Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltung, Verwaltungsrecht 
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geprägt zu sein, positivrechtlich Gerichten oder 
VerwGerichten zugewiesen werden. 
Dagegen gehören nicht zu jenem „vierten 
Gebiet“, sondern zur Verw, die auswärtige Verw 
und die Kriegführung. Denn es kann nicht 
zugegeben werden, daß der Staat mit diesen 
Tätigkeiten „aus dem Bereiche seiner Rechts- 
ordnung heraustritt“ (O. Mayer): es sind hier 
nur die gesetzlichen Ermächtigungen an die Verw- 
Organe sehr weite und zu Prärogativen (vgl. 
* 9 12) ausgestaltete. Weil es sich auch hier 
um „Verwaltung“" handelt, ist daher auch der 
Min der auswärtigen Angelegenheiten zur Kon- 
fliktserhebung I#1 gegenüber den Gerichten be- 
rechtigt. 
III. „Das Wort Vollziehung hat unter 
scholastischen Abstraktionen schwer zu leiden ge- 
habt. Man het es jeder gewissenhaften Analyse 
uwider mißbraucht, um die reiche und vielge- 
baltige Tätigkeit des Staates, die der Gesetz- 
gebung gegenübersteht, mit logischer Subsumtion 
und starrer Gebundenheit zu identifizieren.“ 
(Haenel, Gesetz im sorm. und mater. Sinne S 186). 
Nicht minder hat die Beurteilung der Justiz unter 
solchen Auffassungen schwer zu leiden gehabt. Noch 
unter ihren Einwirkungen steht die Terminologie 
von Fleiner, der die Besorgung von staatlichen 
Aufgaben, „die ihm durch kein spezielles Gesetz 
aufgetragen sind“, nicht Vollziehung, sondern 
Regierung nennt, — aber freilich an diese Unter- 
scheidung keine Folgen knüpft, sondern Regierung 
und Vollziehung in seinem Sinne nur als „die 
zwei Seiten der dritten staatlichen Funktion, 
der Verw im eng. Sinne“ ansieht, und so im 
Resultat mit der hier vorgetragenen Ansicht 
übereinstimmt. 
Verw (i. e. S.) und Vollziehung sind daher 
identische Begriffe. Der erstere ist der üblichere 
geworden, während Haenel, der an dem weiteren 
Verwegriff als dem System der materiellen 
Hoheitsrechte festhält, die Terminologie Voll- 
ziehung bevorzugt und unter Regierung das 
System der formellen Hoheitsrechte versteht. 
Sachlich bestehen zwischen seiner und der hier vor- 
getragenen Auffassung keine Unterschiede. 
Außer der Literatur zu 1 1 v. Sarwey, 
Verw zz 6, 33. 
Allgem. 
IV. Das Verwaltungsrecht und seine Scheidung 
vom bürgerlichen Recht 
1. Einleitende Betrachtungen 
& 2. Die praktische Bedeutung der Scheidung. 
Die Frage der Scheidung von Verw und bür- 
gerlichem Recht ist in doppelter Hinsicht von 
praktischer Bedeutung: in prozeßrechtli- 
cher für die Frage des Rechtsweges [A] und in 
materiellrechtlicher für die Frage der 
Beurteilungsnormen. 
1. Nach § 13 GVe# sind die ordentlichen Ge- 
richte zuständig für alle bürgerlichen Rechtsstrei- 
tigkeiten lim materiellen Sinne), sofern nicht 
ausdrücklich andere Behörden mit ihrer Ent- 
scheidung betraut sind: und nach § 4 ESz. ZPO 
darf der Rechtsweg auch für die bürgerlichen 
  
gesetzlich nicht ausgeschlossen (sondern nur be- 
schränkt) werden. 
2. Der verwaltende Staat lebt nicht nur nach 
Verw, sondern auch nach bürgerlichem Recht. 
