Verwaltung, Verwaltungsrecht
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Aehnlich hat auch der Begriff des do-
maine public eine Ausweitung da-
durch erfahren, daß er nicht mehr ausschließlich
auf die (natürlichen oder durch Widmung ge-
schaffenen) Sachen im Gemeingebrauch und die
Festungswerke beschränkt wird, sondern immer
mehr das gesamte Verw Vermögen mit umfaßt.
Selbst die Autoren, die sich scheuen den histo-
rischen Begriff des domaine public aufzugeben,
sehen doch auch in dem Verw Vermögen des
„biens affectés à des services publics“, für die,
eben soweit dieser service public
reiccht, die Normen und Zuständigkeiten des
Verw R gelten: gilt doch selbst für staatliche
Lieferungsverträge und die „eigentlichen" Do-
mänen in weitem Umfange nicht das Zivilrecht,
weil eben ein service public in Frage steht.
Dieser Begriff ist es auch allein, der als Kriterium
für die Abgrenzung der dépendances du domaine
public verwendet wird, da im eigentlichen Sinne
nur die dazu gehören sollen, die „wesentliches“
und aunentbehrliches“ Obiekt eines service public
ind.
II. Dieser Begriff des ser vice publie
tritt immer dominierender in das Zentrum des
französischen Verw RK: so bereits unter dem
Namen der „öffentlichen Anstalt“ (für das nicht-
polizeiliche Verwif bei O. Mayer (Theorie 225 f)
und jetzt insbesondere in der jüngsten Darstel-
lung des französischen VerwR von Jeze, wo er
den der travaux publics bereits völlig verdrängt
hat und für den des domaine publie so konstitutiv
geworden ist, daß das domaine public nur noch
die dingliche Radizierung des service public zu
sein scheint.
Subjekt eines service public war früher
nur der Staat oder der von ihm konzessionierte
Private. Die neueste Rechtsprechung des Staats-
rates hat diese Fähigkeit, Subjekt eines service
ublic zu sein, auf die Departements, Gemein-
een und ötablissements publics, — das sind die
juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die es
sowohl im Anschluß an den Staat wie an De-
partements und Gemeinden in sehr viel größe-
rem Umfange gibt als bei uns — übertragen.
Gegenstand eines service publie kann jede
Betätigung dieser Subjekte sein, die sie als solchen
organisieren oder konzessionieren: alle Wohl-
fahrtseinrichtungen, von Transportunternehmun-
gen jeder Art (ob sie in die Substanz des domaine
public eingreifen, oder nicht wie Autounterneh-
mungen) und Beleuchtungseinrichtungen jeder
Art bis zu Badeanstalten und Bäckereien. Und da
auch die mit der Gemeinnützigkeit verbundene
Gewinnabsicht den Begriff des service publieo
nicht entfallen läßt, so machen insbesondere die
Gemeinden von der Organisierung oder Kon-
zessionierung solcher Unternehmungen reichsten
Gebrauch, nicht nur weil sie durch die erzielten
Gewinne die Steuerkraft ihrer Bürger schonen,
sondern auch die Vorteile einer Exemtion vom
Privatrecht genießen und der für alle VerwBe-
dürfnisse hervorragend verständnisvollen Juris=
diktion des Staatsrates unterstellt werden.
5 17. Konzession und Polizeierlaubnis. Mit
dem Institut der Konzession [M ist der
letzte hier zu behandelnde, für die Eigenart der
französischen Abgrenzung von Verw R und bür-
gerlichem Recht typische Grundbegriff genannt:
er dokumentiert am eindringlichsten das vorhin.
erwähnte, die Geltung des Privatrechts einschnü-
rende Heraustreten des französischen Verw. aus
dem Rahmen des Polizeirechts.
Außerhalb des domaine public steht die Verw-
Tätigkeit des Staates als „Polizei“ der „na-
türlichen Freiheit“ der Individuen gegenüber
und erscheint hier nur als, zu möglichster Zurück-
haltung verpflichtete und spezieller gesetzlicher Au-
torisationen bedürftige, Beschränkerin der „Frei-
heitsrechte“ (Gewissens-, Vereins-, Preß-, Ver-
sammlungs-, Gewerbe-, Arbeits= usw. Freiheit),
während sie auf dem domaine public eine dop-
pelte Funktion hat (vgl. außer Hauriou, Berthé-
lemy, O. Mayer, Wolzendorff, Die Grenzen der
Polizeigewalt im französischen Recht, im Arch-
OeffR 24, 325 f). Zunächst auch hier als Polizei,
soweit sie durch Gebote, Verbote und Erlaubnisse
(und zwar nicht in den engen Schranken wie
außerhalb des domaine) die „natürliche Frei-
heit“ der Einzelnen beim Gebrauche desselben
reguliert. Sobald aber der Einzelne eine Son-
dernutzung erlangen möchte, der die Substanz
des domaine ergreift (ontrainant emprise du do-
maine et modification de son assiette) und so
der ursprüngliche Begriff der travaux publics
gegeben ist, kann er diese über die „natürliche
Freiheit“ hinausgehende Macht nur durch eine
der regalen Verleihung verwandte, offenbar aus
ihr erwachsene Konzession erlangen.
Die vorhin geschilderten Erweiterungen des
Begriffes travaux publics zu dem des service
public und des Kreises der zu solchen fähigen
Rechtssubiekte kommen natürlich auch dem der
concessions zugute, so daß Staat, Departements
und Gemeinden jede nutzbare Unternehmung
auf Grund eines cahier des charges (Pflichtenheft)
konzessionieren können. Der „Konzessionär
eines öffentlichen Dienstes“ steht im Gegensatz zu
dem, der bloß eine Polizeierlaubnis erhal-
ten hat (sei es eine außerhalb des domaine publio
erteilte autorisation des Bau-, Gewerbe= oder
Privatfluß- usw. Rechtes, sei es eine auf dem
domaine erteilte permission de stationnement
oder de place), indem dieser nur die Erlaub-
nis zum Gebrauche seiner natürlichen
Freiheit im polizeilichen Rahmen er-
halten hat und darum in der Sphäre des Privat-
rechts verbleibt, während jener Inhaber eines dem
VerwrR und der Jurisdiktion der Verwerichte
unterstellten service public geworden ist.
§s 18. Die „unechten öffentlichen Anstalten“.
Neben den beiden großen Kategorien des Polizei-
rechts und der öffentlichen Anstalten = service
bublie, dem polizeilichen und dem überpolizei-
ichen Verw, kennt O. Mayer noch die zwischen
beiden stehende der „unechten öffent-
lichen Anstalten“" (Theorie des französ.
VerwrR 5 54). Ihr Wesen macht aus, daß die
Rechtsformen der öffentlichen Anstalten hier auf
Gegenstände angewandt werden, die eigentlich
dem Privatrecht unterstehen: es gehören hierher
das Deich-, Forst-, Bergrecht, das Recht der Heil-
quellen, der Privatflüsse usw.
Auch Hauriou und Berthélemy behandeln an-
hangsweise hinter der Lehre von den öffentlichen
Arbeiten die associations syndicales de proprié-
taires on vue de ’exécution de travaux d'intért
collectif, Hauriou auch noch das Bergrecht (vgl.
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl. III. 45