Verwaltung, Verwaltungsrecht
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hoch über alles andere erhoben wird, daß der in
ihr verkörperte herrschaftliche Gedanke besondere
Rechtsbegriffe und -institute auslöst, als auch in
der, daß eine Sonderung in den Tätigleitsformen
der öffentlichen Gewalt aus politischen Gründen
angebahnt wird, indem der Fürst versucht, die
Rechtsetzung zu monopolisieren und eine
von der Justiz unkontrollierte und eximierte
Verwaltungstätigkeit zu entwickeln.
Dieser Prozeß vollzog sich naturgemäß nicht
in einzelnen gesetzgeberischen Aktionen, sondern
in Anknüpfung an das Bestehende und in den
Formen des bisherigen Rechtes.
I. Die gesteigerte VerwTätigleit der Fürsten
fordert zunächst eine Differenzierung
ihrer Ratskollegien (der curige regis);
in Westeuropa früher als bei uns, wo die Ver-
hältnisse infolge der universalistischen Tendenzen
des Reiches, der Machtstellung der Fürsten und
dem damit gegebenen Dualismus staatlicher Ge-
walten sehr viel komplizierter waren. Die wach-
senden Anforderungen der auswärtigen Politik
(auch an römisch-rechtliche Kenntnisse), das Be-
dürfnis nach Emanzipation vom Lehensadel durch
Heranziehung eines gelehrten Beamtentums, die
Errichtung und Erhaltung eines stehenden Söld-
nerheeres, die Leitung einer territorial zusammen-
fassenden Finanz= und Wirtschaftspolitik und die
Sorge für eine den sich komplizierenden und doch
Einheit fordernden Verhältnissen gewachsene
Rechtspflege führen zu einer Abschichtung der
curia regis vom Parlament und den Generalstän-
den, und überhaupt von der Hofverwaltung zu einer
wirklichen, wieder in sich differenzierten Staats-
Verw, wodurch jedoch zunächst noch keineswegs
die alte Einheit des Rates völlig gesprengt wird:
alles ist zunächst mehr von behördengeschichtlicher
und geschäftstechnischer Bedeutung, aber immer-
hin wird so eine Scheidung der Justiz= und Finanz-
sachen und dieser von den auswärtigen, mili-
lanshen und kirchlichen Angelegenheiten ange-
ahnt.
So entstand noch keineswegs eine unabhängige
oberste Justiz, die sich scharf und eindeutig in be-
sonderen, von den reinen Verw Behörden ver-
schiedenen Behörden abgeschichtet hätte. Denn es
blieb nicht nur der Monarch selbst oberster Ge-
richtsherr, der persönlich durch Machtsprüche in
Rechtsstreitigkeiten eingreifen und über den ab-
geschichteten Reichs= und Hofgerichten weitere
Ratsabteilungen als seine persönlichen Gerichte
ins Leben rufen konnte (z. B. der grand conseil
de justice neben dem Parlament), sondern die Ge-
richte waren auch noch mit wirklichen Verw Geschäf-
ten, oft sogar auch einem eigenen Verordnungsrecht
ausgestattet; und es bestanden endlich nebeneinan-
der verschiedene solche Gerichtsbehörden mit sich
schneidenden und konkurrierenden Zuständigkeiten.
Immerhin schuf dieser behördengeschichtliche Pro-
zeß wenigstens die tatsächliche Möglichkeit einer
unabhängigen Rechtsprechung (namentlich in Preu-
ßen). Diese Möglichkeit wurde insbesondere dadurch
eröffnet, daß die Verw Behörden, die zunächst
solche der Finanz Verw waren, zugleich die Ge-
richtsbarkeit und Strafgewalt für die zu ihrem
Ressort gehörigen Angelegenheiten unter Aus-
schluß des ordentlichen Rechtsweges erhielten; und
da die Fürsten vor allem an der Durchsetzung ihrer
hier einschlägigen Gesetze interessiert waren, konn-
ten sie den Gerichten in der ihnen verbleibenden
Zuständigkeit weitgehend freien Lauf lassen.