Danach ist es eine Frage, wann der Staat die 
eine oder die andere „Rechtsart“ benutzen muß 
oder darf, und wann die Rechtsbeziehungen zwi- 
schen ihm und seinen Gliedern, oder auch der 
Glieder untereinander, nach den Normen des 
bürgerlichen Rechtes (z. B. Nachbarrecht, Ver- 
tragsrecht, außerkontraktliches Recht) zu beurteilen 
sind. 
§5 13. Der Ausgangspunkt im 19. Jahrhundert. 
I. Solange man von dem Grundsatz der 
sachlich nicht beschränkten Zuständigkeit der Ge- 
richte ausging (oben §&# 2, 6), bestand ein prakti- 
sches Bedürfnis für die Scheidung beider „Rechts- 
arten“" — zunächst in der ersten prozeßrecht- 
lichen Hinsicht — nicht. 
Denn es war schließlich gleichgültig, wie man 
das von den Gerichten auf den Staat anzuwen- 
dende Recht theoretisch klassifizierte: inwieweit 
als eigentliches „Verwaltungsrecht" oder als 
irgendein Sonderrecht, wie es deren ja viele für 
einzelne Klassen der Untertanen oder für be- 
stimmte sachliche Verhältnisse (Handelsrecht, See- 
recht, Familienrecht, Kirchenrecht, Adelsrecht usw.) 
gab. Es ist daher charakteristisch, daß das ALR 
seinem System ohne Schaden nicht den Gegensatz 
von öffentlichem und bürgerlichem Recht zugrunde 
legen konnte, sondern im großen Ganzen den 
diesen kreuzenden von Individualrecht und So- 
zialrecht. Wenn & 1 Einl. zur Allg. GerO be- 
stimmt: „Alle Streitigkeiten über Sachen und 
Rechte, welche einen Gegenstand des Privat- 
eigentums ausmachen, müssen, wenn kein 
gütliches Uebereinkommen stattfindet, durch rich- 
terlichen Spruch entschieden werden“ —, so wer- 
den hier unter dem Begriff „Privateigentum“" alle 
„privaten“ — subjektiven (öffentlichen oder Privat-) 
Rechte, das sind „alle angeborenen und erwor- 
benen Güter eines Menschen“ verstanden (ovgl. 
Oppenhoff, Ressortverhältnisse S 23; Loening, 
Gerichte und Verwehörden 155 f). J& 41 der 
V v. 26. 12. 08 sagt in demselben, nicht diffe- 
renzierenden Sinne, daß es jedem freistehe, „sein 
Privatinteresse über Gegenstände der 
Post= und Bergwerksadministration bei dem 
kompetenten Gerichte geltend zu machen“. 
Bei diesem Ausgangspunkt bedarf es jedesmal 
einer besonderen Norm, wenn der Rechts- 
weg ausgeschlossen werden soll; so auch 
wenn cs sich um die sogen. Majestäts= und Landes- 
hoheitsrechte handelt: § 36 der V v. 26. 12. 08 
ist für die Unzulässigkeit des Rechtsweges in 
dieser Hinsicht die noch heute in bezug zu neh- 
mende Norm. 
II. Der in diesem Grundsatz von der prinzi- 
piellen Unbeschränktheit der gerichtlichen Zu- 
ständigkeit zum Ausdruck kommende alt-germa- 
nische Gedanke der Einheitlichkeit alles Rechts 
ist zugleich so kräftig, daß er auch in der zweiten, 
materiellrechtlichen Hinsicht kein 
praktisches Bedürfnis nach einer Scheidung zweier 
scharf getrennter Rechtsarten aufkommen läßt. 
Denn auch hier kann man mit dem Begriff 
eines neben anderen stehenden Sonderrechts 
Rechtsstreitigkeiten des Staates und der anderen für den Staat auskommen, des Inhalts, daß ihm 
Korporationen des öffentlichen Rechts landes= in gewissen Beziehungen Rechte von besonderer
	        
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