für diese bestimmt vielmehr das Gesetz,
welche Beschlußsachen durch BA, BK oder BS
zu erledigen sind; doch zieht die Verweisung vor
den BA oder die BeK zugleich im weiteren Rechts-