Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltung, Verwaltungsrecht 
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Aehnlich hat auch der Begriff des do- 
maine public eine Ausweitung da- 
durch erfahren, daß er nicht mehr ausschließlich 
auf die (natürlichen oder durch Widmung ge- 
schaffenen) Sachen im Gemeingebrauch und die 
Festungswerke beschränkt wird, sondern immer 
mehr das gesamte Verw Vermögen mit umfaßt. 
Selbst die Autoren, die sich scheuen den histo- 
rischen Begriff des domaine public aufzugeben, 
sehen doch auch in dem Verw Vermögen des 
„biens affectés à des services publics“, für die, 
eben soweit dieser service public 
reiccht, die Normen und Zuständigkeiten des 
Verw R gelten: gilt doch selbst für staatliche 
Lieferungsverträge und die „eigentlichen" Do- 
mänen in weitem Umfange nicht das Zivilrecht, 
weil eben ein service public in Frage steht. 
Dieser Begriff ist es auch allein, der als Kriterium 
für die Abgrenzung der dépendances du domaine 
public verwendet wird, da im eigentlichen Sinne 
nur die dazu gehören sollen, die „wesentliches“ 
und aunentbehrliches“ Obiekt eines service public 
ind. 
II. Dieser Begriff des ser vice publie 
tritt immer dominierender in das Zentrum des 
französischen Verw RK: so bereits unter dem 
Namen der „öffentlichen Anstalt“ (für das nicht- 
polizeiliche Verwif bei O. Mayer (Theorie 225 f) 
und jetzt insbesondere in der jüngsten Darstel- 
lung des französischen VerwR von Jeze, wo er 
den der travaux publics bereits völlig verdrängt 
hat und für den des domaine publie so konstitutiv 
geworden ist, daß das domaine public nur noch 
die dingliche Radizierung des service public zu 
sein scheint. 
Subjekt eines service public war früher 
nur der Staat oder der von ihm konzessionierte 
Private. Die neueste Rechtsprechung des Staats- 
rates hat diese Fähigkeit, Subjekt eines service 
ublic zu sein, auf die Departements, Gemein- 
een und ötablissements publics, — das sind die 
juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die es 
sowohl im Anschluß an den Staat wie an De- 
partements und Gemeinden in sehr viel größe- 
rem Umfange gibt als bei uns — übertragen. 
Gegenstand eines service publie kann jede 
Betätigung dieser Subjekte sein, die sie als solchen 
organisieren oder konzessionieren: alle Wohl- 
fahrtseinrichtungen, von Transportunternehmun- 
gen jeder Art (ob sie in die Substanz des domaine 
public eingreifen, oder nicht wie Autounterneh- 
mungen) und Beleuchtungseinrichtungen jeder 
Art bis zu Badeanstalten und Bäckereien. Und da 
auch die mit der Gemeinnützigkeit verbundene 
Gewinnabsicht den Begriff des service publieo 
nicht entfallen läßt, so machen insbesondere die 
Gemeinden von der Organisierung oder Kon- 
zessionierung solcher Unternehmungen reichsten 
Gebrauch, nicht nur weil sie durch die erzielten 
Gewinne die Steuerkraft ihrer Bürger schonen, 
sondern auch die Vorteile einer Exemtion vom 
Privatrecht genießen und der für alle VerwBe- 
dürfnisse hervorragend verständnisvollen Juris= 
diktion des Staatsrates unterstellt werden. 
5 17. Konzession und Polizeierlaubnis. Mit 
dem Institut der Konzession [M ist der 
letzte hier zu behandelnde, für die Eigenart der 
französischen Abgrenzung von Verw R und bür- 
gerlichem Recht typische Grundbegriff genannt: 
  
er dokumentiert am eindringlichsten das vorhin. 
erwähnte, die Geltung des Privatrechts einschnü- 
rende Heraustreten des französischen Verw. aus 
dem Rahmen des Polizeirechts. 
Außerhalb des domaine public steht die Verw- 
Tätigkeit des Staates als „Polizei“ der „na- 
türlichen Freiheit“ der Individuen gegenüber 
und erscheint hier nur als, zu möglichster Zurück- 
haltung verpflichtete und spezieller gesetzlicher Au- 
torisationen bedürftige, Beschränkerin der „Frei- 
heitsrechte“ (Gewissens-, Vereins-, Preß-, Ver- 
sammlungs-, Gewerbe-, Arbeits= usw. Freiheit), 
während sie auf dem domaine public eine dop- 
pelte Funktion hat (vgl. außer Hauriou, Berthé- 
lemy, O. Mayer, Wolzendorff, Die Grenzen der 
Polizeigewalt im französischen Recht, im Arch- 
OeffR 24, 325 f). Zunächst auch hier als Polizei, 
soweit sie durch Gebote, Verbote und Erlaubnisse 
(und zwar nicht in den engen Schranken wie 
außerhalb des domaine) die „natürliche Frei- 
heit“ der Einzelnen beim Gebrauche desselben 
reguliert. Sobald aber der Einzelne eine Son- 
dernutzung erlangen möchte, der die Substanz 
des domaine ergreift (ontrainant emprise du do- 
maine et modification de son assiette) und so 
der ursprüngliche Begriff der travaux publics 
gegeben ist, kann er diese über die „natürliche 
Freiheit“ hinausgehende Macht nur durch eine 
der regalen Verleihung verwandte, offenbar aus 
ihr erwachsene Konzession erlangen. 
Die vorhin geschilderten Erweiterungen des 
Begriffes travaux publics zu dem des service 
public und des Kreises der zu solchen fähigen 
Rechtssubiekte kommen natürlich auch dem der 
concessions zugute, so daß Staat, Departements 
und Gemeinden jede nutzbare Unternehmung 
auf Grund eines cahier des charges (Pflichtenheft) 
konzessionieren können. Der „Konzessionär 
eines öffentlichen Dienstes“ steht im Gegensatz zu 
dem, der bloß eine Polizeierlaubnis erhal- 
ten hat (sei es eine außerhalb des domaine publio 
erteilte autorisation des Bau-, Gewerbe= oder 
Privatfluß- usw. Rechtes, sei es eine auf dem 
domaine erteilte permission de stationnement 
oder de place), indem dieser nur die Erlaub- 
nis zum Gebrauche seiner natürlichen 
Freiheit im polizeilichen Rahmen er- 
halten hat und darum in der Sphäre des Privat- 
rechts verbleibt, während jener Inhaber eines dem 
VerwrR und der Jurisdiktion der Verwerichte 
unterstellten service public geworden ist. 
§s 18. Die „unechten öffentlichen Anstalten“. 
Neben den beiden großen Kategorien des Polizei- 
rechts und der öffentlichen Anstalten = service 
bublie, dem polizeilichen und dem überpolizei- 
ichen Verw, kennt O. Mayer noch die zwischen 
beiden stehende der „unechten öffent- 
lichen Anstalten“" (Theorie des französ. 
VerwrR 5 54). Ihr Wesen macht aus, daß die 
Rechtsformen der öffentlichen Anstalten hier auf 
Gegenstände angewandt werden, die eigentlich 
dem Privatrecht unterstehen: es gehören hierher 
das Deich-, Forst-, Bergrecht, das Recht der Heil- 
quellen, der Privatflüsse usw. 
Auch Hauriou und Berthélemy behandeln an- 
hangsweise hinter der Lehre von den öffentlichen 
Arbeiten die associations syndicales de proprié- 
taires on vue de ’exécution de travaux d'intért 
collectif, Hauriou auch noch das Bergrecht (vgl. 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl. III. 45
	        
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