Versicherungsbehörden (Verfahren)
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Krankenversicherung und ihnen gleichgestellten,
wenn bei Streit über den Anspruch auf Fürsorge-
leistung von den Anspruchsberechtigten Antrag
auf Entscheidung gestellt wird. (Ss# 1636—1674;
vgl. oben §# 6).
1. Zuständigkeit (§5 1637—40). Grund-
sätzlich zuständig ist das V, in dessen Bezirk der
Versicherte zur Zeit des Antrags wohnt oder be-
schäftigt ist. In besonderen Fällen, wenn der
Versicherte keinen Wohn= oder Beschäftigungs-
ort im Inland hat oder verstorben oder verschollen
ist, ist der letzte inländische Wohn= oder Beschäfti-
ungsort maßgebend; eventuell entscheidet der
Herdeebssi. Unter mehreren zuständigen VM
gibt Prävention den Ausschlag. Ein negativer
Kompetenzkonflikt wird von den höheren In-
stanzen enischieden.
2. Ausschluß und Ablehnung von
Mitgliedern des Spruchausschusses (§5 1641 bis
1649). Die gesetzliche Regelung lehnt sich teils
an die entsprechenden zivilprozessualischen Vor-
schriften an, teils aber berücksichtigt sie auch die
besonderen Verhältnisse der Reichsversicherung.
In dieser Richtung ist kraft Gesetzes ausgeschlossen,
wer als Mitglied eines Organs des Versicherungs-
trägers bei dem Beschluß über die Leistung mit-
gewiit hat. Ist der Vorsitzende des VA zugleich
orsitzender eines Organs eines Versicherungs-
trägers, so ist er sogar auch in solchen Sachen des
letzteren ausgeschlossen, bei denen er früher nicht
mit tätig gewesen ist. Dagegen ist der Vorsitzende
nicht deshalb ausgeschlossen oder ablehnbar, weil
er im vorbereitenden Verfahren in der Sache
amtlich tätig gewesen ist. Ueber die Ablehnung
eines Versicherungsvertreters entscheidet der Vor-
sittende, über dessen Ablehnung das OVA end-
gültig. Die Entscheidung des Vorsitzenden, die den
Antrag ablehnt, kann nur zugleich mit der Ent-
scheidung in der Hauptsache angefochten werden.
3. Verfahren bis zur mündlichen
Verhandlung (§s§ 1650—59). Der Antrag
auf Entscheidung soll zwar bei dem zuständigen
VA gestellt werden; doch gelten für die Ein-
reichung an anderer Stelle die allgemeinen er-
leichternden Vorschriften des § 129. Minder-
jährige über 16 Jahre können selbständig den
Antrag stellen und verfolgen. Der Vorsitzende
bereitet die Sache vor und kann vor der münd-
lichen Verhandlung Beweis erheben. Dabei
kommt seinem eigenen Ermessen im Interesse der
materiellen Wahrheitserforschung weitgehendste
Freiheit zu. Eine Vereidigung von Zeugen
und Sachverständigen findet nur statt, wenn der
Vorsitzende sie für nötig hält. Den Beteiligten
ist der Inhalt und auf Verlangen eine Abschrift
der Beweisverhandlungen mitzuteilen; in bezug
auf ärztliche Zeugnisse und Gutachten entscheidet
der Vorsitzende oder das Gericht. Der Vorsitzende
bestimmt die Zeit der Verhandlung und teilt sie
mit. Er kann für die mündliche Verhandlung
Zeugen und Sachverständige laden, das persön-
liche Erscheinen des Klägers und anderes anord-
nen. Eine Abweichung von der normalen Struk-
tur des Spruchverfahrens ist es, daß im Anschluß
an das preußische Verw Streitverfahren in allen
Sachen der Vorsitzende ohne mündliche Verhand-
lung eine Vorentscheidung treffen kann, die je-
doch nur vorläufig ist. Gegen dieselbe kann aller-
dings das Rechtsmittel, welches gegen das Urteil
zulässig wäre, eingelegt werden; es kann aber
auch der Antrag auf mündliche Verhandlung ge-
stellt werden, der im Zweifelsfalle vorgeht.