So enthielt jene Behörden- und Geschäftsdiffe-
renzierung nicht eigentlich eine Trennung von
Justiz und Verwaltung im Sinne der
Gewaltenteilung als formeller Hoheits-
rechte, sondern der Justiz= und Verwal-
tungssachen als zweier materieller
Hoheitsrechte: vgl. noch v. Berg, HB d.
deutschen Pol### 1, (1802) 171 f, und Zachariä,
Deutsches Staats- und BundesR; 2, (1867), 89f.
— Justiz= und VerwSachen wurden von ge-
trennten Behördenorganismen besorgt: aber jeder
von ihnen versah rechtsprechende, verwaltende
und zum Teil auch (in Verordnungen) recht-
setzende Funktionen.
Zugleich aber wurde gerade dadurch ein erstes,
aus der einheitlichen Gesamtmasse des Rechtes
abgesondertes, von den „Gerichten“ nicht mehr
kontrolliertes Verwaltungsrecht geschaf-
fen, teils auf Grund des erhalten gebliebenen
selbständigen Verordnungsrechtes praeter legem
(so namentlich in England), zu dessen Durchsetzung
eben jene besonderen Behörden geschaffen wur-
den, teils in hartem Kampfe mit den an ihren
alten „Freiheiten“ festhaltenden ständischen In-
stituten (Generalstände, Territorialstände, fran-
zösische Parlamente) in Ordonanzen, Amtsinstruk-
tionen, Reglements, Edikten usw. Soweit man
daher bei dem verbleibenden und für das ancien
regime überall charakteristischen Gemenge von
Verordnungs-, Straf-, Entscheidungs-- und Verw-
Befugnissen und konkurrierenden Gerichtsbarkeiten
überhaupt von einer Trennung von Justiz und
Verw sprechen kann, liegt diese nicht in der Ver-
selbständigung einer unabhängigen Justiz gegen-
über der abhängigen Verw, sondern umgekehrt
in einer Emanzipation materieller Hoheitsrechte
der fürstlichen Verw von der mit den ständischen
Instituten vielfach eng verwachsenen Justiz.
Auch vollziehen sich alle diese Sonderungen
zunächst nur in der Zentral- und Mittelinstanz,
während in der patrimonialen und kommunalen
Lokalinstanz meist die alte Einheitlichkeit der öffent-
lichen Gewalt bestehen blieb. In der Polizeige-
richtsbarkeit ist das Recht der Polizei Verw und
in gewissem Umfange auch der polizeilichen Recht-
setzung mitenthalten (vgl. Fischer, Lehrbegriff
sämtlicher Kameral= und Polizeirechte 2 (1785),
S 15, 129; v. Berg, HB des deutschen Polizei-
rechts 1 (1802), 123 f; 4 (1804), S II1 f, 142 f),
das man hchstens unter die Bestätigung des
Landesherrn beugen oder als von ihm delegiert
konstruieren konnte.
II. Im Grunde konnte der Absolutismus jene
Ansatzpunkte zur Teilung der Gewalten auch nur
als sekundäre Unterscheidungen ansehen, die ihre
praktische Spitze gegen selbständige Statutar= und
Verordnungsrechte und gegen die an sich sachlich
unbeschränkte Zuständigkeit der Gerichte kehren
sollten, während sein Wesen in einer Ver-
einigung aller Gewaltern besteht, die
er denn auch gerade auf der Einheitlichkeit und
Indifferenziertheit der öffentlichen Gewalt in
dem von ihm geschaffenen Behördenapparat
aufgebaut hat. Ueber die noch heute, auch nach
der Constitutio Sapienti consilio, durchaus ana-
logen Verhältnisse der kurialen Organisation, vyl.
E. Ruck, Die Organisation der römischen Kurie,
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