4. Mündliche Verhandlung (§§ 1660
bis 1674). Vor dem Spruchausschuß wird münd-
lich und regelmäßig auch öffentlich verhandelt.
Eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen
des Spruchverfahrens (vgl. oben § 1 Nr. 5)
findet sich dahin, daß in gewissen unbedeutenden
Rechtssachen, welche § 1661 aufführt, z. B. über
Leistung von Sterbegeld oder bei Gesamtwerten
von weniger als 50 Mk., der Vorsitzende allein in
öffentlicher mündlicher Verhandlung die End-
entscheidung abgibt, gegen die dann nur das ge-
wöhnliche Rechtsmittel (vgl. dagegen oben Nr. 3)
Platz greift. Bei der Verhandlung werden die
erschienenen Parteien oder Parteivertreter (§ 1663)
gehört. Der Vorsitzende hat das Sach= und Streit-
verhältnis mit ihnen zu erörtern und dahin zu
wirken, daß sie über alle erheblichen Tatsachen sich
erklären sowie die angemessenen und sachdienlichen
Anträge stellen (§ 44 Abs. 2 V). Hält der Spruch-
ausschuß die Sache noch nicht für genügend ge-
klärt, so beschließt er von sich aus im Sinne des
Offizialprinzips den ihm nötig scheinenden Beweis,
dessen Aufnahme er dem Vorsitzenden übertragen
kann. Erledigung des Rechtsstreites durch Ver-
gleich über Anspruch und Kosten ist besonders vor-
gesehen. Es ergeht innerhalb der erhobenen An-
sprüche nach freiem Ermessen (5 31 V) das Urteil,
das öffentlich verkündet, mit Gründen ausge-
fertigt und von Amts wegen den Parteien huge-
stellt wird. Ausnahmsweise kann über den An-
spruch nur dem Grunde nach und nicht zugleich
über Betrag und Beginn der Leistung erkannt
werden; doch ist dann eine vorläufige und später
anzurechnende Leistung in bestimmtem Betrage
anzuordnen, wogegen kein Rechtsmittel zulässig
ist. Von Amts wegen wird geprüft, ob und welche
Kosten der unterliegende Teil als nötig und
zweckentsprechend ausgewendet dem Gegner zu
erstatten hat; der Betrag wird im Urteil festgesetzt.
5. Ueber Kosten und Gebühren pgl. un-
ten #& 13.
§5 8. Berfahren vor dem Oberversicherungs-
amt (§s 1675—93). Das O ist als zweite
Instanz auf allen 3 Gebieten der Arb V zuständig.
Seine Entscheidung wird durch das Rechtsmittel
der Berufung angerufen. Diese steht auf dem
Gebiete der Krankenversicherung beiden Parteien
gegen Urteile des Spruchausschusses oder seines
Vorsitzenden oder gegen Vorentscheidungen des
letzteren zu (vgl. oben § 7 Nr. 3, 4); auf den
beiden anderen Gebieten unterliegen der Berufung
die Endbescheide oder Bescheide der Versicherungs-
träger (vgl. oben & 6a. E.). Die örtliche Zuständig-
keit des OV ist auf dem Gebiete der Unfallver-
sicherung — mit gewissen Besonderheiten für die
Seeunfallversicherung (§ 1677 Abs 2) — in Par-
allele mit der des VA geregelt; bei der Kranken-
versicherung ist das dem entscheidenden V2 vorge-
setzte OVA zuständig und bei der Invaliden= und
Hinterbliebenenversicherung das O## für den
Bezirk desjenigen VBA, welches bei der Vorbe-
reitung der Sache mitgewirkt hat (X Inv liden-
und Hinterbliebenenversicherung § 16 Nr. 11.
Die Einlegung der Berufung erfolgt in Monats-
frist (& 128) gemäß §* 129 RV0O der Regel nach
beim zuständigen OVMA, im Gebiete der Kranken-